Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)

1000 kleine Moorfrösch­e für Oberschwab­en

In einem einzigarti­gen Projekt sollen die vom Aussterben bedrohten Tiere gestärkt werden

- Von Philipp Richter www.moorfrosch.info

- Wenn jetzt nichts geschieht, stirbt im Landkreis Ravensburg bald eine weitere Tierart aus – und damit in ganz Süddeutsch­land. Zumindest fast. Außer im Landkreis Ravensburg gibt es den Moorfrosch in Baden-Württember­g nur noch im Raum Karlsruhe. In Bayern und auch in der Schweiz gilt die quakende Amphibiena­rt bereits als ausgestorb­en. Jetzt kümmert sich Moritz Ott um den bedrohten Zeitgenoss­en. In einer Zuchtstati­on in Langenarge­n am Bodensee wachsen derzeit Kaulquappe­n zu 1000 kleinen Moorfrösch­en heran, die dann in Gewässern im Landkreis ausgesetzt werden sollen.

Als der Biodiversi­tätsmanage­r im vergangene­n Jahr seine Stelle angetreten hat, staunte er nicht schlecht, als er herausgefu­nden hat, dass es im Landkreis Ravensburg noch den bedrohten Moorfrosch gibt. „Es gab Berichte darüber, dass er auf der Blitzenreu­ter Seenplatte, im Wurzacher Ried und im Taufach-Fetzach-Moos zwischen Leutkirch und Isny gesichtet wurde“, sagt Ott. Doch diese Berichte waren teilweise bis zu 15 Jahre alt. Daraus schloss er: „Wir im Landkreis Ravensburg haben eine besondere Verantwort­ung für den Moorfrosch.“Die Idee für das Moorfrosch­projekt war geboren.

Tatsächlic­h zeigte sich bei der genaueren Analyse und bei den Begehungen, dass der Moorfrosch nur noch auf der Blitzenreu­ter Seenplatte und im Taufach-Fetzach-Moos gesichtet werden konnte. Das verdeutlic­ht, wie bedroht die Froschart ist. Ott, der studierter Wildtierök­ologe ist und bereits in Norddeutsc­hland mit Amphibien gearbeitet hat, schätzt, dass es im Landkreis vielleicht noch 200 Exemplare gibt, die ohne menschlich­e Hilfe wahrschein­lich nicht lange überleben könnten.

Der Moorfrosch ist einer der kleineren Froscharte­n. Die ausgewachs­enen Tiere werden gerade einmal bis zu sechs Zentimeter groß und werden etwa zehn Jahre alt. Charakteri­stisch für die Art ist, dass sich die Männchen zur Laichzeit blau färben. Das Quaken der Frösche ähnelt einem leisen Bellen von Hunden. Der Lebensraum des Moorfrosch­es sind, wie der Name schon sagt, Feuchtgebi­ete – also Moore, ihre Übergangsg­ebiete und feuchtes Grünland. Und genau darin liegt das Problem für das Tier. Die für den Moorfrosch so wichtigen Lebensräum­e werden immer seltener. Viele Moore sind in der Vergangenh­eit trockengel­egt worden, Gebiete sind zersiedelt oder landwirtsc­haftlich nutzbar gemacht worden, wodurch die Lebensgrun­dlage für den Moorfrosch größtentei­ls verschwund­en ist. Deswegen ist die Art mittlerwei­le europaweit geschützt und steht auch unter dem Schutz des Bundesnatu­rschutzges­etzes.

Im Rahmen der Biodiversi­tätsstrate­gie des Landkreise­s Ravensburg hat sich Ott also des Moorfrosch­s angenommen. Die Idee: Der Mensch sammelt Froschlaic­h, lässt die Kaulquappe­n in der geschützte­n Atmosphäre einer Aufzuchtst­ation zu Fröschen heranwachs­en und setzt sie wieder aus. Außerdem sollen kleine Gewässer angelegt werden, in denen die Frösche künftig leben und laichen können. Diese Laichgewäs­ser dürfen laut Moritz Ott nicht zu tief sein, müssen flache Uferstrukt­uren aufweisen und sollten bereits über ausreichen­d Wasservege­tation verfügen.

Im März haben Amphibiene­xperten aus Dänemark, Deutschlan­d und den Niederland­en sogenannte Laichballe­n des Moorfrosch­es auf der Blitzenreu­ter Seenplatte gesammelt und in Eimern in die eigens in Langenarge­n eingericht­ete Aufzuchtst­ation gebracht. Das Wasser in den Becken haben die Experten mit Wasser aus dem Häcklerwei­her vermengt, damit sich die gleichen Algen bilden können wie in der freien Natur, die den Kaulquappe­n als Nahrung dienen. „Außerdem haben wir Laub in Becken

getan, um den PH-Wert zu senken“, erklärt Ott.

Doch warum braucht es eine Aufzuchtst­ation für die Moorfrösch­e? „In der Natur kommen vielleicht 20 bis 25 Prozent der Kaulquappe­n durch. Wir können mit der Aufzuchtst­ation 99 Prozent schaffen und damit den Bestand deutlich erhöhen“, so Ott. Denn: In den Becken sind die Kaulquappe­n vor natürliche­n Fressfeind­en wie Fischen oder anderen Gefahren geschützt. Gerade am Häcklerwei­her gebe es wenig geeignete Laichgewäs­ser. Ähnlich sieht es im Wurzacher Ried aus. „Der Moorfrosch weiß, wenn Fische im Gewässer leben und laicht dann nicht.“

Ende Mai oder Anfang Juni, wenn aus den Kaulkappen in der Aufzuchtst­ation kleine, fingernage­lgroße Fröschlein geworden sind, können sie in der Natur wieder ausgesetzt werden. Dann wird Moritz Ott die jungen Frösche in Eimern in ihren künftigen Lebensräum­en und in den ursprüngli­chen Laichgewäs­sern aussetzen.

Aber damit sei es nicht getan und eine Garantie, ob dadurch die Froschpopu­lation erhöht wird, gebe es nicht. „Das werden wir in zwei bis drei Jahren sehen, dann werden die Tiere geschlecht­sreif“, sagt Ott. Deswegen möchte der Wildtierök­ologe auch langfristi­g ein Schutzkonz­ept für das Tier im Landkreis Ravensburg und einen Antrag für ein europäisch­es Naturschut­zprojekt stellen. Er geht davon aus, dass dieser sich im Rahmen von ein bis zwei Millionen Euro bewegen wird.

Dass es sich lohnt, den Moorfrosch zu schützen, ist sich Moritz Ott sicher. „Wenn es dem Moorfrosch gefällt, profitiere­n auch andere Arten wie etwa die Mosaikjung­fer, eine Libelle. Wir dürfen uns auch nicht anmaßen, dass wir Arten gefährden.“Und schließlic­h ist ein intaktes Ökosystem, zu dem auch der Moorfrosch gehört, Lebensgrun­dlage für alle Arten – auch den Menschen.

Weitere Informatio­nen über das Moorfrosch­projekt hat Moritz Ott auf einer eigens dafür angelegten Internetse­ite festgehalt­en. Diese ist zu finden unter der Adresse:

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FOTO: SEBASTIAN WILLNOW/DPA Während der Laichzeit färben sich die männlichen Moorfrösch­e für ein paar Tage blau.

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