Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)
Tod und Leben
Ist heute Dienstag oder Mittwoch? Manchmal weiß ich in letzter Zeit beim Aufstehen nicht gleich den Wochentag. Ich bin unsicher. Normal bin ich noch. Denken kann ich noch. Ich weiß viele Geburtstagszahlen auswendig. „Alzheimer lässt grüßen!“würde da vielleicht mancher im Spaß sagen. Und doch ist es kein Spaß. Seit ich nicht mehr die regelmäßigen Zeiten und gewohnten Tätigkeiten habe, fällt es anscheinend schwer zu wissen, welcher Wochentag ist. Ich schau dann in die „Schwäbische Zeitung“, oben stehen der Tag und das Datum. Vor Wochen war das kein Problem: Am Mittwoch und Sonntag war um 10 Uhr immer Gottesdienst im Senioren- und Altenpflegeheim St. Ulrika. Am 1. Donnerstag des Monats stand immer das Treffen mit meinen „Priester-Pensionären“aus dem alten Dekanat Ravensburg auf dem Programm. An dem und dem Tag ging ich ins Thermalbad
und so weiter – und jetzt? Regelmäßige feste Termine. Ein „Gerüst“für den Tag und die Woche.
Letztens habe ich mehrere Tage hintereinander in der „Schwäbischen Zeitung“von der ersten bis zur letzten Seite – da braucht man dann schon zwei Stunden Zeit, die ich jetzt im Ruhestand ja habe! – alle Worte in den vielen Artikeln mit einem roten Stift markiert, die mit Coronavirus zu tun hatten: Corona-Krise, CoronaEpidemie, Corona-Pandemie … es hörte nicht mehr auf. In 9 von 10 Artikeln steht das Wort! Hunderte Mal!
Dann anfangs dieser Woche dachte ich: Jetzt musst Du Dir aber so langsam Gedanken machen, was Du für den nächsten Artikel „Sonntagsläuten“schreibst. Nicht über das Coronavirus und wie man sich verhalten soll! Da sind jetzt die Fachleute, die Virologen und Ärzte, dran. Und in zweiter Linie – die so wichtig ist wie die erste – sind die Politiker dran, die relativ schnell entscheiden müssen zum Wohl des Volkes, auch wenn vieles wehtut und in unseren Alltag tief einschneidet, was da entschieden wird. Aber es ist notwendig und richtig! So sind laut Landesregierung von BadenWürttemberg bis 15. Juni Zusammenkünfte in Kirchen und alle sonstigen Veranstaltungen untersagt. Das heißt: Es gibt also für Monate keine öffentlichen Gottesdienste an Sonntagen oder werktags mehr.
Besonders trifft uns das für die Karwoche, Ostern, den Weißen Sonntag mit der Erstkommunion der Kinder, der Öschprozession und Fronleichnam. Der Blutritt in Weingarten und so weiter fallen aus. Ein viertel Jahr! Auch weltliche Feste und Zusammenkünfte, Sportveranstaltungen, Fußballspiele, Schulen und Kitas … alles nicht mehr so wie vor Wochen! Viele Betriebe und Geschäfte
müssen schließen. Leute haben keine Arbeit mehr. Und vor allem: Die persönlichen Kontakte auf ein „Minimum“beschränken. Es tut weh! Wir leben doch von der Begegnung und der menschlichen Nähe und Zuwendung. Es geht um Leben und Tod. Das sagen die Virologen, das betonen unsere Politiker, unsere Bischöfe. Und sie haben recht. Die steigenden Zahlen der Toten bestätigen dies von Tag zu Tag zunehmend. Leben und Tod – gilt für Junge und besonders alte Menschen („Risikogruppe“werden sie jetzt genannt).
„Sonntagsläuten“– da läuten jetzt am Sonntag auf Wunsch unserer Bischöfe die Kirchenglocken, obwohl gar kein Gottesdienst in der Kirche ist. Gott-sei-Dank läuten sie! Da sollen wir daran erinnert werden, dass glaubende Menschen miteinander
Gverbunden sind: Gegenwärtig nicht räumlich, aber im Geist und im Herzen. Da hören wir morgen in den katholischen Gottesdiensten – im Fernsehen und über Livestream können sie mitgefeiert werden – das lange Evangelium, das von der Begegnung Jesu mit den Schwestern Marta und Maria und ihrem Bruder Lazarus spricht. Lesen Sie es in einer ruhigen Stunde: Johannes-Evangelium Kapitel 11 die Verse 1-45! Jesus wird gerufen, weil sein Freund Lazarus gestorben ist. Er hat ihn so sehr geliebt, dass er an seinem Grab weint. Jesus weint! Marta kann es zunächst nicht verstehen, dass ihr Bruder gestorben ist. Unser Freund Jesus hätte doch …! Und Jesus sagt zu ihr: „Ich bin die Auferstehung und das Leben. Wer an mich glaubt, wird leben, auch wenn er stirbt, und jeder, der lebt und an mich glaubt, wird auf ewig nicht sterben. Glaubst du das?“Bei all dem, was Maria erhofft und erlebt hat, müsste sie sagen: Ja, wie soll ich das glauben, wenn mein lieber Bruder Lazarus gestorben ist? Aber Marta gibt eine Antwort, die aus dem Glauben kommt: „Ja, Herr, ich glaube, dass du der Messias bist, der Sohn Gottes, der in die Welt kommen soll.“Sie möchte sagen: Bei allem, was mir unverständlich ist und bleibt, hast du Jesus die Macht über Leben und Tod. Ich vertraue darauf, auch wenn ich es jetzt nicht verstehe.
In diesen Zeiten, wo es bei Tausenden und Abertausenden um Leben und Tod geht, können wir nur beten, dass unser Glaube, der so sehr auf die Probe gestellt wird, gestärkt wird. Wenn die Kirchenglocken läuten, dann beten Sie darum! Danken Sie im Gebet auch für die vielen Frauen, Männer und Jugendlichen, die ihr Leben derzeit mehr als sonst in den Dienst an den Menschen, besonders den kranken und alten Mitmenschen, stellen!