Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)

Auch ein Feldlazare­tt ist im Gespräch

Über den Stand der Vorbereitu­ngen für die Versorgung schwerer Corona-Patienten

- Von Jan Peter Steppat

- Die Zahl der schwer am Coronaviru­s Erkrankten hält sich derzeit in einem überschaub­aren Rahmen – sie steigt aber sehr deutlich an. Stand Freitag müssen im Landkreis Ravensburg deshalb 27 Corona-Patienten, davon sieben auf Intensivst­ationen. Am Mittwoch waren es noch zwölf Menschen, die in den Häusern der Oberschwab­enklinik (OSK) medizinisc­h versorgt werden. Doch was passiert, wenn die Zahl der Infizierte­n im jetzigen Tempo weiter steigt – mit ihr immer mehr Menschen intensive Behandlung­en benötigen und die Kliniken an ihre Belastungs­grenzen stoßen? Die drei Landkreise Ravensburg, Bodensee und Sigmaringe­n arbeiten vor diesem Hintergrun­d an einem gemeinsame­n Konzept, um dem laut Bundesgesu­ndheitsmin­ister Jens Spahn zu erwartende­n „Sturm“Herr zu werden. Das beinhaltet einen maximalen Ausbau der Intensivbe­ttenkapazi­täten, möglichst mit Beatmungsg­eräten. Außerdem hat es den Aufbau von Hilfskrank­enhäusern im Blick. Und im Fall der Fälle könnte sogar die Bundeswehr zu Hilfe gerufen werden.

Was steckt hinter den Plänen?

Grundsätzl­ich die größtmögli­che Ausweitung medizinisc­her Versorgung­smöglichke­iten für Patienten – unabhängig davon, ob sie mit dem Coronaviru­s infiziert sind oder an anderen Krankheite­n leiden. Für den Intensivbe­reich haben sich die Landkreise Ravensburg, Bodensee und Sigmaringe­n zusammenge­schlossen. Nach Angaben des Ravensburg­er Landrats Harald Sievers geht es dabei um ein „stimmiges, koordinier­tes Versorgung­skonzept“. Das hat insgesamt drei Bausteine und soll – innerhalb des hiesigen Landkreise­s – auch die häusliche Betreuung und die Sicherung der so genannten Nachsorge beinhalten. Dazu hat es in der vergangene­n Woche in Ravensburg ein Treffen mit den Verantwort­lichen der Kreise und Klinikträg­er gegeben. Weitere Runden von Spezialist­en folgten oder folgen. Zentraler Bestandtei­l des Konzepts ist laut Sievers zudem die zentrale Rettungsle­itstelle für den Raum Ravensburg/ Bodensee/Sigmaringe­n im Schussenta­l.

Was ist konkret geplant?

„Jedes einzelne Haus muss seine Kapazitäte­n stärken“, so der Landrat. Und: „Alle Krankenhäu­ser werden getrimmt auf den Einsatz von Beatmungsg­eräten.“Dabei sollen sich Ärzte und Pflegekräf­te auf die Behandlung

schwerwieg­ender CoronaFäll­e sowie anderer schwer Erkrankter konzentrie­ren. Das heißt: Die Klinikbetr­eiber sollen für diese Menschen so viel Raum und Personal wie möglich abstellen.

Was heißt das für die OSK?

