Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)
1000 kleine Moorfrösche für Oberschwaben
In einem einzigartigen Projekt sollen die vom Aussterben bedrohten Tiere gestärkt werden
- Wenn jetzt nichts geschieht, stirbt im Landkreis Ravensburg bald eine weitere Tierart aus – und damit in ganz Süddeutschland. Zumindest fast. Außer im Landkreis Ravensburg gibt es den Moorfrosch in Baden-Württemberg nur noch im Raum Karlsruhe. In Bayern und auch in der Schweiz gilt die quakende Amphibienart bereits als ausgestorben. Jetzt kümmert sich Moritz Ott um den bedrohten Zeitgenossen. In einer Zuchtstation in Langenargen am Bodensee wachsen derzeit Kaulquappen zu 1000 kleinen Moorfröschen heran, die dann in Gewässern im Landkreis ausgesetzt werden sollen.
Als der Biodiversitätsmanager im vergangenen Jahr seine Stelle angetreten hat, staunte er nicht schlecht, als er herausgefunden hat, dass es im Landkreis Ravensburg noch den bedrohten Moorfrosch gibt. „Es gab Berichte darüber, dass er auf der Blitzenreuter Seenplatte, im Wurzacher Ried und im Taufach-Fetzach-Moos zwischen Leutkirch und Isny gesichtet wurde“, sagt Ott. Doch diese Berichte waren teilweise bis zu 15 Jahre alt. Daraus schloss er: „Wir im Landkreis Ravensburg haben eine besondere Verantwortung für den Moorfrosch.“Die Idee für das Moorfroschprojekt war geboren.
Tatsächlich zeigte sich bei der genaueren Analyse und bei den Begehungen, dass der Moorfrosch nur noch auf der Blitzenreuter Seenplatte und im Taufach-Fetzach-Moos gesichtet werden konnte. Das verdeutlicht, wie bedroht die Froschart ist. Ott, der studierter Wildtierökologe ist und bereits in Norddeutschland mit Amphibien gearbeitet hat, schätzt, dass es im Landkreis vielleicht noch 200 Exemplare gibt, die ohne menschliche Hilfe wahrscheinlich nicht lange überleben könnten.
Der Moorfrosch ist einer der kleineren Froscharten. Die ausgewachsenen Tiere werden gerade einmal bis zu sechs Zentimeter groß und werden etwa zehn Jahre alt. Charakteristisch für die Art ist, dass sich die Männchen zur Laichzeit blau färben. Das Quaken der Frösche ähnelt einem leisen Bellen von Hunden. Der Lebensraum des Moorfrosches sind, wie der Name schon sagt, Feuchtgebiete – also Moore, ihre Übergangsgebiete und feuchtes Grünland. Und genau darin liegt das Problem für das Tier. Die für den Moorfrosch so wichtigen Lebensräume werden immer seltener. Viele Moore sind in der Vergangenheit trockengelegt worden, Gebiete sind zersiedelt oder landwirtschaftlich nutzbar gemacht worden, wodurch die Lebensgrundlage für den Moorfrosch größtenteils verschwunden ist. Deswegen ist die Art mittlerweile europaweit geschützt und steht auch unter dem Schutz des Bundesnaturschutzgesetzes.
Im Rahmen der Biodiversitätsstrategie des Landkreises Ravensburg hat sich Ott also des Moorfroschs angenommen. Die Idee: Der Mensch sammelt Froschlaich, lässt die Kaulquappen in der geschützten Atmosphäre einer Aufzuchtstation zu Fröschen heranwachsen und setzt sie wieder aus. Außerdem sollen kleine Gewässer angelegt werden, in denen die Frösche künftig leben und laichen können. Diese Laichgewässer dürfen laut Moritz Ott nicht zu tief sein, müssen flache Uferstrukturen aufweisen und sollten bereits über ausreichend Wasservegetation verfügen.
Im März haben Amphibienexperten aus Dänemark, Deutschland und den Niederlanden sogenannte Laichballen des Moorfrosches auf der Blitzenreuter Seenplatte gesammelt und in Eimern in die eigens in Langenargen eingerichtete Aufzuchtstation gebracht. Das Wasser in den Becken haben die Experten mit Wasser aus dem Häcklerweiher vermengt, damit sich die gleichen Algen bilden können wie in der freien Natur, die den Kaulquappen als Nahrung dienen. „Außerdem haben wir Laub in Becken
getan, um den PH-Wert zu senken“, erklärt Ott.
Doch warum braucht es eine Aufzuchtstation für die Moorfrösche? „In der Natur kommen vielleicht 20 bis 25 Prozent der Kaulquappen durch. Wir können mit der Aufzuchtstation 99 Prozent schaffen und damit den Bestand deutlich erhöhen“, so Ott. Denn: In den Becken sind die Kaulquappen vor natürlichen Fressfeinden wie Fischen oder anderen Gefahren geschützt. Gerade am Häcklerweiher gebe es wenig geeignete Laichgewässer. Ähnlich sieht es im Wurzacher Ried aus. „Der Moorfrosch weiß, wenn Fische im Gewässer leben und laicht dann nicht.“
Ende Mai oder Anfang Juni, wenn aus den Kaulkappen in der Aufzuchtstation kleine, fingernagelgroße Fröschlein geworden sind, können sie in der Natur wieder ausgesetzt werden. Dann wird Moritz Ott die jungen Frösche in Eimern in ihren künftigen Lebensräumen und in den ursprünglichen Laichgewässern aussetzen.
Aber damit sei es nicht getan und eine Garantie, ob dadurch die Froschpopulation erhöht wird, gebe es nicht. „Das werden wir in zwei bis drei Jahren sehen, dann werden die Tiere geschlechtsreif“, sagt Ott. Deswegen möchte der Wildtierökologe auch langfristig ein Schutzkonzept für das Tier im Landkreis Ravensburg und einen Antrag für ein europäisches Naturschutzprojekt stellen. Er geht davon aus, dass dieser sich im Rahmen von ein bis zwei Millionen Euro bewegen wird.
Dass es sich lohnt, den Moorfrosch zu schützen, ist sich Moritz Ott sicher. „Wenn es dem Moorfrosch gefällt, profitieren auch andere Arten wie etwa die Mosaikjungfer, eine Libelle. Wir dürfen uns auch nicht anmaßen, dass wir Arten gefährden.“Und schließlich ist ein intaktes Ökosystem, zu dem auch der Moorfrosch gehört, Lebensgrundlage für alle Arten – auch den Menschen.
Weitere Informationen über das Moorfroschprojekt hat Moritz Ott auf einer eigens dafür angelegten Internetseite festgehalten. Diese ist zu finden unter der Adresse: