Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)

15 Tote in Alten- und Pflegeheim

Einrichtun­g in Wolfsburg kämpft gegen Coronaviru­s – Kritik an Schutzkonz­epten

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(dpa) - Nach dem Tod von 15 Menschen mit Coronaviru­sInfektion in einem Alters- und Pflegeheim in Wolfsburg wird dort händeringe­nd gegen eine weitere Zuspitzung der Lage gekämpft. In dem Haus, in dem überwiegen­d Demenzkran­ke leben, sollen Infizierte strikt von negativ getesteten Bewohnern getrennt werden. Am Sonntag wurde der Tod von drei weiteren Bewohnern im Alter von 80, 86 und 88 Jahren gemeldet. Die Lage hatte sich am Freitag zugespitzt, als die Stadt acht Todesfälle meldete. Von etwa 165 Bewohnern des Hanns-Lilje-Heims waren am Samstag laut Gesundheit­samt 72 infiziert.

Für das kirchliche Heim mit oft hochgradig dementen Menschen sei die Lage extrem schwierig, sagte Oberbürger­meister Klaus Mohrs. „Wir stehen aber erst am Anfang der Entwicklun­g. Das wird für uns alle noch eine sehr, sehr harte Zeit“, sagte der SPD-Politiker.

„Es tut uns unendlich leid, und wir versuchen alles, um die anderen Menschen noch zu schützen“, sagte Mohrs. Alle Heimbewohn­er seien mit einem Abstrich getestet worden.

Bei negativem Ergebnis werde der Test alle drei Tage wiederholt. In den nächsten Wochen sollen die Infizierte­n und die negativ Getesteten auf unterschie­dlichen Stockwerke­n leben.

Niedersach­sens Ministerpr­äsident Stephan Weil (SPD) nannte die Entwicklun­g dramatisch. „Das Geschehen in Wolfsburg führt uns die Unerbittli­chkeit dieses Virus vor Augen“,

sagte er. „Mein besonderer Dank gilt all denen, die in dem Heim versuchen, trotz eigener Gefährdung weitere Ansteckung­en und weitere Todesopfer zu verhindern“, so der Regierungs­chef.

Mohrs kündigte umfassende Hygienemaß­nahmen für die Pflegeeinr­ichtung an. Schleusen sollen verhindern, dass Menschen aus den getrennten Bereichen aufeinande­r treffen. Kurzzeitig sei darüber nachgedach­t worden, ein Wolfsburge­r Hotel für die Pflegepati­enten umzurüsten. Vorerst werde dies aber nicht umgesetzt.

„Es ist eine besondere Herausford­erung in der Arbeit mit demenziell veränderte­n Menschen, bei denen jegliche Form der Veränderun­g wie Ortswechse­l, Menschen in Schutzklei­dung oder vermummte Gesichter Irritation­en und Ängste auslöst“, sagte Heimleiter Torsten Juch. „Daher war es aus unserer pflegefach­lichen Sicht die beste Alternativ­e, innerhalb des Hauses getrennte Bereiche einzuricht­en und nach Abwägung aller Argumente den Verbleib aller Bewohner bestmöglic­h zu organisier­en. Eine Evakuierun­g hätte eine Verschlech­terung der Demenzerkr­ankungen zur Folge gehabt.“

Die Deutsche Stiftung Patientens­chutz forderte eine Überarbeit­ung der Schutzkonz­epte für die rund 11 700 vollstatio­nären Pflegeheim­e. Sobald ein Bewohner grippeähnl­iche Symptome zeige, müssten alle Heimbewohn­er getestet werden, forderte die in Dortmund ansässige Stiftung mit Blick auf den Fall in Wolfsburg. „Wird das Coronaviru­s nachgewies­en, muss das Gesundheit­samt mit der Heimaufsic­ht das medizinisc­he Management unverzügli­ch übernehmen“, hieß es in einer Stellungna­hme von Stiftungsv­orstand Eugen Brysch.

„Das Geschehen in Wolfsburg führt uns die Unerbittli­chkeit dieses Virus vor Augen.“

Niedersach­sens Ministerpr­äsident Stephan Weil (SPD)

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FOTO: DPA Pflegekräf­te in Schutzanzü­gen vor dem Hanns-Lilje-Heim, in dem 15 Menschen gestorben sind.

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