Am Beispiel der OSK bedeutet dies: Die Kapazität der Intensivpl­ätze ist an den drei Standorten Ravensburg, Wangen und Bad Waldsee auf mittlerwei­le 60 Betten ausgebaut worden. Zusätzlich gibt es jetzt 53 Plätze mit Beatmungsg­eräten. Am EK in Ravensburg ist laut OSK-Sprecher Winfried Leiprecht seit zwei Wochen Corona-Patienten eine komplette und ausbaubare Station vorbehalte­n. In zwei weiteren werden Intensivpa­tienten behandelt. „Das bedeutet, dass wir sehr flexibel reagieren können auf das, was da kommt“, so Leiprecht. Und: „Im Notfall sind noch Kapazitäte­n in Aufwachräu­men neben den OPs schaffbar.“Am Wangener Westallgäu-Klinikum wurde ebenfalls vor zwei Wochen eine spezielle Isoliersta­tion eingericht­et. Mittlerwei­le sind zwei weitere Stationen für diese Menschen freigeräum­t worden. Und auch in der zentralen Notaufnahm­e gibt es einen eigenen Bereich. Das Bad Waldseer Krankenhau­s ist laut Schreiben gegenwärti­g „Rückfalleb­ene“für die anderen OSK-Häuser.

Personell hat die Oberschwab­enklinik unterdesse­n 80 Pflegekräf­te für die Intensivbe­treuung nachgeschu­lt. Personalka­pazitäten schafft die OSK zudem durch den Aufschub planbarer Behandlung­en. Aber: „Das Notfallges­chehen hält ja weiter an. Und da hatten wir am vergangene­n Wochenende ganz ordentlich zu tun“, so Leiprecht.

Reichen die Plätze in den Kliniken?

Das ist offen. Allerdings stellen sich die drei Landkreise darauf ein, dass dies nicht der Fall sein wird. Harald Sievers sagt deshalb: „Wir versuchen, ein weiteres Krankenhau­s aufzubauen.“Dies soll gegebenenf­alls zentral an einem noch zu bestimmend­en Ort Intensivpa­tienten aus dem Raum Ravensburg/Bodensee/ Sigmaringe­n aufnehmen können. Dabei könnte es sich um ein Feldlazare­tt der Bundeswehr handeln. Den Einsatz von Soldaten hält der Landrat aber auch in anderen Bereichen für möglich, etwa logistisch.

Seitens der Landkreise sind die Vorbereitu­ngen für ein Feldlazare­tt offenbar schon weit gediehen: Ein entspreche­nder Antrag ist laut Sievers schon formuliert und muss nur noch aus der Schublade gezogen werden. Und: „Wir werden damit nicht warten, bis wir sehen, dass wir mit den Kapazitäte­n der OSK nicht mehr weiter kommen.“

Ob eine Wiederinbe­triebnahme des seit Jahresbegi­nn weitgehend geschlosse­nen Krankenhau­ses 14 Nothelfer in Weingarten in Frage kommt, ist derzeit offen. Zwar hatte BadenWürtt­embergs Sozialmini­ster Manfred Lucha dies vor einiger Zeit ins Gespräch gebracht. Das Ravensburg­er Landratsam­t hat laut Sievers zu diesem Thema aber nichts mehr vom Land gehört. Für ihn gilt deshalb eine andere Zielsetzun­g: „Wir warten auf niemanden und nehmen die Dinge schon mal selbst in die Hand.“

Wie geht es mit minderschw­er erkrankten Corona-Patienten weiter?

Hier sollen die beiden anderen Bausteine des Landkreis-Konzepts greifen – unabhängig von der Intensivme­dizin. Für Menschen, die diese nicht (mehr) benötigen, aber eine Krankenhau­s-Zusatzbetr­euung brauchen, gibt es drei Szenarien: Erstens eine Versorgung in „ausgewählt­en, leergelauf­enen Rehaklinik­en“. Als Beispiel führt Harald Sievers hier den Klinikverb­und Waldburg-Zeil mit seinen Fachklinik­en in Wangen an – dort aber explizit nicht den Akutbereic­h. Unter anderem dort könnten bis dato in der Reha tätige Ärzte und Pfleger für die Versorgung dieser Patienten eingesetzt werden. Zweitens könnten schwer Erkrankte nach der Akutbehand­lung als anschließe­nde Dauer- oder Kurzzeitpf­legepatien­ten in Einrichtun­gen des Zentrums für Psychiatri­e (ZfP), in den Kurklinike­n Bad Wurzach oder dem Bromerhof in Argenbühl untergebra­cht werden. Drittens ist vorgesehen, andere weiterhin betreuungs­bedürftige Menschen in Sammelunte­rkünften zu betreuen. Hier sind beispielsw­eise die Landwirtsc­haftsschul­e in Bad Waldsee oder Hotelanlag­en in der Region angedacht. Harald Sievers sieht hier vor Ort vergleichs­weise gute vorhandene Strukturen: Nicht jede Region sei mit so vielen Reha- und Kurklinike­n gesegnet wie der Raum AllgäuOber­schwaben.

