Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)
Wenn die Liebe Grenzen hat
Paare, die getrennt in der Schweiz und in Deutschland leben, haben es derzeit schwer – Einreise fast unmöglich
- Das Coronavirus trennt nicht nur Freunde und Familien voneinander – sondern auch Paare mit verschiedenen Staatsbürgerschaften. Mareike Holzmaier wohnt in München, ihr Lebensgefährte im schweizerischen Weiach. Die Gemeinde am Rhein liegt gegenüber von Hohentengen, über die Rheinbrücke sind es keine 200 Meter bis auf die deutsche Seite des Grenzflusses.
Holzmaier und ihr Partner, die nicht miteinander verheiratet sind, haben sich dennoch seit Wochen nicht mehr gesehen. Denn die Grenze zwischen Deutschland und der Schweiz ist seit Mitte März für unvermählte Lebensgefährten dicht. Auch Menschen aus anderen Nachbarstaaten dürfen zur Eindämmung des Coronavirus nicht nach Deutschland einreisen, sofern keine dringenden oder triftigen Gründe vorliegen. Die sind etwa bei Pendlern und bei Familienangehörigen gegeben.
Auch auf der anderen Seite der Grenze weisen die Beamten Menschen ab, die sich nicht „in einer Situation absoluter Notwendigkeit befinden“. So nennt es das schweizerische Staatssekretariat für Migration auf Nachfrage der „Schwäbischen Zeitung“. Der Besuch eines ausländischen Lebensgefährten gehört nicht zu den vom eidgenössischen Bundesrat definierten Ausnahmen.
Derzeit sei ein Treffen daher „chancenlos“, wie Holzmaier im Gespräch mit der „Schwäbischen Zeitung“sagt. „Wir leben nicht mehr im 18. Jahrhundert. Man muss heutzutage nicht mehr verheiratet sein“, sagt die 50-Jährige. Da Holzmaier, die in Wirklichkeit anders heißt, „nicht weiß, was noch passiert“, will sie ihren richtigen Namen nicht in der Zeitung lesen.
Bis vor einigen Tagen war auch Familienmitgliedern in einigen Fällen die Einreise nach Deutschland verwehrt. Väter oder Mütter konnten ihre Kinder nicht und Angehörige pflegebedürftige Familienmitglieder nur eingeschränkt besuchen. Die CDU-Bundestagsabgeordneten Andreas Jung (Konstanz), Felix Schreiner (Waldshut) und Armin Schuster (Lörrach) forderten in einem gemeinsamen Brief an Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) daher, Ausnahmen von den Einreisebeschränkungen zu konkretisieren.
Der Bodenseerat, eine Vereinigung der Bundesländer und Kantone rund um den Bodensee und dem Fürstentum Liechtenstein, hatte sich dieser Forderung angeschlossen. In einem Schreiben beklagt der Rat ein „restriktives Grenzregime“und harte Restriktionen für Privatpersonen, die „auch von der Willkür der jeweiligen diensttuenden Grenzbeamten abhängig sind“.
Das Bundesinnenministerium räumt auf Anfrage der „Schwäbischen Zeitung“ein, dass es „in den letzten Wochen schwierige Einzelfälle gegeben hat, die sich insbesondere auf das Familienleben ausgewirkt haben“– etwa wenn Ehegatten sich besuchen wollten oder Eltern ihr Kind. Um einheitlich entscheiden zu können, habe man die Einreisebestimmungen für Einzelfälle konkretisiert. Familienbesuche sollen demnach auch über Grenzen hinweg möglich sein. Ehegatten und eingetragenen Lebenspartnern ist die Einreise aus triftigen Gründen gestattet.
Aber: Bei Lebensgefährten bleibt es den Beamten vor Ort überlassen, ob sie einen Übertritt gestatten oder nicht. „Mangels brauchbarer Nachvollziehbarkeit sollen andere Lebenspartnerschaften ohne Trauschein grundsätzlich jedoch kein triftiger Grund im Sinne des Einreiseregimes sein; ob im Einzelfall dennoch ein triftiger Grund vorliegt, ist auch hier nach Prüfung der jeweiligen Umstände im Rahmen des pflichtgemäßen Ermessen zu befinden“, teilt das Bundesinnenministerium weiter mit.
Holzmaier ist wenig optimistisch. Sie rechnet damit, ihren Partner erst einmal nicht persönlich wiederzusehen. „Ich glaube nicht, dass wir uns in diesem Jahr persönlich treffen können“, sagt sie – auch wenn derzeit niemand weiß, wie lange die Maßnahmen noch bestehen werden. „Solange bleibt nur das Telefon“.