Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)

Wirtschaft­sweise sehen kein Horrorszen­ario

Im wahrschein­lichsten Fall werde die Wirtschaft­sleistung dieses Jahr um 2,8 Prozent schrumpfen – Ökonomie soll sich ab Sommer erholen

- Von Hannes Koch

- Eine vergleichs­weise optimistis­che Prognose formuliere­n die Wirtschaft­sweisen für die ökonomisch­e Entwicklun­g in Deutschlan­d angesichts der Corona-Epidemie. Im „wahrschein­lichsten Szenario“werde die Wirtschaft­sleistung in diesem Jahr um 2,8 Prozent schrumpfen und 2021 stark um 3,7 Prozent steigen, sagte Lars Feld (Uni Freiburg). Das geht aus dem Sonderguta­chten hervor, dass die Wirtschaft­sberater der Bundesregi­erung am Montag veröffentl­ichten.

Die drei amtierende­n Mitglieder des Sachverstä­ndigenrats für Wirtschaft – neben Lars Feld sind das augenblick­lich Achim Truger (Uni Duisburg-Essen) und Volker Wieland (Uni Frankkfurt/M.) – setzen sich damit von wesentlich pessimisti­scheren Prognosen ab. Das ifo-Institut für Wirtschaft­sforschung München hält einen katastroph­alen Einbruch des Bruttoinla­ndsprodukt­s von bis zu 20 Prozent für möglich. Während der Finanzkris­e 2009 war die deutsche Wirtschaft­sleistung um 5,7 Prozent zurückgega­ngen.

Mit Blick etwa auf die Entwicklun­g in China rechnen die Wirtschaft­sweisen mit einer „Normalisie­rung“der Lage in diesem Sommer. Nach der aktuellen Schließung vieler Geschäfte und dem Produktion­sstopp in zahlreiche­n Unternehme­n könnte es dann wohl zu einer Erholung kommen und sogar zu einem Aufholen der Verluste. Freilich schränken die Wirtschaft­sweisen ein: „Dabei ist die Unsicherhe­it über die zukünftige Entwicklun­g aufgrund der außergewöh­nlichen Situation und der schwierige­n Datenlage enorm.“

Daneben benennen sie aber auch zwei schlechter­e Szenarien. In einer Variante sehen die Experten einen schärferen Einbruch in diesem Jahr, dem freilich im nächsten auch eine deutlicher­e Erholung folgte. Das Bruttoinla­ndsprodukt schrumpfte dann 2020 um 5,4 Prozent, bevor es 2021 um 4,9 Prozent steigt. Die nachteilig­ste Variante läuft auf einen Rückgang von 4,5 Prozent in diesem Jahr und eine nur sehr langsame Erholung von einem Prozent plus im nächsten Jahr hinaus.

Ein ökonomisch­es Horrorszen­ario wie vom ifo-Institut befürchtet halten die drei Wirtschaft­sprofessor­en aber für unrealisti­sch. Deutschlan­d ist „nicht im Krieg“, sagte Volker Wieland (Uni Frankfurt/M.). Die Industrie würde „nicht zerbombt“, die Arbeiter seien „nicht an der Front“. Der Kapitalsto­ck werde also nicht zerstört. Jetzt geschlosse­ne Fabriken und Geschäfte werden möglicherw­eise im Mai oder Juni wieder geöffnet, und dann geht es weiter. Lars Feld sagte: „Die Kapazitäte­n sind weiter da, die Innovation­sfähigkeit ebenso.“

Die Wirtschaft­spolitik der Bundesregi­erung finden die Ökonomen „genau richtig“. Von Verbesseru­ngsvorschl­ägen im Detail abgesehen halten sie den Mix aus Notkredite­n für mittlere und größere Unternehme­n, Zuschüsse für kleine Betriebe und Selbststän­dige sowie Kurzarbeit­ergeld für die Beschäftig­ten für angemessen. Allerdings warnen sie, dass trotzdem viele Firmen möglicherw­eise nicht durchhalte­n, weil ihnen in den nächsten Wochen mangels Umsätzen das Geld ausgeht. Deswegen enthält das Gutachten einige Überlegung­en zu zusätzlich­en Beihilfen besonders für kleine Firmen. Flächendec­kende höhere Zuschüsse, beispielsw­eise in Form einer negativen Einkommens­teuer, hält Feld jedoch nicht für ratsam. Das sprenge das bisherige System der Unterstütz­ung.

Europapoli­tisch befürworte­n die Regierungs­berater, dass der Europäisch­e Stabilität­smechanism­us (ESM) eine wichtigere Rolle einnehmen und kriselnde Euro-Mitgliedss­taaten mit zusätzlich­en Krediten versorgen solle. Für gemeinsame europäisch­e Staatsanle­ihen, wie sie die Regierunge­n von Spanien, Frankreich und Italien vorschlage­n, sprachen sich die Wirtschaft­sweisen ähnlich wie die Bundesregi­erung nicht aus. Achim Truger, der Eurobonds eigentlich befürworte­t, passte sich hier seinen Ratskolleg­en an.

 ?? FOTO: PATRICK SEEGER/DPA ?? Lars Feld, Vorsitzend­er der Wirtschaft­sweisen, formuliert eine vergleichs­weise optimistis­che Prognose für die Wirtschaft.
FOTO: PATRICK SEEGER/DPA Lars Feld, Vorsitzend­er der Wirtschaft­sweisen, formuliert eine vergleichs­weise optimistis­che Prognose für die Wirtschaft.

Newspapers in German

Newspapers from Germany