Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)
Vereine fordern baldige Entscheidung
- Die Handballer haben es getan, sogar in der Bundesliga am Dienstag, die Volleyballer auch, die Tischtennisspieler schon lange die Rede ist vom coronabedingten Saisonabbruch. Nur die Fußballer zieren sich noch. Am Montag veröffentlichte der Württembergische Fußball-Verband (WFV) eine Erklärung, erst rechtlich alles überprüfen zu wollen, um dann zu einer Entscheidung zu kommen, der Bayerische Fußballverband (BFV) ließ vergangene Woche bis Sonntag sogar seine Mitgliedsvereine darüber abstimmen, ob eine Fortsetzung der Saison ab 1. September möglich sei (die SZ berichtete). Doch welche Position haben die Vereine im Bezirk Donau dazu? Die „Schwäbische Zeitung“hat sich unter einigen Vereinen umgehört.
Marcel Gauggel,
Vorsitzender des FC Krauchenwies/Hausen, plädiert für einen Abbruch der Saison. Alles andere sei eine Farce. „Wenn man die Saison im September oder nach der Vorbereitung im Oktober fortsetzen würde, wird das einen Rattenschwanz nach sich ziehen. Das wäre nur umsetzbar, wenn die nächste Saison ausfällt. Wir müssten ja andernfalls von September oder Oktober bis, sagen wir mal 30. Juni, eineinhalb Spielzeiten absolvieren. Den Rest der alten und die komplette neue Saison.“Das sei ihm ein mathematisches Rätsel, so Gauggel. Eine Absage der kompletten Saison '20/’21 sei aus Termingründen aus seiner Sicht unvermeidlich. „Für diesen Fall werden aber dann wohl noch viel mehr Vereine juristisch klagen, da wirtschaftlich gesehen anstatt „nur“einer halben Saison dann für alle eine ganze Saison ausfallen würde, was die wirtschaftlichen Missstände für etliche Vereine nur verlängern würde. Deshalb glaube ich, dass die Verbände in den nächsten Wochen und Monaten nicht drumherum kommen werden, Haftungsausschlüsse zu beschließen. Denn nur so können vernünftige Entscheidungen getroffen werden wie die laufende Saison abzubrechen und die Saison 2020/’21 ab September nahezu regulär zu beginnen und durchzuziehen, natürlich nur wenn es aufgrund der Situation möglich ist.“
Zur sportlichen Situation sagt er: „Es hilft ja nichts. Mit Sig’dorf sind wir in der Jugend in einer Spielgemeinschaft und in ständigem Austausch.“Er hält es aber für möglich, dass die klaren Tabellenführer aufsteigen. Aber der Abbruch sei das Sinnvollste. Das sehen alle, die sich im Verein mit dem Thema befassen so.“Alle seien in der Coronakrise gezwungen, ein Opfer zu bringen. „Wirtschaftlich, privat. Da müssen wir als Fußball hintenanstehen.“Gauggel hat Verständnis für die derzeitige Position des WFV. Natürlich gelte es zunächst die rechtliche Seite abzuklären, denn noch gebe es zu viele Unklarheiten wie zum Beispiel das Thema Vereinswechsel. Auch en FCK/Hausen trifft die Coronakrise, hat er im Sommer doch zwei Veranstaltungen geplant, die man aller Voraussicht nach absagen muss. „Wir hätten ja unser großes Turnier und das Steidle-Fest. Fallen diese aus, fehlen uns 15 000 bis 20 000 Euro. Aber: Dann ist das halt so. Wir sind insgesamt finanziell gut aufgestellt.“Gauggel erhofft sich vom WFV eine baldige Entscheidung. „Die Jungs wollen ja wissen, wie es weitergeht.“Die Trainer des FCK/Hausen, allen voran Jörg Schreyeck, verzichten derzeit auf ihr Gehalt. Was aber Gauggel am meisten fehlt, ist das Vereinsleben. „Zusammenzusitzen, das Beisammensein fehlt schon“, sagt Gauggel.
