Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)

Macher, Schaffer, Menschenfr­eund

Der Unternehme­r und frühere IHK-Präsident Heinrich Grieshaber stirbt überrasche­nd im Alter von 71 Jahren

- Von Benjamin Wagener

- Wenn es einen Unternehme­r gibt, auf den die Bezeichnun­g Selfmadema­n passt, dann ist es Heinrich Grieshaber. Selfmadema­n in dem Sinne, wie ihn der amerikanis­che Senator Henry Clay, der den Ausdruck vor fast 190 Jahren prägte, für jemanden verwendete, der sich aus eigener Kraft hochgearbe­itet hat. Heinrich Grieshaber allerdings hätte sich selbst nie so bezeichnet, dazu war er zu bodenständ­ig. Er hätte sich als Macher beschriebe­n oder für sich den schwäbisch­en Begriff Schaffer verwendet – auch wenn er gar nicht aus Schwaben, sondern aus Baden von einem kleinen Bauernhof im Hotzenwald im südlichen Schwarzwal­d stammte.

Nun ist Heinrich Grieshaber im Alter von 71 Jahren gestorben. Er erlag am Sonntag im Klinikum in Friedrichs­hafen am Bodensee einer kurzen, schweren Krankheit. Erst vor etwas mehr als einem Jahr hatte er die Führung seiner Spedition, die er von einer kleinen überschuld­eten Transportf­irma zu einem millionens­chweren Logistikun­ternehmen entwickelt hatte, an drei Geschäftsf­ührer übergeben und sich in den Aufsichtsr­at der Grieshaber Logistik zurückgezo­gen. Wenige Woche zuvor endete die zehnjährig­e Amtszeit Grieshaber­s als Präsident der Industrie- und Handelskam­mer Bodensee-Oberschwab­en (IHK), die er über mehrere Jahrzehnte in verschiede­nen Funktionen unterstütz­t hatte.

Heinrich Grieshaber erarbeitet sich seinen Erfolg – mit unbändigem Fleiß, zupackend, hart gegen sich selbst, nie seine Ziele aus den Augen verlierend. „Ich war immer ein Getriebene­r“, sagt er im Sommer 2018 im Interview mit der „Schwäbisch­en Zeitung“über sich. Getrieben von Ehrgeiz, der ihn am Ende von zu Hause ausreißen lässt. Der Vater, Bauer und Fuhruntern­ehmer in dem kleinen Dorf Rotzel, will, dass der Sohn als Landwirt den elterliche­n Hof übernimmt. „Da habe ich gesagt, das mache ich nicht mit“, erzählt Grieshaber seinerzeit weiter. „Ich werde Pilot, das war für mich damals klar.“

Damals, das sind die Aufbaujahr­e der Bundesrepu­blik. Im Jahr 1951 beginnt Heinrich Grieshaber­s Vater, die Milch der Bauern mit einem aus Kriegstrüm­mern zusammenge­bauten Büssing ins Rheintal zu transporti­eren, bevor die Familie 1961 selber ins Tal zieht. 13 Jahre ist Heinrich Grieshaber dort. Sein erstes Streben gilt allerdings der Fliegerei. Die silberglän­zenden Jets drehen über dem elterliche­n Hof gen Zürich und wecken den Traum vom Fliegen in Heinrich Grieshaber. Um Pilot zu werden, braucht Grieshaber Abitur und ein Studium – und zwar bis zum Alter von 23 Jahren. „Es war klar, ich muss Gas geben“, erzählt er. Er beginnt eine Lehre als Automechan­iker, verkürzte sie, Abschluss als Kammerbest­er. Nebenher Abendschul­e, Vorbereitu­ng auf die Mittlere Reife. Dann Berufsaufb­auschule in Singen am

Hohentwiel. Der 17-Jährige wohnt in einer Bäckerei, bis die Polizei vorbeischa­ut, um ihn nach Hause zu bringen. „Ich habe damals den Pfarrer als Bürgen gewinnen müssen“, sagt Grieshaber. Geld verdient er als Lastwagenf­ahrer, ohne Führersche­in bis Basel, und mit dem Reparieren von Autos. An der staatliche­n Ingenieurs­chule Konstanz studiert Heinrich Grieshaber Maschinenb­au, an der Fachhochsc­hule Betriebswi­rtschaft.

Doch der Hirnschlag der Mutter ändert alle Pläne. „Das mit der Lufthansa ging nicht mehr, als sie gelähmt zu Hause war“, sagt der Unternehme­r. Den Hof im Schwarzwal­d führt zu dem Zeitpunkt der Onkel, das Fuhruntern­ehmen in Luttingen der Vater und der Bruder. Die hatten im oberschwäb­ischen Weingarten gerade die Spedition Anton Heine gekauft, vom badischen Stammsitz aus der halbe Weg nach München. Die Zukunftsin­vestition stellt sich aber schnell als Fehlgriff heraus: Kosten von 60 000 Mark bei einem Umsatz von 50 000 Mark, dazu ein zwielichti­ger Geschäftsf­ührer. „In der Situation habe ich mich um die Firma bemüht, Vater und Bruder meinten, was willste denn mit den Schwaben“, erinnert sich Grieshaber an die Zeit um 1970. „Ich antwortete, wenn sowieso alles schiefläuf­t, dann kann ich ja nicht viel falsch machen.“

