Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)
Auch ein Feldlazarett ist im Gespräch
Über den Stand der Vorbereitungen für die Versorgung schwerer Corona-Patienten
- Die Zahl der schwer am Coronavirus Erkrankten hält sich derzeit in einem überschaubaren Rahmen – sie steigt aber sehr deutlich an. Stand Freitag müssen im Landkreis Ravensburg deshalb 27 Corona-Patienten, davon sieben auf Intensivstationen. Am Mittwoch waren es noch zwölf Menschen, die in den Häusern der Oberschwabenklinik (OSK) medizinisch versorgt werden. Doch was passiert, wenn die Zahl der Infizierten im jetzigen Tempo weiter steigt – mit ihr immer mehr Menschen intensive Behandlungen benötigen und die Kliniken an ihre Belastungsgrenzen stoßen? Die drei Landkreise Ravensburg, Bodensee und Sigmaringen arbeiten vor diesem Hintergrund an einem gemeinsamen Konzept, um dem laut Bundesgesundheitsminister Jens Spahn zu erwartenden „Sturm“Herr zu werden. Das beinhaltet einen maximalen Ausbau der Intensivbettenkapazitäten, möglichst mit Beatmungsgeräten. Außerdem hat es den Aufbau von Hilfskrankenhäusern im Blick. Und im Fall der Fälle könnte sogar die Bundeswehr zu Hilfe gerufen werden.
Was steckt hinter den Plänen?
Grundsätzlich die größtmögliche Ausweitung medizinischer Versorgungsmöglichkeiten für Patienten – unabhängig davon, ob sie mit dem Coronavirus infiziert sind oder an anderen Krankheiten leiden. Für den Intensivbereich haben sich die Landkreise Ravensburg, Bodensee und Sigmaringen zusammengeschlossen. Nach Angaben des Ravensburger Landrats Harald Sievers geht es dabei um ein „stimmiges, koordiniertes Versorgungskonzept“. Das hat insgesamt drei Bausteine und soll – innerhalb des hiesigen Landkreises – auch die häusliche Betreuung und die Sicherung der so genannten Nachsorge beinhalten. Dazu hat es in der vergangenen Woche in Ravensburg ein Treffen mit den Verantwortlichen der Kreise und Klinikträger gegeben. Weitere Runden von Spezialisten folgten oder folgen. Zentraler Bestandteil des Konzepts ist laut Sievers zudem die zentrale Rettungsleitstelle für den Raum Ravensburg/ Bodensee/Sigmaringen im Schussental.
Was ist konkret geplant?
„Jedes einzelne Haus muss seine Kapazitäten stärken“, so der Landrat. Und: „Alle Krankenhäuser werden getrimmt auf den Einsatz von Beatmungsgeräten.“Dabei sollen sich Ärzte und Pflegekräfte auf die Behandlung
schwerwiegender CoronaFälle sowie anderer schwer Erkrankter konzentrieren. Das heißt: Die Klinikbetreiber sollen für diese Menschen so viel Raum und Personal wie möglich abstellen.
Was heißt das für die OSK?
Am Beispiel der OSK bedeutet dies: Die Kapazität der Intensivplätze ist an den drei Standorten Ravensburg, Wangen und Bad Waldsee auf mittlerweile 60 Betten ausgebaut worden. Zusätzlich gibt es jetzt 53 Plätze mit Beatmungsgeräten. Am EK in Ravensburg ist laut OSK-Sprecher Winfried Leiprecht seit zwei Wochen Corona-Patienten eine komplette und ausbaubare Station vorbehalten. In zwei weiteren werden Intensivpatienten behandelt. „Das bedeutet, dass wir sehr flexibel reagieren können auf das, was da kommt“, so Leiprecht. Und: „Im Notfall sind noch Kapazitäten in Aufwachräumen neben den OPs schaffbar.“Am Wangener Westallgäu-Klinikum wurde ebenfalls vor zwei Wochen eine spezielle Isolierstation eingerichtet. Mittlerweile sind zwei weitere Stationen für diese Menschen freigeräumt worden. Und auch in der zentralen Notaufnahme gibt es einen eigenen Bereich. Das Bad Waldseer Krankenhaus ist laut Schreiben gegenwärtig „Rückfallebene“für die anderen OSK-Häuser.
Personell hat die Oberschwabenklinik unterdessen 80 Pflegekräfte für die Intensivbetreuung nachgeschult. Personalkapazitäten schafft die OSK zudem durch den Aufschub planbarer Behandlungen. Aber: „Das Notfallgeschehen hält ja weiter an. Und da hatten wir am vergangenen Wochenende ganz ordentlich zu tun“, so Leiprecht.
Reichen die Plätze in den Kliniken?
Das ist offen. Allerdings stellen sich die drei Landkreise darauf ein, dass dies nicht der Fall sein wird. Harald Sievers sagt deshalb: „Wir versuchen, ein weiteres Krankenhaus aufzubauen.“Dies soll gegebenenfalls zentral an einem noch zu bestimmenden Ort Intensivpatienten aus dem Raum Ravensburg/Bodensee/ Sigmaringen aufnehmen können. Dabei könnte es sich um ein Feldlazarett der Bundeswehr handeln. Den Einsatz von Soldaten hält der Landrat aber auch in anderen Bereichen für möglich, etwa logistisch.
