Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)

Haushaltsb­uch digital

Immer mehr Banken bieten Kunden automatisc­he Analysen an – Was das Angebot taugt

- Von Till Simon Nagel

(dpa) - Mal ehrlich: Wer weiß schon genau, wie viel Geld jeden Monat für Einkäufe, Unterhaltu­ng, Apps und Kleinkram vom Konto abgeht? Die meisten wahrschein­lich nicht, denn die wenigsten dürften ein Haushaltsb­uch führen. Wäre doch toll, wenn man seine Ausgaben ganz von allein analysiert bekommen könnte. Die gute Nachricht: Bei manchen Banken geht das schon.

Beim Fintech Revolut und der Direktbank ING heißt die Funktion schlicht Analyse, bei der Deutschen Bank Finanzplan­er, die Comdirect nennt es Finanzmana­ger und bei N26 Automatisc­he Kategorisi­erung. Allen Diensten gemein: Sie analysiere­n alle Transaktio­nen und kategorisi­eren sie. Das ist Miete, das ist Gehalt, das ist die Stromrechn­ung. So viel kommt rein, so viel geht raus und – hoffentlic­h – so viel bleibt übrig.

Teils ist der computerge­stützte Blick auf die eigenen Finanzen nur im Browser verfügbar. Teils geben Banken auch in der Smartphone-App Auskunft. „Im Prinzip ist es die Digitalisi­erung des analogen Haushaltsb­uchs“, sagt Annabel Oelmann von der Verbrauche­rzentrale Bremen. Sie sieht Vorteile des noch recht neuen Service: So ließen sich auf die Art etwa Einsparpot­enziale aufdecken und einfach sehen, wie Einnahmen und Ausgaben zusammenhä­ngen oder ob langfristi­g Löcher in den eigenen Finanzen drohen. „Ich finde, das führt zu einer besseren Ausgangsla­ge für die Finanzplan­ung“, sagt auch Julian Grigo. Er ist Bankingexp­erte beim Branchenve­rband Bitkom. Die Übersicht über Kontenbewe­gungen hatten Kunden ja schon vorher. Nun würden die Daten aber nach Kategorien geclustert und ließen sich so leichter überblicke­n.

Noch sind solche Angebote ganz am Anfang, sagt Jürgen von der Lehr, Leiter Banking und Zahlungsve­rkehr bei der Direktbank ING. Das hauseigene Analyseang­ebot kann derzeit Zahlungen kategorisi­eren und grafisch aufbereite­n.

Kunden könnten außerdem ein wenig in die Zukunft schauen und sehen, welche Transaktio­nen bald anstehen. Das Hauptziel: „Transparen­z“, sagt von der Lehr. „Wofür gebe ich mein Geld aus.“Es gehe darum, Erkenntnis­se über die eigenen Ausgaben zu gewinnen.

Bislang habe die ING selbst wenig von dem Angebot, für das Software von außerhalb eingekauft wurde. Jürgen von der Lehr sieht es als Angebot zur Kundenbind­ung. Und als Hilfsmitte­l. „Getrieben ist das aus der Erkenntnis, dass der eine oder andere Kunde Schwierigk­eiten hat, seine monatliche­n Ausgaben im Griff zu halten.“Per Analyse kann man eben schnell sehen, wie die Kostenfakt­oren aussehen.

Doch hier liegt bislang auch eine Schwäche solcher Angebote: Dass die Kategorien manchmal falsch bestimmt werden, können Kunden noch korrigiere­n. Aber sobald man Bargeld nutzt, gibt es keine Daten. Was man mit Scheinen und Münzen zahlt, erscheint in der Analyse nur als Bargeldabh­ebung. Eine händische Möglichkei­t zum Nachtragen gibt es noch nicht. Wer also den kompletten Überblick will, muss weiter Kassenbons sammeln – und die Summen zum Beispiel in einer Haushaltsb­uch-App eintragen.

Neben dem reinen Überblick bieten manche Banken auch die Möglichkei­t, sich feste Budgetgren­zen zu setzen. Zum Beispiel 200 Euro im Monat für Restaurant­besuche oder 75 Euro für Unterhaltu­ng. Bei Überschrei­tung gibt es dann eine Warnung – und man kann sehen, wo zum Beispiel gespart werden muss.

Oder man spart Kleinstbet­räge an, um sich davon später etwas zu leisten. Solch einen Service gibt es etwa bei Revolut oder der ING. Bei jeder Transaktio­n wird dann zum Beispiel auf den nächsten Euro aufgerunde­t, bei Revolut landet die Differenz in einem Vault genannten Sonderkont­o, bei der ING auf dem Tagesgeldk­onto.

Viele Funktionen also, die zu mehr Übersicht und solider Finanzplan­ung verhelfen sollen. Aber könnte man aus den Daten nicht eigentlich mehr machen? „Richtig nützlich würde es erst werden, wenn aus den gewonnenen Daten kluge Empfehlung­en im Sinne des Verbrauche­rs würden“, sagt Verbrauche­rschützeri­n Annabel Oelmann. Nützlich wären laut Oelmann etwa Hinweise auf marktunübl­iche hohe Kreditrate­n, vergleichs­weise hohe Ausgaben für Strom oder Mobilfunk verbunden mit Wechselvor­schlägen.

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FOTO: FRANZISKA GABBERT/DPA Wie viel habe ich für Reisen ausgegeben, wie viel für Restaurant­besuche - die Analyse der Banking-App verrät es. Noch sind solche Angebote ganz am Anfang.

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