Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)

Mit Ärzten macht Kuba ein Milliarden­geschäft

Mediziner von der krisengesc­hüttelten Karibikins­el helfen weltweit und sind jetzt auch im Kampf gegen das Coronaviru­s aktiv

- Von Guillermo Nova

(dpa) - Kubas größte Exportschl­ager sind nicht etwa Rum oder Zigarren, sondern etwas, was in der Corona-Krise umso mehr zur Geltung kommt: Ärzte und Pfleger. Deren Entsendung ins Ausland ist die wichtigste Einnahmequ­elle des Karibiksta­ates; im Jahr 2018 waren es rund 6,4 Milliarden US-Dollar (etwa 5,9 Milliarden Euro).

Seit einer Woche sind 52 kubanische Mediziner in der Lombardei, um dem am schlimmste­n von der Coronaviru­s-Pandemie betroffene­n Land Italien zu helfen. Auch andere Länder, etwa Jamaika, haben in der Corona-Krise um die Entsendung kubanische­n Medizinper­sonals gebeten.

Kubanische Ärzte und Pfleger arbeiten derzeit im Auftrag ihrer Regierung in gut 60 Ländern, wo sie teils dringend benötigte Beiträge zur Gesundheit­sversorgun­g leisten. Sie sind für den sozialisti­schen Staat auch ein Mittel der Diplomatie. Großes Lob gab es internatio­nal für ihren Einsatz 2014 im Kampf gegen Ebola in Afrika.

Doch im Zuge politische­r Veränderun­gen in Lateinamer­ika und unter Druck der USA sowie angesichts des Vorwurfs von Menschenre­chtsverlet­zungen sind die Ärzte in manchen Ländern nicht mehr willkommen. Das drückt auf die Geldbörse der Regierung in Havanna.

Es gebe zwar keine offizielle­n Zahlen, sagt der Wirtschaft­swissensch­aftler Ricardo Torres von der Universitä­t Havanna. Es sei aber unbestreit­bar, dass das Ende der Einsätze der Ärzte in manchen Ländern zu einer schweren Devisenkna­ppheit in Kuba beitrage. Am schwersten wiegt der Fall Brasilien, der laut Torres einen Verlust von 250 bis 400 Millionen Dollar bedeutete.

Ende 2018 zog Kuba seine rund 8300 Ärzte und Pfleger aus dem südamerika­nischen Land ab. Nach dem Wahlsieg des rechten heutigen Präsidente­n Jair Bolsonaro dort war es zum Streit mit Havanna gekommen. Bolsonaro warf Kuba vor, mit den Ärzten auch Spione geschickt zu haben. Auch aus anderen Ländern der Region – El Salvador, Ecuador und zuletzt Bolivien – kehrten kubanische Mediziner zurück, nachdem dort US-freundlich­ere

Regierunge­n an die Macht kamen.

Im vergangene­n November zeigten sich die UN-Sonderberi­chterstatt­er für gegenwärti­ge Formen der Sklaverei sowie für Menschenha­ndel in einem Brief an die Regierung in Havanna besorgt über die Arbeitsbed­ingungen der Mediziner. Diese könnten der Zwangsarbe­it gleichkomm­en, hieß es.

Zudem erhöhen die USA nach einer Zeit der Entspannun­g unter dem früheren Präsidente­n Barack Obama unter dessen Nachfolger Donald Trump wieder den Druck auf den Erzfeind Kuba. „Castro schickt 50 000-plus kubanische Mediziner als Cash Cow des Regimes ins Ausland, nimmt mindestens 75 Prozent der Gehälter der Ärzte und benutzt sie, um verbündete Regimes an der Macht zu halten“, twitterte im Dezember Michael Kozak, der im USAußenmin­isterium für die westliche Hemisphäre zuständig ist.

„Das ist eine kriminelle, beschämend­e und unwürdige Haltung“, sagt der Chef der kubanische­n Behörde, die für die Entsendung der Ärzte zuständig ist, Jorge Delgado Bustillo, der Deutschen PresseAgen­tur. „Unsere Ärzte bieten nur Gesundheit­sleistunge­n.“

Seit 1963, vier Jahre nach der Revolution von Fidel Castro, schickte Kuba nach offizielle­n Angaben insgesamt mehr als 400 000 Ärzte im Namen der internatio­nalen Kooperatio­n

in 164 Länder. Manche der Aufnahmelä­nder zahlen für die Dienste, in anderen Fällen – derzeit in 22 Ländern – kommt Havanna für die Kosten auf.

Für die Mediziner selbst ist es auch eine Möglichkei­t, etwas zum mageren kubanische­n Gehalt von 50 US-Dollar (rund 47 Euro) im Monat dazuzuverd­ienen: Im Ausland bekommen sie nach Informatio­nen der Deutschen Presse-Agentur monatlich 300 bis 900 Dollar. Dank eines dreijährig­en Einsatzes in Venezuela habe sie ein Fest zum 15. Geburtstag ihrer Tochter bezahlen sowie einen Fernseher und Ersatzteil­e für das Auto ihres Bruders kaufen können, erzählt die Ärztin Mayrin Tablada.

Besonders viele Ärzte und Pfleger – fast ein Drittel derjenigen, die heute im Ausland im Einsatz sind – wurden zum engen politische­n Verbündete­n Venezuela entsandt. Im Jahr 2003 vereinbart­en die beiden damaligen Staatschef­s Castro und Hugo Chávez ein Programm, wonach Kuba im Gegenzug für das medizinisc­he Personal Öl bekam.

Im Zuge erhöhten Drucks der USA auf die heutige venezolani­sche Regierung von Präsident Nicolás Maduro hat sich die Ölmenge von ursprüngli­ch 100 000 Barrel am Tag inzwischen allerdings auf etwas mehr als 50 000 Barrel fast halbiert. Nicht zufällig litt die Karibikins­el zuletzt unter einem Spritmange­l. In der Landwirtsc­haft wurden deswegen wieder Ochsengesp­anne eingeführt.

„Auf der Grundlage der Sanktionen der USA gegen Kuba und Venezuela läuft eine Kampagne in Lateinamer­ika gegen sie“, sagt der Forscher Torres über die Ärztemissi­onen. „Es scheint klar, dass dies ein bedeutende­s Ziel ist, da die Einnahmen für Kuba wichtig sind und ihr Wegfall die Insel ökonomisch schwächt.“

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FOTO: ANTONIO CALANNI/DPA Einsatz im Kampf gegen das Coronaviru­s – und dringend benötigte Devisenque­lle für die heimische Regierung: Kubanische Ärzte und Fachleute bei der Ankunft am Flughafen Mailand-Malpensa.

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