Seitens der Landkreise sind die Vorbereitungen für ein Feldlazarett offenbar schon weit gediehen: Ein entsprechender Antrag ist laut Sievers schon formuliert und muss nur noch aus der Schublade gezogen werden. Und: „Wir werden damit nicht warten, bis wir sehen, dass wir mit den Kapazitäten der OSK nicht mehr weiter kommen.“
Ob eine Wiederinbetriebnahme des seit Jahresbeginn weitgehend geschlossenen Krankenhauses 14 Nothelfer in Weingarten in Frage kommt, ist derzeit offen. Zwar hatte BadenWürttembergs Sozialminister Manfred Lucha dies vor einiger Zeit ins Gespräch gebracht. Das Ravensburger Landratsamt hat laut Sievers zu diesem Thema aber nichts mehr vom Land gehört. Für ihn gilt deshalb eine andere Zielsetzung: „Wir warten auf niemanden und nehmen die Dinge schon mal selbst in die Hand.“
Wie geht es mit minderschwer erkrankten Corona-Patienten weiter?
Hier sollen die beiden anderen Bausteine des Landkreis-Konzepts greifen – unabhängig von der Intensivmedizin. Für Menschen, die diese nicht (mehr) benötigen, aber eine Krankenhaus-Zusatzbetreuung brauchen, gibt es drei Szenarien: Erstens eine Versorgung in „ausgewählten, leergelaufenen Rehakliniken“. Als Beispiel führt Harald Sievers hier den Klinikverbund Waldburg-Zeil mit seinen Fachkliniken in Wangen an – dort aber explizit nicht den Akutbereich. Unter anderem dort könnten bis dato in der Reha tätige Ärzte und Pfleger für die Versorgung dieser Patienten eingesetzt werden. Zweitens könnten schwer Erkrankte nach der Akutbehandlung als anschließende Dauer- oder Kurzzeitpflegepatienten in Einrichtungen des Zentrums für Psychiatrie (ZfP), in den Kurkliniken Bad Wurzach oder dem Bromerhof in Argenbühl untergebracht werden. Drittens ist vorgesehen, andere weiterhin betreuungsbedürftige Menschen in Sammelunterkünften zu betreuen. Hier sind beispielsweise die Landwirtschaftsschule in Bad Waldsee oder Hotelanlagen in der Region angedacht. Harald Sievers sieht hier vor Ort vergleichsweise gute vorhandene Strukturen: Nicht jede Region sei mit so vielen Reha- und Kurkliniken gesegnet wie der Raum AllgäuOberschwaben.
Was ist mit positiv getesteten Menschen, die zu Hause bleiben können?
„Sehr bald“schon soll es laut Sievers für sie Fieberambulanzen geben. Das heißt: Niedergelassene Ärzte könnten in diesen Zentren Menschen mit Krankheitssymptomen wie Fieber, Husten, Halsweh oder Schnupfen behandeln. Der Landrat wünscht sich dafür mindestens zwei Anlaufstellen, sagt aber vorbehaltlich: „Das entscheiden die niedergelassenen Ärzte.“
Als Standorte für Fieberambulanzen sind zum Beispiel die Gewerbliche Schule in Ravensburg, die alte Notfallpraxis in Weingarten und ein nicht näher spezifiziertes städtisches Gebäude in Wangen im Gespräch. Weitere Szenarien dieses Konzeptbausteins sind eine medizinische Betreuung durch fahrende Mediziner beziehungsweise Hausärzte sowie eine sonstige Versorgung, etwa mit Lebensmitteln, über Kommunen, Bürger oder die zahlreich entstandenen Nachbarschaftshilfen.
Wie weit ist die Umsetzung?
Gedanklich „muss der Krisenstab der Zeit ein gutes Stück voraus sein“, so Harald Sievers. Überdies zeigt er sich „wirklich glücklich“über die landkreisübergreifende Zuammenarbeit in Sachen Intensivmedizin. „Dieses gemeinsame Bettenmanagement ist mir aus keiner anderen Region Baden-Württembergs bekannt.“Die Vorbereitungen in Krankenhäusern, wie denen der OSK, und auf diversen behördlichen Ebenen, laufen dazu auf Hochtouren. Allerdings steht und fällt viel mit den Vorgaben und Konzepten von Bund und Land. Beispielhaft nennt der Landrat hier die Einbindung der Reha-Kliniken: „Da warten alle auf den Versorgungsauftrag.“Entscheidende Weichenstellungen aus Berlin und Stuttgart erwartet der Landrat in der kommenden Woche. Das größte Problem sind nach seiner Einschätzung die personellen Kapazitäten. Schon jetzt gebe es „erhebliche Ausfälle“im Gesundheitsbereich. So sei ein Drittel der Beschäftigten im personell bereits aufgestockten Kreisgesundheitsamt krank. Das mache auch die Feststellung von Quarantäne-Fällen zunehmend schwerer.
Ferner braucht es zusätzliche Ärzte und Pflegekräfte für die Behandlungen in den (Hilfs-)Krankenhäusern. Hier werde unter anderem versucht, Ruheständler zu gewinnen. „Da gibt es ermutigende Botschaften“, so Harald Sievers. Grundsätzlich bittet er dabei die Bevölkerung um Unterstützung – wie schon im Zuge der zahlreichen Flüchlingsankünfte im Jahr 2015: „Ich glaube, dass wir aus unserer Zivilgesellschaft einen Beitrag erwarten können.“