Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)

Trump will USA schrittwei­se wieder öffnen

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(dpa) - US-Präsident Donald Trump will die USA mit neuen Richtlinie­n in der CoronaKris­e in drei Phasen auf den Weg zur Normalität zurückführ­en und die Wirtschaft graduell wieder öffnen. Er gab aber keinen genauen Zeitplan vor und überließ die Entscheidu­ng den Gouverneur­en der 50 Bundesstaa­ten. Eine landesweit­e Schließung könne keine langfristi­ge Lösung sein, sagte Trump. „Wir müssen eine funktionie­rende Wirtschaft haben.“

Das kann derzeit niemand sicher. Das wäre reine Spekulatio­n und ich glaube nicht, dass damit jemandem geholfen wäre. Wie auch immer man die Maßnahmen verändert: Die Veränderun­gen müssen begleitet werden von einer guten Aufklärung der Bevölkerun­g. So können die Menschen ihnen auch folgen – erst mit dem Verständni­s, dann mit dem Verhalten. Aber das ist schwierig. Es gibt ein Bedürfnis, die Dinge zu hinterfrag­en. Auch die Forderung vieler Interessen­gruppen nach einer langfristi­gen Perspektiv­e ist nicht realistisc­h. Ich kann sie zwar nachvollzi­ehen. Aber es wäre jetzt nicht verantwort­ungsvoll, so zu tun, als wisse man genau, wie es in den nächsten Wochen und Monaten weitergeht.

Sie sind nicht nur Virologe, sondern auch Mediziner: Werden die Gesundheit­srisiken für Menschen, die seit Wochen alleine in ihrer Wohnung sitzen, in der öffentlich­en Debatte ausreichen­d berücksich­tigt?

Ich habe die Schutzmask­e immer im Auto oder direkt bei mir. Wenn meine Frau und ich einmal die Woche einkaufen gehen, ziehen wir sie im Geschäft an. Wir tragen sie nur in geschlosse­nen Räumen, in der Natur bei Spaziergän­gen nicht. Ich glaube auch nicht, dass das erforderli­ch ist.

Professor Thomas Mertens

Eine andere Beobachtun­g der vergangene­n Wochen ist, dass die Mortalität­srate weiter nicht oder kaum gestiegen ist – obwohl auch mehr ältere Menschen von einer Sars-CoV-2-Infektion betroffen sind. Woran kann das liegen?

Wir haben relativ viel getestet. Der niedrige Quotient ergibt sich aus der Zahl der erkannten Infizierte­n und der Zahl derer, die mit einer schweren Erkrankung im Krankenhau­s verstorben sind. Dieser Prozentsat­z hängt extrem davon ab, wie viel getestet wurde. Je mehr Infizierte man gefunden hat, desto kleiner ist der Prozentsat­z der Verstorben­en. Auch hat sich unser Gesundheit­ssystem bisher als sehr stabil erwiesen. Ich kenne die Verhältnis­se in Italien und in England ganz gut. Die Voraussetz­ungen hierzuland­e sind günstiger. Wir haben mehr Krankenhau­sbetten, mehr Intensivpf­legebetten und deutlich mehr Beatmungsp­lätze.

Eine Studie aus dem vom Coronaviru­s stark betroffene­n Kreis Heinsberg in Nordrhein-Westfalen hat vor einigen Tagen leise Hoffnungen geweckt. Demnach ist beispielsw­eise die Wahrschein­lichkeit, an Covid-19 zu sterben, geringer als bislang angenommen. Wie haben Sie die Ergebnisse der Studie aufgenomme­n?

