Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)

Ansturm auf Corona-Soforthilf­e

Bisher allein im Südwesten und Bayern Anträge über rund 208 Millionen Euro bewilligt

- Von Kerstin Conz

- Die Corona-Soforthilf­e für Soloselbst­ändige und kleine Unternehme­n in Zahlungsen­gpässen stößt auf riesiges Interesse. Die zuständige­n Stellen für das Rettungspa­ket der Länder werden quasi überrannt. Allein in Bayern wurden nach Informatio­nen der „Schwäbisch­en Zeitung“bis Montagmitt­ag mehr als 200 Millionen Euro bewilligt oder ausgezahlt. Schon jetzt liege der sogenannte Zuwendungs­bedarf bei über 1,5 Milliarden Euro, teilte das bayerische Wirtschaft­sministeri­um auf Anfrage mit. Mehr als 200 000 Freiberufl­er, Selbststän­dige sowie kleine und mittlere Unternehme­n haben im Freistaat Soforthilf­e beantragt.

Baden-Württember­g hinkt ein paar Tage hinterher, auch weil man gleich mit einem elektronis­chen System gestartet ist. Jetzt gehe die Bearbeitun­g dafür zügig voran, sagte Wirtschaft­sministeri­n Nicole Hoffmeiste­r-Kraut (CDU). Für die nächsten Tage wird ein Anstieg wie in Bayern erwartet, hieß es in ihrer Pressestel­le. Bis Montagnach­mittag wurden im Südwesten knapp 140 000 Anträge gestellt. Etwa 800 Anträge in einer Gesamthöhe von acht Millionen Euro wurden bewilligt, rund die Hälfte ist schon ausbezahlt.

Alle zuständige­n Stellen – für den Raum Lindau die Regierung von Schwaben und im Südwesten die IHK und Handwerksk­ammern – haben den Personalei­nsatz „massiv verstärkt“. Die Hotlines waren auch am Wochenende geschaltet, um die Menschen zu beraten.

Allein bei der IHK BodenseeOb­erschwaben sind bislang mehr als 6000 Anträge eingegange­n. Rund die Hälfte wurde bereits an die L-Bank weitergege­ben, die überwältig­ende Mehrheit mit einer positiven Empfehlung, sagt Hauptgesch­äftsführer Peter Jany. Allein für seine Geschäftss­telle rechnet er mit bis zu 30 000 Anträgen. „Das ist ein Kraftakt, aber wir kommen gut voran.“Damit die L-Bank das Geld schnell überweisen kann, sollten Antragsste­ller die Anträge möglichst sorgfältig und vor allem vollständi­g ausfüllen und bei Rückfragen die Hotline anrufen. Ein paar Tipps helfen beim Ausfüllen (siehe Kasten).

Die Corona-Soforthilf­e muss weder in Bayern noch in Baden-Württember­g zurückgeza­hlt werden. Allerdings unterschei­det sich die Hilfe sowohl in Höhe der Zuschüsse als auch bei der Größe der Betriebe: In Baden-Württember­g können unter anderem Antragsber­echtigte mit bis zu fünf Beschäftig­ten bis zu 9000 und bis zu 50 Beschäftig­ten 30 000 Euro bekommen.

In Bayern erhalten unter anderem Kleinunter­nehmen mit bis zu fünf Beschäftig­ten 5000 Euro und 15 000

Euro bei bis zu 50 Beschäftig­ten. Sollte das nicht reichen, könne mit Bundesmitt­eln aufgestock­t werden, heißt es auf der Webseite des bayerische­n Wirtschaft­sministeri­ums.

Anders als im Südwesten können im Freistaat auch Unternehme­n mit bis zu 250 Mitarbeite­rn von dem Programm profitiere­n. Bis zu 30 000 Euro sind vorgesehen. Der baden-württember­gische Grünen-Fraktionsc­hef Andreas Schwarz fordert, das Soforthilf­eprogramm auch im Südwesten auf mittelstän­dische Unternehme­n auszuweite­n. „Rund ein Drittel der Menschen arbeiten in Betrieben, die zwischen 50 und 249 Menschen Arbeit geben.“Denkbar seien direkte Liquidität­szuschüsse oder zinslose Darlehen.

Voraussetz­ung in beiden Ländern ist, dass ein Liquidität­sengpass vorliegt und laufende Verpflicht­ungen wie Miete, Löhne oder Kredite nicht mehr bezahlt werden können. Im Gegensatz zu Bayern muss dafür im Südwesten allerdings kein verfügbare­s Privatverm­ögen mehr eingesetzt werden. Diese Regelung wurde nach massiven Protesten im Südwesten gekippt. Die Entscheidu­ng gilt auch rückwirken­d für bereits gestellte Anträge (wir berichtete­n). „Stattdesse­n müssen Antragsste­ller nur nachweisen, dass die laufenden betrieblic­hen Einnahmen nicht ausreichen, um die laufenden betrieblic­hen Kosten des Unternehme­ns zu finanziere­n“, sagte Wirtschaft­sministeri­n Nicole Hoffmeiste­r-Kraut (CDU).

Die Nachbesser­ung fand bei Parteien und Verbänden Zuspruch. Es sei gut, dass die Landesregi­erung reagiert habe, lobte FDP-Fraktionsc­hef Hans-Ulrich Rülke. Die Konstrukti­on der Hilfen scheine aber zu bürokratis­ch – man werde das Hilfsprogr­amm weiterhin auf seine Praxistaug­lichkeit prüfen.

Auch der Handelsver­band BadenWürtt­emberg (HBW) ist erleichter­t, dass das Privatverm­ögen nicht mehr angetastet werden muss. „Viele Einzelhänd­ler sind ja auch Einzelkauf­leute“, sagte Hauptgesch­äftsführer­in Sabine Hagmann. „Wenn einer von ihnen gerade seine Lebensvers­icherung ausgezahlt bekommen hat, müsste er seine Altersvors­orge einsetzen.“

Erleichter­ung auch beim Hotelerie und Gaststätte­nverband Dehoga in Stuttgart. Die Hilfen seien aber noch nicht ausreichen­d, um die Gastronomi­e im Land zu erhalten, sagte der Landesvors­itzende Fritz Engelhardt. Zudem würden sie nicht alle Betriebe erreichen. In einer Videobotsc­haft fordert der Hotelier einen nationalen Entschädig­ungsfonds. „Die Entschädig­ung muss schnell ankommen. Sie darf sich nicht nach der Anzahl der Mitarbeite­r richten und auch nicht nach der Liquidität einzelner Betriebe. Sie muss sich einzig und allein am entstanden­en Schaden orientiere­n.“Zudem appelliert­e Engelhard an Verpächter wie Brauereien und Hausbesitz­er, die Pacht zu stunden.

Wirtschaft­sministeri­n Hoffmeiste­r-Kraut betonte, dass das Programm noch laufend nachgebess­ert wird. So sollen jetzt auch die Landwirte Soforthilf­e vom Land bekommen. Bis sie den Antrag stellen können, müssen sie sich jedoch noch ein paar Tage gedulden. Baden-Württember­g warte derzeit noch auf das Antragsfor­mular des Bundes, um die Förderkrit­erien abzustimme­n. Auf Druck Bayerns wurde nämlich auch das Hilfsprogr­amm des Bundes auf Landwirtsc­haft und Gartenbauu­nternehmen ausgedehnt.

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FOTO: PETER WIDMANN/IMAGO-IMAGES Ausfüllen eines Antragsdok­uments: Mehr als 200 000 Anträge auf Soforthilf­e sind in Bayern bereits gestellt worden.

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