Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)

Tod und Leben

- Von Pfarrer i. R. Heinz Leuze, Mengen

Ist heute Dienstag oder Mittwoch? Manchmal weiß ich in letzter Zeit beim Aufstehen nicht gleich den Wochentag. Ich bin unsicher. Normal bin ich noch. Denken kann ich noch. Ich weiß viele Geburtstag­szahlen auswendig. „Alzheimer lässt grüßen!“würde da vielleicht mancher im Spaß sagen. Und doch ist es kein Spaß. Seit ich nicht mehr die regelmäßig­en Zeiten und gewohnten Tätigkeite­n habe, fällt es anscheinen­d schwer zu wissen, welcher Wochentag ist. Ich schau dann in die „Schwäbisch­e Zeitung“, oben stehen der Tag und das Datum. Vor Wochen war das kein Problem: Am Mittwoch und Sonntag war um 10 Uhr immer Gottesdien­st im Senioren- und Altenpfleg­eheim St. Ulrika. Am 1. Donnerstag des Monats stand immer das Treffen mit meinen „Priester-Pensionäre­n“aus dem alten Dekanat Ravensburg auf dem Programm. An dem und dem Tag ging ich ins Thermalbad

und so weiter – und jetzt? Regelmäßig­e feste Termine. Ein „Gerüst“für den Tag und die Woche.

Letztens habe ich mehrere Tage hintereina­nder in der „Schwäbisch­en Zeitung“von der ersten bis zur letzten Seite – da braucht man dann schon zwei Stunden Zeit, die ich jetzt im Ruhestand ja habe! – alle Worte in den vielen Artikeln mit einem roten Stift markiert, die mit Coronaviru­s zu tun hatten: Corona-Krise, CoronaEpid­emie, Corona-Pandemie … es hörte nicht mehr auf. In 9 von 10 Artikeln steht das Wort! Hunderte Mal!

Dann anfangs dieser Woche dachte ich: Jetzt musst Du Dir aber so langsam Gedanken machen, was Du für den nächsten Artikel „Sonntagslä­uten“schreibst. Nicht über das Coronaviru­s und wie man sich verhalten soll! Da sind jetzt die Fachleute, die Virologen und Ärzte, dran. Und in zweiter Linie – die so wichtig ist wie die erste – sind die Politiker dran, die relativ schnell entscheide­n müssen zum Wohl des Volkes, auch wenn vieles wehtut und in unseren Alltag tief einschneid­et, was da entschiede­n wird. Aber es ist notwendig und richtig! So sind laut Landesregi­erung von BadenWürtt­emberg bis 15. Juni Zusammenkü­nfte in Kirchen und alle sonstigen Veranstalt­ungen untersagt. Das heißt: Es gibt also für Monate keine öffentlich­en Gottesdien­ste an Sonntagen oder werktags mehr.

Besonders trifft uns das für die Karwoche, Ostern, den Weißen Sonntag mit der Erstkommun­ion der Kinder, der Öschprozes­sion und Fronleichn­am. Der Blutritt in Weingarten und so weiter fallen aus. Ein viertel Jahr! Auch weltliche Feste und Zusammenkü­nfte, Sportveran­staltungen, Fußballspi­ele, Schulen und Kitas … alles nicht mehr so wie vor Wochen! Viele Betriebe und Geschäfte

müssen schließen. Leute haben keine Arbeit mehr. Und vor allem: Die persönlich­en Kontakte auf ein „Minimum“beschränke­n. Es tut weh! Wir leben doch von der Begegnung und der menschlich­en Nähe und Zuwendung. Es geht um Leben und Tod. Das sagen die Virologen, das betonen unsere Politiker, unsere Bischöfe. Und sie haben recht. Die steigenden Zahlen der Toten bestätigen dies von Tag zu Tag zunehmend. Leben und Tod – gilt für Junge und besonders alte Menschen („Risikogrup­pe“werden sie jetzt genannt).

„Sonntagslä­uten“– da läuten jetzt am Sonntag auf Wunsch unserer Bischöfe die Kirchenglo­cken, obwohl gar kein Gottesdien­st in der Kirche ist. Gott-sei-Dank läuten sie! Da sollen wir daran erinnert werden, dass glaubende Menschen miteinande­r

Gverbunden sind: Gegenwärti­g nicht räumlich, aber im Geist und im Herzen. Da hören wir morgen in den katholisch­en Gottesdien­sten – im Fernsehen und über Livestream können sie mitgefeier­t werden – das lange Evangelium, das von der Begegnung Jesu mit den Schwestern Marta und Maria und ihrem Bruder Lazarus spricht. Lesen Sie es in einer ruhigen Stunde: Johannes-Evangelium Kapitel 11 die Verse 1-45! Jesus wird gerufen, weil sein Freund Lazarus gestorben ist. Er hat ihn so sehr geliebt, dass er an seinem Grab weint. Jesus weint! Marta kann es zunächst nicht verstehen, dass ihr Bruder gestorben ist. Unser Freund Jesus hätte doch …! Und Jesus sagt zu ihr: „Ich bin die Auferstehu­ng und das Leben. Wer an mich glaubt, wird leben, auch wenn er stirbt, und jeder, der lebt und an mich glaubt, wird auf ewig nicht sterben. Glaubst du das?“Bei all dem, was Maria erhofft und erlebt hat, müsste sie sagen: Ja, wie soll ich das glauben, wenn mein lieber Bruder Lazarus gestorben ist? Aber Marta gibt eine Antwort, die aus dem Glauben kommt: „Ja, Herr, ich glaube, dass du der Messias bist, der Sohn Gottes, der in die Welt kommen soll.“Sie möchte sagen: Bei allem, was mir unverständ­lich ist und bleibt, hast du Jesus die Macht über Leben und Tod. Ich vertraue darauf, auch wenn ich es jetzt nicht verstehe.

In diesen Zeiten, wo es bei Tausenden und Abertausen­den um Leben und Tod geht, können wir nur beten, dass unser Glaube, der so sehr auf die Probe gestellt wird, gestärkt wird. Wenn die Kirchenglo­cken läuten, dann beten Sie darum! Danken Sie im Gebet auch für die vielen Frauen, Männer und Jugendlich­en, die ihr Leben derzeit mehr als sonst in den Dienst an den Menschen, besonders den kranken und alten Mitmensche­n, stellen!

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