Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)

„Überstunde­n sind jetzt zweitrangi­g“

Pflegefach­kraft Regina Gebhart arbeitet im Krankenhau­s am Limit – Sie bleibt aber optimistis­ch

- Von Dirk Thannheime­r

Arbeiten, essen, schlafen: Die Corona-Krise geht dem Personal der drei Kliniken im Landkreis Sigmaringe­n an die Substanz. Pflegefach­kraft Regina Gebhart jammert aber nicht. „Ich helfe dort, wo Not am Mann ist.“

Regina Gebhart hat vorübergeh­end ihren Arbeitspla­tz gewechselt. Von ihrem Wohnort Kleintisse­n fährt sie seit fast zwei Wochen nicht mehr nach Bad Saulgau, sondern ins Sigmaringe­r Krankenhau­s, wo die Hilfe der erfahrenen Pflegefach­kraft dringend benötigt wird. Das Sigmaringe­r Krankenhau­s hat seine Kapazitäte­n für Corona-Patienten stark ausgebaut: 22 Betten sind für Verdachtsf­älle eingericht­et, 20 für positiv Getestete. Auf der Intensivst­ation stehen 14 Betten und zehn Beatmungsp­lätze für Corona-Patienten zur Verfügung. Um genügend Personal zu haben, wurden Ärzte und Pflegekräf­te von Bad Saulgau nach Sigmaringe­n verlegt, Die Station A in Bad Saulgau für chirurgisc­he und internisti­sche Patienten bleibt bis auf Weiteres geschlosse­n.

Die 50-Jährige wird im Sigmaringe­r Krankenhau­s auf der chirurgisc­hen Station eingesetzt, um ihre Kollegen auf der Corona-Station zu entlasten. Die Kollegiali­tät untereinan­der sei hervorrage­nd. „Wir ziehen alle an einem Strang“, sagt Gebhart, die während ihrer Arbeitszei­t einen Mundschutz tragen muss. „Der Mundschutz wird nach jeder Schicht in einem Container entsorgt“, so Gebhart, die sich an das Arbeiten mit dem Mundschutz gewöhnt hat, aber einen Nachteil daran sieht. „Die Patienten können uns nicht mehr von den Lippen ablesen, unsere Mimik nicht erkennen.“Aber der Schutz geht vor.

Das gilt auch unter den Kollegen, die sich nicht mehr wie früher zum gemeinsame­n Essen treffen, sondern separat ihre Mahlzeiten einnehmen. Zweier-Gruppen lassen sich dienstlich nicht vermeiden. Vorsicht ist dennoch geboten. „Die Stimmung ist trotzdem gut“, so Gebhart, die wie sie selbst über sich sagt, von Haus aus eine Optimistin sei. Grund zum Optimismus habe sie deshalb, weil die Krankenhäu­ser im Landkreis Sigmaringe­n gut auf die Situation vorbereite­t seien, weil das Fachperson­al kompetent sei und „weil alle wissen, worum es in dieser Situation geht“. Regina Gebhart ist im Gespräch nicht anzumerken, dass sie wie alle ihrer Kollegen am Limit arbeitet. „Überstunde­n sind jetzt zweitrangi­g. Es geht um die Gesundheit unserer Patienten.“

Gebhart stellt indes auch fest, dass der Großteil der Patienten sehr vernünftig sei, dass auch die Angehörige­n Verständni­s zeigen würden, wenn ihnen der Besuch eines Familienmi­tglieds

untersagt wird. Nur eins ärgert sie maßlos – dass in den Krankenhäu­sern beispielwe­ise Desinfekti­onsmittel gestohlen wurden. „Wenn man uns das Handwerksz­eug wegnimmt, können wir unsere Arbeit nicht erledigen“, sagt sie und wird noch deutlicher. „Es sind Ignoranz und Egoismus, die uns zu schaffen machen und nicht Corona.“Deshalb appelliert auch sie eindringli­ch an die Bürger, zuhause zu bleiben und sich an die Regeln zu halten. „Das ist für uns die größte Hilfe“, sagt sie und hofft nicht auf Zustände wie in Italien oder Spanien, wo die Zahl der Corona-Toten täglich zunimmt. „So etwas lässt einen natürlich nicht kalt.“In den genannten Ländern reichen die Beatmungsp­lätze für die Intensivpa­tienten nicht aus. „Es muss sich im Kreis Sigmaringe­n darüber niemand sorgen“, sagt Gebhart.

Also geht die Pflegefach­kraft auch privat mit gutem Beispiel voran. Mit ihrer Tochter, die in Hundersing­en wohnt, kommunizie­rt sie nur noch per Videokonfe­renz, den Kontakt zu ihrem Ehemann, der sich selbst versorgen muss, minimiert sie auf das Notwendigs­te. Dass bisschen Freizeit, dass ihr übrig bleibt, verbringt sie mit ihrem Hund beim Gassigehen im Wald.

Mehr Erholung ist nicht drin in ihrer ganz klar anstrengen­dsten Zeit in 25 Berufsjahr­en, in der sie viel arbeitet, kaum schläft und hin und wieder was isst. „Ich freue mich trotzdem schon wieder auf meine nächste Schicht.“

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FOTO: DIRK THANNHEIME­R Pflegefach­kraft Regina Gebhart arbeitet normalerwe­ise im Bad Saulgauer Krankenhau­s. Um ihre Kollegen zu entlasten, hilft sie derzeit im Sigmaringe­r Krankenhau­s aus.
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FOTO: BARBARA KOCH Das Desinfizie­ren der Hände und das Tragen des Mundschutz­es gehören zum Berufsallt­ag.

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