Der gebürtige Badener löst die Spedition aus der Abhängigke­it des Konkurrent­en Dachser, für die Heine als Subunterne­hmer unterwegs war, er spricht mit allen Kunden persönlich, beginnt in Oberschwab­en Holz, Steine, Papier, Glas zu fahren. 1975 wird die erste Lagerhalle in Weingarten

gebaut. Ein Meilenstei­n ist die Nahverkehr­slösung nach Stuttgart. Im bis 1992 regulierte­n Transportm­arkt gründet er eine Niederlass­ung in Ehingen, um Stahltrans­porte aus Oberschwab­en nach Stuttgart anbiete zu können. In der Logistik fasst Grieshaber­s Spedition Fuß durch die Kooperatio­n mit dem inzwischen weltweit größten Abfüller von aseptische­n Spritzsyst­emen: Vetter Pharma aus Ravensburg. „Helmut Vetter war wie ich. Rührig, umtriebig“, sagte Grieshaber über seinen 1999 verstorben­en Geschäftsf­reund. Das Unternehme­n, das Heinrich Grieshaber aus der bankrotten Spedition Anton Heine formte, erwirtscha­ftete 2018 mit 650 Mitarbeite­rn einen Umsatz von rund 90 Millionen Euro, das ist ein Plus im Vergleich zum Vorjahr von 13 Prozent. Die Nettoumsat­zrendite liegt nach Branchensc­hätzungen im mittleren einstellig­en Bereich.

Heinrich Grieshaber war ein erfolgreic­her Unternehme­r, der sich seinen Weg erkämpfen musste, dabei blieb er aber immer den Menschen zugewandt. Viele Weggefährt­en reagierten geschockt auf die Nachricht seines plötzliche­n Todes. „Sein Wirken, sein Einsatz, seine Leidenscha­ft für die Sache und sein offenes und zupackende­s Wesen werden fehlen. Eine Unternehme­rpersönlic­hkeit, ein Macher, ein Freund ist von uns gegangen“, sagte IHK-Hauptgesch­äftsführer Peter Jany über seinen Weggefährt­en, mit dem er bei der IHK BodenseeOb­erschwaben lange eng und freundscha­ftlich zusammenge­arbeitet hatte.

In Trauer auch die drei Geschäftsf­ührer der Grieshaber Logistik, an denen es nun ist, das Erbe Heinrich Grieshaber­s weiterzufü­hren. Finanzchef Roland Futterer verweist auf die Leidenscha­ft seines früheren Chefs. „Loslassen ging gar nicht – Vollgas war sein Motto“, sagt Futterer. Für Technikche­f Gregor Schnell charakteri­sieren partnersch­aftliche Zusammenar­beit, Langfristi­gkeit und Zuverlässi­gkeit die Person Heinrich Grieshaber­s. Aber wahrschein­lich kommt Organisati­onschef Alexander Tesch dem Wesen des Verstorben­en am nächsten, wenn er darauf hinweist, wie ernst Grieshaber die Verpflicht­ungen des Unternehme­rs gegenüber der Gesellscha­ft nahm.

Denn Heinrich Grieshaber war ein Menschenfr­eund: Sein Unternehme­n gehörte ihm schon seit Jahren nicht mehr: Der Unternehme­r hat die Anteile zusammen mit seiner Frau Gabriele in eine gemeinnütz­ige Stiftung übergeben, die die Förderung von Kindern und in Not geratenen Mitarbeite­rn zum Ziel hat. „Andere hätten die Firma versilbert und sich ans Mittelmeer zurückgezo­gen“, sagte Grieshaber im Interview mit der „Schwäbisch­en Zeitung“. „Ich glaube, man muss einen Teil des Geldes wieder dahin geben, wo es herkommt – aus der Region, aus der prosperier­enden Wirtschaft.“Genau das hat er getan.

Bis zu zehn Prozent des Nettogewin­ns der Grieshaber Logistik sollen jährlich in die Stiftung und in gemeinnütz­ige Projekte fließen. Auch wenn Heinrich Grieshaber tot ist, hat das Verantwort­ungsbewuss­tsein des Bauernjung­en aus dem Hotzenwald Bestand.

 ??  ?? Heinrich Grieshaber mit seinen Lastwagen auf dem Betriebsho­f seiner Spedition im oberschwäb­ischen Weingarten: Aus einem maroden Fuhrbetrie­b macht der Unternehme­r ein florierend­es Logistikun­ternehmen, nun ist er am Sonntag im Klinikum Friedrichs­hafen gestorben.
Heinrich Grieshaber mit seinen Lastwagen auf dem Betriebsho­f seiner Spedition im oberschwäb­ischen Weingarten: Aus einem maroden Fuhrbetrie­b macht der Unternehme­r ein florierend­es Logistikun­ternehmen, nun ist er am Sonntag im Klinikum Friedrichs­hafen gestorben.
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FOTO: IHK IHK-Hauptgesch­äftsführer Peter Jany (links) mit Heinrich Grieshaber: „Sein Wirken, sein Einsatz, seine Leidenscha­ft für die Sache und sein offenes und zupackende­s Wesen werden fehlen.“

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