Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)
Im Angesicht durch Scheiben
Amtsgerichtsdirektor legt trotz Pandemie Wert auf unvermummtes Auftreten
- Wer in Ravensburg Termine beim Amtsgericht und Landgericht wahrnehmen will – oder muss –, wird auf etliche Änderungen durch die Corona-Verordnung stoßen. Für den Einlass in die Gerichtsgebäude gelten neue Regeln, und manche Verhandlung findet jetzt ganz woanders statt.
Nach vier Wochen Notbetrieb ist das Amtsgericht zu einer gewissen Normalität zurückgekehrt. Aber: In den Gerichtsverhandlungen sitzen die Beteiligten jetzt mit Abstand zueinander hinter Plexiglasscheiben. Masken brauche es deshalb nicht, so Amtsgerichtsdirektor Matthias Grewe. „Wir wollen, dass die Prozessbeteiligten unser Gesicht sehen und wir ihres“, sagt er.
Abstandhalten ginge in vielen kleineren Sälen des Amtsgerichts nicht. Stattdessen wurde zum Beispiel ein Mehrzweckraum des Gerichts zum Verhandlungssaal umgestaltet. In den kleineren, derzeit nicht nutzbaren Verhandlungsräumen sitzen an den Richterbänken statt der Juristen jetzt Mitarbeiter, die sich früher ein Büro mit anderen geteilt haben.
Die Duale Hochschule, in deren Gebäuden derzeit keine Vorlesungen gehalten werden, stellt große Räume für Verhandlungen von Amts- und Landgericht zur Verfügung. Wie lange das möglich ist, ist unklar: Im Juni erreicht die Prüfungsphase an der Hochschule ihren Höhepunkt, wie Pressesprecherin Elisabeth Ligendza sagt. Wegen der Abstandsregeln müssen auch die Studenten auf viele Räume aufgeteilt werden.
Ein Raumproblem hat Grewe auch noch bei den Zwangsversteigerungen, zu denen bei attraktiven Immobilien und Grundstücken viele Interessenten kommen. Er erwägt, zur Not einen Raum zu mieten, etwa der Kornhaussaal komme infrage. Der Ort einer Versteigerung wird im Voraus bekanntgegeben.
Besonders schwierig ist die Situation für Betreuungsgerichts-Sachen: Wenn jemand in einer geschlossenen Abteilung untergebracht ist, muss das Amtsgericht eine Anhörung organisieren, um einschätzen zu können, ob diese Unterbringung angemessen ist. Dabei gehe es zum Beispiel um Demenzpatienten, die man sehr einfühlsam befragen müsse. „Per Video geht das nicht, und vollverpackt in Schutzausrüstung wäre das noch schwieriger als sonst“, sagt Grewe. Er sei zu dem Schluss gekommen, dass Richter dort aktuell „mehr Risiko denn rechtsstaatliche Hilfe“wären. Diese Anhörungen seien derzeit aufgeschoben.
Auch zur Genehmigung von Fixierungen in der Psychiatrie müssen Richter ins Zentrum für Psychiatrie in Weißenau – und das lasse sich auch in der Corona-Krise nicht aufschieben.
Für Amtsgerichtsdirektor Grewe bedeutet die Krise einen viel größeren Organisationsaufwand als im Regelbetrieb. Für seine Mitarbeiter hat er nur Lob übrig: Selbst wer des Alters wegen zur Risikogruppe gehöre, habe auf eine mögliche Freistellung verzichtet. Wer von zuhause arbeite, sei seiner Einschätzung nach ausgesprochen effektiv. Bestätigte CoronaFälle habe es unter seinen Leuten noch keine gegeben.
Während das Gericht zu Beginn der Pandemie vier Wochen lang nur eingeschränkt arbeitete, hatte die Staatsanwaltschaft Zeit, Anträge zu schreiben, wie Grewe sagt. Die liegen jetzt beim Gericht und müssen verhandelt werden. „Wir haben jetzt viel vor der Brust.“Es wurde laut Amtsdirektor Grewe einhellig beschlossen, dienstags die Verhandlungszeit um zwei Stunden bis 20 Uhr auszuweiten.
Wer das Amtsgericht in Ravensburg betreten will, wird nach dem Anlass seines Besuchs gefragt. Man wird erst fünf Minuten vor Verhandlungsbeginn ins Gebäude gelassen. Pro Verfahren dürfen nur zwei Zeugen im Gebäude warten, die übrigen müssen draußen bleiben. Besucher und Pressevertreter können weiterhin zu öffentlichen Verhandlungen kommen, allerdings sind die Plätze reduziert. Im Gebäude wird eine Mund-NasenMaske empfohlen, aber nicht vorgeschrieben. Die Empfehlung gilt auch im Landgericht. Auch dort wird erst kurz vor Verhandlungsbeginn Einlass gewährt.