Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)
„Der Profisport will Gewinne maximieren“
Sportphilosoph Gunter Gebauer tadelt das Verhalten von Fußball- und Olympiamachern in Pandemiezeiten
- Gunter Gebauer, 76, Philosoph und Sportwissenschaftler, ist in Pandemiezeiten ein gefragter Mann. Soeben hat er ein Reclam-Buch veröffentlicht über die Olympische Geschichte und die Werte der Sportbewegung. Im Interview mit Jürgen Schattmann spricht der Kölner über die derzeitigen Nöte der Vereine, der Gesellschaft und einen möglichen Wandel, den er sich von den kollektiven Problemen erhofft.
Herr Gebauer, im Sport und in der Gesellschaft gibt es derzeit Erstaunliches zu berichten, Positives wie Negatives, Egoistisches und Altruistisches. Was hat Sie berührt? verheerende Wirkungen zeitigen. Auch Olympia 2021 könnte darum auf dem Spiel stehen.
Laut einigen Machthabern in Südamerika existiert das Virus gar nicht, sie leugnen es. Wie die Zustände in Russland sind, können wir nur ahnen. Mich haben die Bilder aus Japan schockiert: Dass man 50 000 hysterische Menschen zum Empfang der Olympischen Flamme am Bahnhof Sendai zulässt, während ein japanischer Freund von mir bei der Einreise aus Frankfurt automatisch 14 Tage in Quarantäne musste, ist unbegreiflich. Natürlich wäre 2022 sicherer gewesen, aber da finden auch die Winterspiele statt – und diese grauenhafte Fußball-WM in Katar, einem Land, das gar nichts mit Fußball am Hut hat und in dem man weder Sportler noch fachkundiges Publikum hat. Man hat diese Veranstaltungen ja exakt deshalb voneinander getrennt – damit alle ihre Gewinne maximieren können. Auch für Japan und die Sportler wäre eine Verlegung auf 2022 schlecht gewesen: Man will die Euphorie am Köcheln halten. Und die Athleten hätten in ihrer Lebensund Berufsplanung noch mehr Aufruhr erlitten. Der Einfluss ist durch die Verschiebung auf 2021 enorm genug.
In Ihrem Buch schreiben Sie, wie sich Olympia von 1892 bis 2016 veränderte. Sie verlangen eine Rückbesinnung auf menschliche Werte.