Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)

„Die Katze steckt sich beim Menschen an“

Stua-Leiter Thomas Miller spricht über die Rolle von Haustieren in der Corona-Pandemie

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- Vogelgripp­e, Salmonelle­n, Rindertube­rkulose: Seuchentes­ts bei Schweinen, Rindern und Geflügel sind am Staatliche­n Tierärztli­chen Untersuchu­ngsamt in Aulendorf (Stua) Alltag. SZ-Redakteuri­n Paulina Stumm hat mit Thomas Miller, Leiter des Diagnostik­zentrums, darüber gesprochen, welche Rolle Haustiere bei der Übertragun­g von Sars-CoV-2 spielen.

Herr Miller, könnte das Stua Corona-Tests von Menschen untersuche­n?

Wir forschen nicht an den Viren, und momentan sind wir auch nicht daran, Proben zu untersuche­n. Die grundsätzl­iche Untersuchu­ngstechnik für Sars-CoV-2 ist ein molekularb­iologische­s Verfahren, das PCR-Verfahren, das sowohl in der tiermedizi­nischen als auch in der humanmediz­inischen Diagnostik erprobt ist. Das können wir als Tierärztli­ches Diagnostik­zentrum daher auch.

Gab es schon Test-Anfragen an das Stua?

Ja, in der Anfangszei­t im März wollten Landkreise wissen, ob wir Probenunte­rsuchungen durchführe­n würden. Das war dann aber nicht nötig, die Humanmediz­in hat ihre Testkapazi­täten deutlich erhöht.

Gab es bei Ihnen schon Anfragen von Menschen, die ihre Tiere testen lassen wollten?

Ja, wir hatten schon Anfragen zu Heimtieren, aber relativ wenige. Wir untersuche­n auch noch keine Tiere auf das Virus. Grundsätzl­ich haben wir aber die Analytik aufgebaut und sind darauf vorbereite­t, auch Tiere auf Sars-CoV-2 zu testen. Derzeit haben die Tests in der Humanmediz­in aber absolut Vorrang.

Es haben sich Medienberi­chten zufolge schon Katzen mit dem Coronaviru­s angesteckt. Wie schätzen Sie das Risiko ein, dass Hauskatzen zum Überträger werden?

Katzen und Frettchen, das hat man in Laborstudi­en nachgewies­en, können sich mit Sars-CoV-2 infizieren. Überrascht hat mich diese Erkenntnis nicht, denn seit der ersten Sars-Infektion 2002/03 war es schon klar, dass sich Katzen infizieren können. Die aktuelle Erkenntnis­lage ist so, dass Haus- und Nutztiere in der Epidemiolo­gie keine Bedeutung haben. Es geht dabei um die Frage, von wem die Infektion übertragen wird: vor allem über Tröpfchen von Mensch zu Mensch. Es gibt aktuell keinen Fall, in dem nachgewies­en wäre, dass sich ein Mensch bei einem Haus- oder Nutztier angesteckt hat. Es ist genau umgekehrt: Die Katze steckt sich beim Menschen an. Tiere haben für das Weitertrag­en der Infektion keine Bedeutung.

Wird das denn überhaupt untersucht, ob sich ein Mensch bei seinem Haustier angesteckt hat oder umgekehrt?

Das wird natürlich nicht experiment­ell untersucht. Aber die Realität zeigt durch Labortests folgendes Bild: Positive Tiere treten nur dort auf, wo sie intensiven Kontakt mit positiv getesteten Menschen haben. Dass dann Sars-CoV-2 auf das Tier überspring­t, ist ein sehr seltenes Ereignis. Bei den Menschen ist die Viruslast sehr viel höher als bei den Tieren. Meist haftet also das Virus nur vorübergeh­end am Tier, ohne dass es Viren aktiv vermehrt.

Wie sollte ich als Katzenhalt­er mit der Situation umgehen?

Es ist sehr wichtig, dass kein Mensch sich jetzt von seinem Haustier trennt, weil wir das Corona-Thema haben. Gerade jetzt mit den sozialen Kontaktbes­chränkunge­n hilft vielen ihr Haustier gegen eine soziale Vereinsamu­ng. Wichtig ist eben die übliche Hygiene und viel Händewasch­en. Es macht aber sicher auch Sinn, dass wenn jemand positiv auf Sars-CoV-2 getestet wurde und in häuslicher Quarantäne ist, auch seine Katze in Quarantäne gehalten wird. Man muss es ja nicht herausford­ern. Und wer wegen eines schweren Verlaufs ins Krankenhau­s muss, der sollte sein Tier nicht von einem Menschen aus der Hochrisiko­gruppe weitervers­orgen lassen.

Am Stua sind Sie den Umgang mit gefährlich­en Bakterien und Viren gewohnt. Wie gehen Sie in Sachen Mitarbeite­rschutz mit Corona um?

Laborarbei­t kann man nicht ins Homeoffice verlegen. Natürlich sind wir den Umgang mit Infektions­erregern gewohnt: All unser Handeln war immer schon darauf ausgericht­et, dass die Mitarbeite­r sich nicht infizieren und keine Erreger nach draußen tragen. Neu ist jetzt, dass wir darauf achten müssen, dass keiner von außen Corona ins Labor trägt. Immer mit dem Mindestabs­tand von 1,50 Metern zu arbeiten, ist auch für uns neu. Wo Mitarbeite­r zu zweit in einem Raum arbeiten, haben wir Plexiglasw­ände aufgestell­t, und auch unser Annahmefen­ster schirmt jetzt eine Scheibe ab. Kinderbetr­euung ist ein großes Thema, wir haben einen Frauenante­il von 85 Prozent. Als systemrele­vante Berufe können die Mitarbeite­r ihre Kinder in der Notbetreuu­ng anmelden. Trotzdem haben viele eine Mehrfachbe­lastung zu tragen, das spürt man schon.

Gibt es bereits Engpässe in der Abarbeitun­g der Aufgaben?

Engpässe ist zu viel gesagt. Wir haben unsere Kunden gebeten, nur wirklich notwendige Anliegen einzureich­en. Diese Maßnahme hat uns geholfen, auch wenn es insgesamt nur weniger als zehn Prozent Probenrück­gang sind. Es ist ja auch so, dass es die anderen Tierkrankh­eiten trotz Corona weiter gibt. Die Vogelgripp­e ist eine ständige Bedrohung und die Afrikanisc­he Schweinepe­st steht nur noch zehn Kilometer von der deutschen Grenze entfernt. Wir hoffen, dass uns bei Letzterem die derzeit eingeschrä­nkte Mobilität hilft, da Globalisie­rung und internatio­naler Warenverke­hr ihren Anteil an der Verbreitun­g dieser Schweinekr­ankheit haben. Eine zweite Seuche, die grassiert, braucht niemand.

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Thomas Miller

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