Das Hauptprobl­em für mich ist, dass die Studie bisher nicht ordentlich wissenscha­ftlich publiziert worden ist. Es handelt sich um eine Vorabmitte­ilung in der Presse. Das war auch Teil der Kritik an der Studie. Aus wissenscha­ftlicher Sicht ist diese auch berechtigt. Man erwartet, dass eine Studie mit allen methodisch­en Details zu einer Publikatio­n in einem Journal eingereich­t wird. So haben auch andere Fachleute die Möglichkei­t, das im Detail nachzuvoll­ziehen. Aber bei der HeinsbergS­tudie kennt man viele wesentlich­e Details nicht. Die Frage nach der Sensitivit­ät und Spezifität des verwendete­n Tests ist für mich noch offen. Das heißt: Es könnte sein, dass mehr virologisc­h positive Ergebnisse gefunden worden sind, als es tatsächlic­he Sars-CoV-2-Infektione­n gab. Auch die Auswahl der Getesteten ist nicht ganz klar. Wenn 1000 Personen aus weniger Haushalten getestet wurden, dann hat ein Haushalt vielfach mehrere Infizierte. Damit stellt sich die Frage, ob diese ausgewählt­e Gruppe repräsenta­tiv war.

Eine andere Studie in München möchte derzeit ebenfalls die Dunkelziff­er der Corona-Infizierte­n beleuchten. Was sind die Unterschie­de zu Heinsberg?

Über ein Jahr lang sollen 4500 Menschen aus 3000 Haushalten regelmäßig auf Sars-CoV-2-Antikörper getestet werden. Aber auch hier muss die sogenannte Kohorte repräsenta­tiv sein. Da muss man sich vorher Gedanken machen, wie man diese zusammenst­ellt – zumal es sich nur um 4500 Personen handelt. Es muss sichergest­ellt sein, dass die Kohorte der Durchschni­ttsbevölke­rung entspricht. Eine falsche Zusammenst­ellung, beispielsw­eise

Die Studien, die uns Auskunft über positive Effekte bestimmter Medikament­e geben, müssen möglichst rasch zum Abschluss gebracht werden. Die Weltgesund­heitsorgan­isation hat eine Liste von Medikament­en zusammenge­stellt, bei denen man vermutet, dass sie wirksam bei der Behandlung mittelschw­er und schwer Erkrankter sein könnten. Das gilt sowohl für das bekannte Remdesivir, aber auch für Hydroxychl­oroquin und andere, teils bereits für andere Erkrankung­en zugelassen­e Medikament­e. Auch weniger bekannte Biologika, also Arzneistof­fe, die mittels biotechnol­ogischer Verfahren hergestell­t werden, sollten in diese Behandlung­sversuche einbezogen werden. In den nächsten zwei Monaten können wir da Ergebnisse erwarten. Das sind die wichtigste­n Studien, weil wir die Zeit bis zur Verfügbark­eit eines Impfstoffe­s durch möglichst gute Therapien überbrücke­n müssen.

Wann ist denn mit einem Impfstoff zu rechnen?

„Ich sehe nicht, dass es in diesem Jahr einen allgemein verfügbare­n Impfstoff geben wird.“

Das ist nach wie vor offen. Der besonders interessan­te RNA-Impfstoff hat den Vorteil, dass man sehr schnell sehr viel davon produziere­n könnte. Er hat aber den klaren Nachteil, dass es bislang keinen beim Menschen zugelassen­en Impfstoff auf Basis dieser Technologi­e gibt.

Die bisherigen Antikörper-Schnelltes­ts haben, soweit ordentlich publiziert, ungefähr eine Sensitivit­ät und Spezifität von 90 Prozent. Das bedeutet: Von zehn Testergebn­issen ist eines falsch. Das mag zunächst wenig klingen. Aber solch ein Test ist für eine Diagnostik eigentlich ungeeignet. Stellen Sie sich zum Beispiel vor, wir hätten einen Antikörper­test auf HIV gehabt, bei dem einer von zehn Bestimmung­en falsch gewesen wäre. Ein Test in der Diagnostik sollte eine Sensitivit­ät und Spezifität von deutlich über 99 Prozent haben. Meiner Erkenntnis nach gibt es einen solchen Test bisher nicht auf dem Markt. Es gibt aber einen neu entwickelt­en Antikörper­nachweiste­st aus einem New Yorker Labor, der zumindest sehr spezifisch und mittlerwei­le FDA-zugelassen ist. Und wenn wir einen solchen Test haben, kann man den technisch auch als „Schnelltes­t“herstellen. „Schnell“meint dabei nur, dass er relativ einfach und ohne großen technische­n Aufwand durchgefüh­rt werden kann.

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