Ebenfalls für einen Abbruch plädiert
Trainer des SV Sigmaringen. Er ist dafür „alles auf null zu setzen und dann, wenn Fußball wieder möglich ist, neu zu starten. Eine Fortsetzung im September brächte eine Wettbewerbsverzerrung mit sich. Was passiert mit Vereinswechseln, mit der Wechselperiode?“, fragt Ulmer. „Ich bin mit einigen Spielern in Verhandlungen. Die würden gerne wechseln.“Gleichzeitig kündige der Verband, so Ulmer, bei einer Verlängerung der Saison im Herbst an, die Wechselperiode zu streichen. In diesem Falle würde der Spieler aber unberechtigt den Verein wechseln, würde sechs Monate gesperrt. „Oder kippt der Verband diese Sechs-Monate-Regel. Darüber wird ja diskutiert. Also wie soll sich der Spieler verhalten? Meldet er sich besser schon jetzt bei seinem alten Verein ab?“Auch sieht Ulmer den wirtschaftlichen Schaden für die Vereine im oberen Amateurbereich. „Das betrifft die Vereine in der Verbandsoder Oberliga. Aber der DFB hat so viel Geld. Dann muss der halt da einspringen.“
Helmut Ulmer,
In der Verlängerung der Saison sieht Ulmer schon logistisch ein Problem. „Wenn wir ab September die Saison zu Ende spielen, müssten wir ab Januar bis Juni eine ganze Saison spielen. Wo bleibt da die Gerechtigkeit? Wir müssen alle drei Wochen auf fünf Spieler verzichten, die schichten. Bei einem 17-Mann-Kader bleiben mir noch zwölf Spieler unter der Woche.“Außerdem fragt Ulmer, der wie sein Krauchenwieser Amtskollege Jörg Schreyeck ebenfalls auf sein Gehalt verzichtet, für die laufende Runde: „Wer steigt auf? Wer ab? Der FV Bad Saulgau führt die Kreisliga A 2 an, die SGM Alb-Lauchert kann aber mit Siegen in den Nachholspielen bis auf einen Punkt rankommen.“Das Beste sei es, die Saison zu annullieren. „Alles auf Anfang, alles bleibt, wie es war.“Auch die Spieler bei Laune zu halten, sei derzeit - ohne Zugriff - nur schwer möglich. „Wir sind Amateure, der Eine oder Andere geht zwar zum Laufen, aber ...“Positiv stimme ihn der Zusammenhalt im Verein. „Eigentlich darf man es ja nicht sagen. Aber die verabreden sich immer virtuell, jeder vor seinem Computer zu Hause und dann zocken sie Fifa oder andere Spiele. Oder sie chatten über What’sApp.“Außerdem engagiere sich der Verein im Sigmaringer Tafelladen.
Norbert Selg,
Auch Vorstandsvorsitzender des FV Neufra/Do., plädiert für einen Saisonabbruch. „Für mich ist eine Annullierung die einzige Möglichkeit“, sagt Selg. „Was anderes ist nicht sinnvoll. Stell dir vor, du spielst die Saison bis Dezember zu Ende. Was tust du ab Februar 2021, spielst du dann nur eine halbe Runde? Spielst du das Kalenderjahr, quasi im Vorgriff auf die WM 2022?“, fragt er. Klar, könne man im unteren Amateurbereich, bis auf die Aufsteiger in die Landesliga, eine Saison ausdehnen. Aber was ist mit der Regionalund der Oberliga?“Auch Selg glaubt daran, dass sich der WFV jetzt erst mal Rechtssicherheit verschaffe. Dennoch hofft auch der Neufraer Fußballchef auf Planungssicherheit.
Beim Blick auf die leere Tribüne im Waldstadion wird ihm ein bisschen wehmütig ums Herz. „In der schönsten Zeit kannst du nicht Fußball spielen, der Blick auf die Tribüne ist schon deprimierend und tut weh. Auf der anderen Seite: Es gibt auch andere Dinge als Fußball.“Weiter wird es auch im Neufraer Waldstadion gehen. „Wir setzen uns im Mai mit unseren Trainern zusammen, um zu besprechen wie es weitergeht.“Schon deshalb hofft auch der FVN auf eine baldige Entscheidung.
„Sollte die Saison abgebrochen werden, gibt es mehrere Varianten, solange nicht annulliert wird“, sagt
Abteilungsleiter des TSV Riedlingen. Die Riedlinger führen derzeit mit 15 Punkten die Tabelle der Bezirksliga an, gelten bzw. galten als sicherer Aufsteiger in die Landesliga. Ein Abbruch könnte eine Wertung beinhalten, an deren Ende die Rothosen doch noch den Aufstieg in die Landesliga feiern könnten, eine Annullierung brächte den Verbleib in der Bezirksliga. „Eine Annullierung müssten wir akzeptieren, würde aber aus meiner Sicht das Ehrenamt
Markus Blum,
beschädigen“, sagt Blum. Bei den Profis gehe es um Geld, „wir sind aber Amateure“, macht er deutlich, dass eine Annullierung die Arbeit eines ganzen Vereins, der auf dem Ehrenamt aufgebaut ist, zunichte machen würde. Blum bringt eine weitere Variante ins Spiel. „Man könnte auch eine Halbserie werten. Andere Sportarten schaffen es auch, zu einer Wertung zu kommen, auch der Handball. Und: Ein Spiel, in dem eine gewisse Spielzeit absolviert wird, wird ja auch nicht wiederholt.“Und: „Der gleiche Maßstab sollte für alle gelten. Die Profis spielen weiter, weil es um viel Geld geht und die Amateure...?“
Allerdings wolle der TSV Riedlingen, so Blum, sein Recht nicht vor Gericht erstreiten, würde sich also einer Klage, die der WFV seitens einiger Vereine bei Abbruch oder Annullierung befürchtet, nicht anschließen. „Es wäre falsch, etwas sportliches auf dem Rechtsweg zu entscheiden.“Auch der TSV Riedlingen wartet derzeit ab, welche rechtliche Grundlage dem WFV ab Anfang Mai zur Verfügung steht. „Ich hoffe aber, dass wenn die juristische Entscheidung gefallen ist, auch schnell eine Entscheidung über die Saison fällt“, sagt Blum.