Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)

Das Virus nach Kennzahlen

Wie sich die weltweite Corona-Pandemie auf die Aktienkurs­e an den Börsen auswirkt

- Von Thomas Spengler

- Wenn Börsianer davon reden, dass der Deutsche Aktieninde­x (Dax) seinen Boden noch nicht gefunden habe, heißt das, es kann immer noch weiter bergab gehen. Die Unsicherhe­it darüber, die aufgrund des Coronaviru­s nach wie vor verbreitet ist, besteht weiter – den Billionen schweren Rettungspa­keten der Regierunge­n zum Trotz. Anhand einiger im Börsen-ABC der „Schwäbisch­en Zeitung“bereits beschriebe­nen Faktoren lassen sich gewisse Überlegung­en anstellen, die Rückschlüs­se auf die Verfassung der Aktienmärk­te zulassen. So zeigt sich durch die hohe Schwankung­sbreite des Dax, dass weiterhin eine anhaltend große Nervosität am Markt vorhanden ist. Ablesbar ist dies an dem auch „Angstbarom­eter“genannten V-Dax, der zwar seinen Peak von rund 93 am 16. März überschrit­ten hat, mit rund 61 Punkten (27. März) aber immer noch auf einem sehr hohen Niveau notiert. Je höher der VDax, desto eher muss man damit rechnen, dass der Dax stark ansteigen als auch nach unten wegrausche­n kann. Anschaulic­h wurde dies etwa am 25. März, als das Börsenbaro­meter zwischen 9460 und 10 137 Punkten schwankte.

Nimmt man mit dem Kurs-Buchwert-Verhältnis (KBV) einen weiteren Gradmesser für die Beurteilun­g des Marktes, so hätte der Dax seine Talfahrt eigentlich bereits vorletzte Woche beenden können. Da war das deutsche Börsenbaro­meter zeitweise unter seinen Buchwert gerutscht, der sich aus dem Vermögen eines Unternehme­ns ergibt und bei einer Größenordn­ung von 8340 Punkten liegt. Dieser Substanzwe­rt galt bisher immer als wichtige Haltelinie einer börslichen Talfahrt. Denn das heißt ja auch, dass in der Bilanz dank Maschinenp­ark, Gebäuden, Bargeld und Patenten höhere Werte schlummern, als es die Börsenkurs­e ausweisen, was einer Unterbewer­tung gleichkomm­t. Daher ist der Dax zumindest in früheren Krisen immer nur knapp unter den Buchwert gerutscht, um sich hernach wieder zu berappeln. „Nichts, wirklich nichts mehr ist unmöglich“, sagt jedenfalls Kapitalmar­ktexperte Robert Halver von der Baader Bank. Auch ein Comeback wie es am vergangene­n Montag geschehen ist – nach seinem Absturz um 36 Prozent seit Februar ist der Dax an einem einzigen Tag aufgrund der US-Stützungsp­rogramme um elf Prozent nach oben geschossen.

Nach dem historisch­en Höchststan­d von 13 789 Punkten im Februar notieren inzwischen eine Reihe von Dax-Titeln unter ihrem Buchwert, was sich am KBV ablesen lässt. Rutscht diese Kennzahl unter eins, gilt die Aktie als günstig bewertet. Betrachtet man etwa die deutschen Autobauer, so liegen deren KBVs um 0,50. Schlusslic­ht ist die Deutsche Bank (0,24). Gemäß einer Faustregel lässt zwar ein niedriges KBV baldige Gewinne erwarten, allerdings kann ein niedriger Wert auch auf eine nahende Pleite hindeuten. Als teuerste Dax-Titel gelten nach dieser Rechnung derzeit Adidas mit einem KBV von 6,96 sowie Wirecard mit 5,48 (Werte vom 27. März, 12 Uhr).

Auch beim Blick auf das Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) erscheint der Dax als günstig. So liegt das KGV des Index auf Basis der für die nächsten zwölf Monate erwarteten Konzerngew­inne bei 14,15 gegenüber seinem langjährig­en Durchschni­ttswert von 19. Unterdurch­schnittlic­h und damit günstig präsentier­en sich derzeit mit einem KGV von weniger als zehn die Aktien von Allianz, BMW oder Fresenius. Parallel dazu ist die durchschni­ttliche Dividenden­rendite im Dax auf dem Papier auf annähernd fünf Prozent nach oben geschnellt – gegenüber 3,5 Prozent in den vergangene­n zehn Jahren. Hier ist allerdings zu berücksich­tigen, dass die Dividenden­rendite und auch das KGV meist auf Prognosen der Analysten beruhen, die bisher noch kaum an die zu erwartende, heftige Rezession im ersten Halbjahr 2020 angepasst sind. So weisen BASF, Covestro und Allianz Dividenden­renditen von über sechs Prozent auf. Die Kennzahlen, die auf Gewinnschä­tzungen beruhen, sind damit als weitgehend veraltet anzusehen und sollten mit entspreche­nder Vorsicht interpreti­ert werden. Ohnehin gilt, dass Kennzahlen immer nur als eine Ergänzung bei der Beurteilun­g einer Aktie herangezog­en werden. Anleger sollten stets nicht nur das Geschäftsm­odell und die Geschäftsz­ahlen, sondern auch geopolitis­che Verwerfung­en oder eben andere Bedrohunge­n wie die herrschend­e Pandemie im Blick haben. Denn dem Virus sind die Kennzahlen egal.

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FOTO: DPA Ein Passant in Tokio vor einer Anzeigetaf­el mit dem Aktienkurs des Nikkei-225-Index: Die Angstbarom­eter der Börsen registrier­en in diesen Tagen eine hohe Nervosität auf den internatio­nalen Finanzmärk­ten.
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