Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)
Entscheidende Runde im VW-Dieselskandal
(AFP) - Die Akten im Dieselskandal kann VW trotz eines millionenschweren Vergleichs mit Zehntausenden Kunden noch lange nicht schließen. Wie teuer der Skandal das Unternehmen am Ende kommt, dürfte auch entscheidend vom Bundesgerichtshof (BGH) abhängen. Am Dienstag wird am höchsten deutschen Zivilgericht in Karlsruhe erstmals über die Schadenersatzklage eines Käufers verhandelt. Bislang gibt es im Dieselskandal kein höchstrichterliches Grundsatzurteil, an dem sich die Gerichte in Deutschland orientieren können. Das wird sich jetzt durch die Klage des 65-jährigen Herbert Gilbert ändern, der Entschädigung für den von ihm im Jahr 2014 gekauften VW Sharan verlangt. Die Karlsruher Bundesrichter müssen prüfen, ob ihm wegen „vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung“Schadenersatz zusteht – und wieviel. Gilbert zahlte im Januar 2014 für einen gebrauchten Diesel 31 490 Euro. Ausgestattet war der Wagen mit dem Dieselmotor EA 189 – demjenigen Motorentyp, der im Zentrum des Abgasskandals steht. Als der Abggasskandal aufflog, zog der Mann aus Rheinland-Pfalz schließlich vor Gericht. Mit seiner Klage verlangt er laut BGH den Kaufpreis „nebst Zinsen Zug um Zug gegen Übergabe und Übereignung des Fahrzeugs“. Das Oberlandesgericht Koblenz urteilte im Juni 2019 im Berufungsverfahren, dass VW wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung 25 616,10 Euro zu zahlen habe. Wann die Bundesrichter ihr Urteil fällen, ist noch unklar. Sicher ist nur, dass es wegweisend für zahllose weitere Verfahren sein wird.
Grundsätzlich muss es darum gehen, die Wirtschaft schnell und effektiv wieder in Gang zu bringen. Deshalb brauchen wir auch Instrumente, die die Nachfrage nach wichtigen Produkten von systemrelevanten Branchen unterstützen. Da bietet die Automobilwirtschaft einen guten Ansatzpunkt und einen großen Hebel. Deshalb halte ich Kaufprämien für ein probates Mittel.
Was meinen Sie mit „Hebel“?
Die Autoindustrie im engeren Sinne hat in Deutschland etwa 800 000 Arbeitsplätze. Rechnet man das Umfeld hinzu, beispielsweise Autohäuser, Werkstätten, Finanzdienstleister und Tankstellen, geht es um 1,8 Millionen Beschäftigte. Kaufprämien helfen, diese oft gut bezahlten Stellen zu sichern, um daraus wiederum Nachfrage in anderen Branchen zu generieren. Außerdem bezieht der hiesige Fahrzeugbau viele Vorprodukte etwa aus Italien und Spanien. Auch Firmen und Beschäftigte dort profitieren also davon.
Wie stellen Sie sich die Prämien vor?
höchsten Staatszuschuss erhalten. Dann würden Hybrid-Fahrzeuge mit kombiniertem fossilen und EAntrieb folgen. Aber auch moderne Benziner und Diesel beispielsweise der Euro-Norm 6 sollte man nicht ausschließen. Eine Höhe von insgesamt 10 000 Euro – also 4000 Euro mehr als die aktuelle Förderung – für einen Strom-Pkw wäre hilfreich.
Elektrische Fahrzeuge zu fördern, trägt zum Klimaschutz bei. Aber was bringen Zuschüsse für fossil angetriebene Wagen, die wir langfristig sowieso aussortieren müssen?
Neue Verbrenner verursachen weniger klimaschädliches Kohlendioxid als die Pkw, die sich heute im Verkehr befinden. Und leider haben deutsche Hersteller noch zu wenige elektrifizierte Modelle im Angebot. Die Förderung darauf zu beschränken, reduzierte den Effekt. Wir dürfen auch nicht vergessen, dass viele Kunden den E-Autos skeptisch gegenüberstehen.
VW-Chef Herbert Diess sagte unlängst, trotz Corona werde der Konzern dieses Jahr wohl keinen Verlust machen. Warum soll die
Das glaube ich auch. Aber augenblicklich gestaltet sich der internationale Wettbewerb im Automobilgeschäft sehr kapitalintensiv. Es geht darum, ob die deutschen Hersteller ihre Marktanteile gegenüber chinesischen und US-amerikanischen Konkurrenten halten und ausbauen können. Deshalb wäre es gut, wenn VW, Daimler und BMW schnell wieder aus der Krise herauskommen.
Die Hersteller argumentieren, Hunderttausende Fahrzeuge stünden momentan quasi unverkäuflich bei den Autohäusern herum. Ohne Kaufprämien wolle sie niemand haben. Warum geben die Unternehmen nicht vorübergehend großzügige Rabatte?
Die Autohäuser haben schon über Jahrzehnte niedrige Umsatzrenditen erwirtschaftet. Viele kamen über ein Prozent pro Jahr nicht hinaus. Deshalb gibt es dort keine Möglichkeit für große Rabatte. Und die Bereitschaft der Hersteller hält sich aus derzeitigen Engpassgründen ebenfalls in Grenzen.
Monika Schnitzer, Ökonomin und Wirtschaftsweise, bezeichnet Kaufprämien auch für Diesel und Benziner als „puren Lobbyismus“. Was sagen Sie dazu?
Auf den ersten Blick mag das so aussehen. Wenn man allerdings eine Staffelung der Zuschüsse nach KlimaEffekt einführte, wäre der gesamtgesellschaftliche Nutzen offensichtlich.