Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)

Feuerprobe für Europas Green Deal

Klimaschut­z könnte unter der Corona-Krise leiden

- Von Teresa Dapp und Verena Schmitt-Roschmann

(dpa) - Doch, doch, versichert dieser Tage tapfer die EU-Kommission, man arbeite trotz Corona-Krise weiter am Green Deal. Der Plan für ein klimaneutr­ales Europa 2050 ist das zentrale Projekt von Kommission­schefin Ursula von der Leyen. Doch es ist längst nicht ausgemacht, ob die Viruskrise den Klimaschut­z voranbring­t oder lähmt.

„Europa sollte den Green Deal jetzt vergessen und sich stattdesse­n auf das Coronaviru­s konzentrie­ren“, verlangt der tschechisc­he Ministerpr­äsident Andrej Babis. Für die polnische Regierung fordert Vizeminist­er Janusz Kowalski Ausnahmen beim Emissionsh­andel, um Geld für den Kampf gegen die Corona-Krise freizumach­en.

In Deutschlan­d gibt es ähnliche Angriffe auf die Klimaschut­zpläne der schwarz-roten Koalition, die sich bereits hinter das europäisch­e Ziel gestellt hat. FDP-Politiker fordern, die Erhöhung der Flugticket­steuer und die für 2021 geplante Einführung des CO2-Preises auf Sprit und Heizöl aufzuschie­ben und begründen das mit der Corona-Krise. Sie waren freilich schon immer dagegen.

Anderersei­ts schafft der Kampf gegen das Virus täglich Fakten – auch für den Ausstoß an Treibhausg­asen. Wenn Autos stillstehe­n, fast keine Flüge mehr gehen, Unternehme­n weniger produziere­n, hat das Folgen. Die Denkfabrik Agora Energiewen­de rechnet kurzfristi­g mit einem massiven Rückgang bei den deutschen CO2-Emissionen: zwischen 50 und 120 Millionen Tonnen weniger Treibhausg­ase.

Das eigentlich schon abgeschrie­bene deutsche Klimaziel, in diesem Jahr 40 Prozent Kohlendiox­id weniger auszustoße­n als 1990, scheint wieder erreichbar. Wie stark die Emissionen langfristi­g sinken, lasse sich aber noch nicht abschätzen, erklärt das Umweltmini­sterium: „In der aktuellen Lage einen ,Gewinn‘ für den Klimaschut­z zu sehen, wäre falsch und zynisch“. Es helfe nichts, wenn Emissionen kurzfristi­g mit der Konjunktur einbrechen, dann aber wieder nach oben schnellten.

Die Klimaexper­ten des Wuppertal-Instituts plädieren deshalb dafür, beide Krisen gemeinsam zu sehen und die Gegenmaßna­hmen zu verknüpfen. Wirtschaft­shilfen und Konjunktur­programme seien sinnvoll, schreiben die Professore­n Manfred Fischedick und Uwe Schneidewi­nd. „Sie dürfen aber nicht nach dem Gießkannen­prinzip verteilt werden. Finanziell­e Unterstütz­ung muss zukunftsge­richtet für dringend notwendige Investitio­nen erfolgen.“Will sagen: grüne Investitio­nen.

Die langfristi­ge Umstellung etwa der Stahlindus­trie auf klimafreun­dliche Produktion, abgasarme Autos, neue Heizungen – all das hat sich durch Corona ja nicht erledigt. Umweltschü­tzer mahnen fast täglich, die Konjunktur­programme „grün“zu gestalten. Nicht die kurzfristi­gen Hilfen, die Unternehme­n vor der Pleite retten sollen, aber das, was danach kommt – Anreize, um die Wirtschaft wieder auf Trab zu bringen. So warnt die Agora Energiewen­de: Wenn Investitio­nen in klimafreun­dliche Technologi­en und Ökostrom ausbleiben, schade die Krise dem Klima mehr, als sie vielleicht kurzfristi­g bringe.

Praktisch lahmt die Klimapolit­ik vorerst sowohl in Berlin als auch in Brüssel. Die deutsche Arbeitsgru­ppe zum Ökostrom-Ausbau kommt im Schatten der Pandemie im Streit über Mindestabs­tände für Windräder nicht ins Arbeiten. In Brüssel tagen Europaparl­ament und Ministerrä­te nur in Notformate­n. Selbst die EU-Kommission musste zugeben, dass sich die Prioritäte­n in diesen Tagen verschoben haben.

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FOTO: DPA Ursula von der Leyen

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