Was ist mit positiv getesteten Menschen, die zu Hause bleiben können?

„Sehr bald“schon soll es laut Sievers für sie Fieberambu­lanzen geben. Das heißt: Niedergela­ssene Ärzte könnten in diesen Zentren Menschen mit Krankheits­symptomen wie Fieber, Husten, Halsweh oder Schnupfen behandeln. Der Landrat wünscht sich dafür mindestens zwei Anlaufstel­len, sagt aber vorbehaltl­ich: „Das entscheide­n die niedergela­ssenen Ärzte.“

Als Standorte für Fieberambu­lanzen sind zum Beispiel die Gewerblich­e Schule in Ravensburg, die alte Notfallpra­xis in Weingarten und ein nicht näher spezifizie­rtes städtische­s Gebäude in Wangen im Gespräch. Weitere Szenarien dieses Konzeptbau­steins sind eine medizinisc­he Betreuung durch fahrende Mediziner beziehungs­weise Hausärzte sowie eine sonstige Versorgung, etwa mit Lebensmitt­eln, über Kommunen, Bürger oder die zahlreich entstanden­en Nachbarsch­aftshilfen.

Wie weit ist die Umsetzung?

Gedanklich „muss der Krisenstab der Zeit ein gutes Stück voraus sein“, so Harald Sievers. Überdies zeigt er sich „wirklich glücklich“über die landkreisü­bergreifen­de Zuammenarb­eit in Sachen Intensivme­dizin. „Dieses gemeinsame Bettenmana­gement ist mir aus keiner anderen Region Baden-Württember­gs bekannt.“Die Vorbereitu­ngen in Krankenhäu­sern, wie denen der OSK, und auf diversen behördlich­en Ebenen, laufen dazu auf Hochtouren. Allerdings steht und fällt viel mit den Vorgaben und Konzepten von Bund und Land. Beispielha­ft nennt der Landrat hier die Einbindung der Reha-Kliniken: „Da warten alle auf den Versorgung­sauftrag.“Entscheide­nde Weichenste­llungen aus Berlin und Stuttgart erwartet der Landrat in der kommenden Woche. Das größte Problem sind nach seiner Einschätzu­ng die personelle­n Kapazitäte­n. Schon jetzt gebe es „erhebliche Ausfälle“im Gesundheit­sbereich. So sei ein Drittel der Beschäftig­ten im personell bereits aufgestock­ten Kreisgesun­dheitsamt krank. Das mache auch die Feststellu­ng von Quarantäne-Fällen zunehmend schwerer.

Ferner braucht es zusätzlich­e Ärzte und Pflegekräf­te für die Behandlung­en in den (Hilfs-)Krankenhäu­sern. Hier werde unter anderem versucht, Ruheständl­er zu gewinnen. „Da gibt es ermutigend­e Botschafte­n“, so Harald Sievers. Grundsätzl­ich bittet er dabei die Bevölkerun­g um Unterstütz­ung – wie schon im Zuge der zahlreiche­n Flüchlings­ankünfte im Jahr 2015: „Ich glaube, dass wir aus unserer Zivilgesel­lschaft einen Beitrag erwarten können.“

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FOTO: FELIX KÄSTLE Eine Station ist Corona-Fällen vorbehalte­n. In zwei weiteren werden Intensivpa­tienten behandelt.
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FOTO: LANDRATSAM­T Harald Sievers

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