Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)
1233 Bürger bewerten Ideen der Klimakommission
Corona bringt Zeitplan durcheinander: Gremium will im Juni wieder tagen – Gemeinderat soll im Juli entscheiden
- Eigentlich hätte die Klimaschutzkommission dem Gemeinderat am 18. Mai ihre Ideen dazu vorlegen sollen, wie man in Ravensburg den Klimawandel stoppen beziehungsweise dem Klima vor Ort am effektivsten was Gutes tun kann. Doch Corona hat diesen Zeitplan durcheinander gebracht: Die vierte und letzte Sitzung musste wegen der Pandemie ausfallen, der weitere Prozess liegt gerade auf Eis. Immerhin: Die von der Kommission am 13. März beschlossene Online-Bürgerbefragung ist über die Bühne gegangen. Mit großer Resonanz. So soll es nun weitergehen.
Ende vergangenen Jahres hatte der Ravensburger Stadtrat beschlossen, eine mehr als 30 Köpfe starke, mit zehn ausgelosten Bürgern sowie Politikern und Experten besetzte Klimaschutzkommission ins Leben zu rufen. Auftrag dieses Bürgerparlaments auf Zeit: handfeste und praktikable Vorschläge vorzulegen, wie Umweltschutz quasi vor der eigenen Haustür effektiv angegangen werden kann. Nach einer Vorarlberg-Exkursion Anfang des Jahres diskutierten die Mitglieder zunächst hinter verschlossenen Türen, welche Maßnahmen sie am dringlichsten finden und welche am ehesten funktionieren könnten. Um am Ende niemandem etwas aufzudrücken, sondern einen möglichst breiten Konsens zu bekommen, wollte die Kommission so viele Menschen wie möglich in den Prozess einbinden und rief zu einer Online-Bürgerbeteiligung auf.
Das hat funktioniert: Im März und April wurden insgesamt 1233 Fragebögen, in denen anvisierte Maßnahmen aufgelistet waren, ausgefüllt, die Ideen bewertet und kommentiert. Und zwar quer durch alle Altersgruppen,
wie Umweltamtsleiterin Veerle Buytaert betont. 73 Prozent der Teilnehmer waren Ravensburger, die anderen haben laut Baubürgermeister Dirk Bastin auf andere Weise einen Bezug zur Stadt – sie arbeiten hier oder gehen hier zur Schule. „Wir wollten eine möglichst große Bandbreite von Leuten erreichen – und nicht nur die, die das Projekt ohnehin toll finden.“
Unter anderem konnte sich, wer sich 15 Minuten Zeit für den sechs Seiten starken Fragebogen nahm, zu Vorschlägen wie etwa dem einer autofreien Altstadt samt Neuausweisung und Ausweitung von Fußgängerzonen, der Überarbeitung der
Stellplatzsatzung oder der Reduzierung von Parkplätzen im öffentlichen Raum äußern. Unter anderem sei die Idee gut angekommen, überall, wo es rechtlich möglich ist, verkehrsberuhigte Bereiche wie Spielstraßen oder Begegnungszonen einzurichten, führt Buytaert aus. Viele Leute hätten rückgemeldet, mehr „Spielraum“um ihren Wohnort wäre insbesondere in der aktuellen Corona-Krise sehr wohltuend. Andere brachten als Ergänzung bunte Spielkegel oder mehr Grün in der Stadt ins Spiel.
Es wurden allerdings auch Bedenken geäußert: Manche befürchten, dass Autofahrer sich womöglich nicht an solche Regelungen halten würden. Oder dass die Stadtverwaltung sich von Protesten allzu schnell bei der Umsetzung solcher Maßnahmen einschüchtern lassen könnte. Auch die Empfehlung, jedes Jahr einen Wettbewerb für Begrünungskonzepte auszuloben, stieß auf Zustimmung. Viele Ravensburger könnten sich etwa essbares Grün oder mehr Begrünung bei Neubauten als Standard vorstellen, wünschen sich aber zugleich gute Begleitung und Anleitung bei derartigen Projekten.
Der Rücklauf der Bürgerbefragung muss nun ausgewertet und von der Klimakommission „aufs Wesentliche konzentriert werden“, wie Bastin
mitteilt. Damit die Vorschläge im kommenden Haushaltsplan berücksichtigt werden und dafür gegebenenfalls Gelder eingeplant werden können, soll die Kommission im Juni zusammenkommen. Um die coronabedingten Abstandsregeln einzuhalten, könnte sie dies im Schwörsaal tun. Dann, stellt Bastin in Aussicht, könnte der Gemeinderat noch vor der Sommerpause über die gesammelten Klimaschutz-Ideen entscheiden. Wobei er Wert darauf legt, dass es um die Gestaltung der Zukunft Ravensburgs gehe: „Wir wollen das gemeinsam schaffen – und zwar, indem wir Verhaltensänderungen so attraktiv wie möglich machen.“