Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)
„Gespräche mit vertrauten Personen können sehr unterstützend sein“
Diplompädagogin Bettina Häberle spricht über häusliche Gewalt in Zeiten der Corona-Krise
(sz) - Bettina Häberle ist 46 Jahr alt, Diplompädagogin, und leitet seit März 2012 die Beratungsstelle für häusliche Gewalt. Sie erklärt, wie das Zusammenleben im häuslichen Umfeld auch in Zeiten der Corona-Krise funktioniert.
Was für Auswirkungen hat ihrer Einschätzung nach die CoronaKrise auf das Zusammenleben im häuslichen Umfeld?
Durch die aktuelle Krisensituation mit starken Einschränkungen im öffentlichen Leben steigt die Gefahr für Frauen und Kinder, häusliche und sexualisierte Gewalt zu erleben. Das eigene Zuhause ist in der Regel kein geschützter sicherer Ort. Während das Gewaltrisiko steigt, fallen Verletzungen und Unterstützungsbedarfe weniger auf, weil Betroffene nicht mehr in die Schule, zur Arbeit oder zu Freizeitveranstaltungen gehen. Für Kinder, Jugendliche und Erwachsene, die in ihrem häuslichen Umfeld von Gewalt betroffen sind, kann die aktuelle Situation bedeuten, Tätern oder Täterinnen ständig ausgeliefert zu sein.
Sie haben im Jahresdurchschnitt rund 90 Anfragen. Rechnen Sie mit einer Steigerung durch die derzeitige Situation?
Ich rechne damit, dass Anfragen mit einer zeitlichen Verzögerung an unterschiedlichen Stellen (Polizei, Jugendamt, Frauenhaus, Erziehungsberatungsstelle) ankommen werden
Im Moment kommen noch wenig Anfragen an. Ich bin in der Krisenzeit zu den normalen Öffnungszeiten des Caritasverbandes gut telefonisch erreichbar. Betroffene dürfen sich gerne melden, um diese schwere Zeit nicht allein durchstehen zu müssen. Betroffene können mit all ihren Fragen auf die Beratungsstelle häusliche Gewalt zukommen.
Haben Sie Tipps, wie man einer Eskalation
begegnen kann?
Das Wichtigste für Betroffene und ihre Kinder ist, sich weiterhin gut zu schützen und im Notfall die Polizei zu verständigen. Ein guter Schutz könnte zum Beispiel der Rückzug in ein abschließbares Zimmer oder bei drohender Gefahr das Verlassen der Wohnung sein. Eine große Unterstützung kann es auch sein, wenn man sich traut mit vertrauten Personen über die Situation zu sprechen und sich Hilfe und Unterstützung zu sichern. Im Notfall gilt es immer die Polizei zu verständigen
Derzeit kann man ja nicht zur Beratung kommen. Gibt es Alternativen?
Man kann sich zu den normalen Öffnungszeiten des Caritasverbandes Sigmaringen (Mo bis Fr von 8.30 bis 12.00 Uhr, Mo bis Do 14 bis 16.30 Uhr) an die Beratungsstelle häusliche Gewalt wenden. Die Beratung kann telefonisch stattfinden und im Notfall kann auch eine persönliche Beratung im Rahmen der angeratenen Schutzabstände organisiert werden. Die Beratungsstelle ist für den gesamten Landkreis zuständig. Ab sofort gibt es auch die Hotline „Zuhören für Familien“im Landkreis Sigmaringen. Gesprächspartner sind erfahrene Berater und Therapeuten der Erziehungsberatungsstelle des Caritasverbandes und der Suchtberatungsstelle der AGJ. Erreichbar montags bis freitags von 8.30 bis 20.30 Uhr unter 07571/73 01 60 und samstags und sonntags von 18 bis 20 Uhr unter 0176/50 13 67 69.