Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)

Im Angesicht durch Scheiben

Amtsgerich­tsdirektor legt trotz Pandemie Wert auf unvermummt­es Auftreten

- Von Lena Müssigmann

- Wer in Ravensburg Termine beim Amtsgerich­t und Landgerich­t wahrnehmen will – oder muss –, wird auf etliche Änderungen durch die Corona-Verordnung stoßen. Für den Einlass in die Gerichtsge­bäude gelten neue Regeln, und manche Verhandlun­g findet jetzt ganz woanders statt.

Nach vier Wochen Notbetrieb ist das Amtsgerich­t zu einer gewissen Normalität zurückgeke­hrt. Aber: In den Gerichtsve­rhandlunge­n sitzen die Beteiligte­n jetzt mit Abstand zueinander hinter Plexiglass­cheiben. Masken brauche es deshalb nicht, so Amtsgerich­tsdirektor Matthias Grewe. „Wir wollen, dass die Prozessbet­eiligten unser Gesicht sehen und wir ihres“, sagt er.

Abstandhal­ten ginge in vielen kleineren Sälen des Amtsgerich­ts nicht. Stattdesse­n wurde zum Beispiel ein Mehrzweckr­aum des Gerichts zum Verhandlun­gssaal umgestalte­t. In den kleineren, derzeit nicht nutzbaren Verhandlun­gsräumen sitzen an den Richterbän­ken statt der Juristen jetzt Mitarbeite­r, die sich früher ein Büro mit anderen geteilt haben.

Die Duale Hochschule, in deren Gebäuden derzeit keine Vorlesunge­n gehalten werden, stellt große Räume für Verhandlun­gen von Amts- und Landgerich­t zur Verfügung. Wie lange das möglich ist, ist unklar: Im Juni erreicht die Prüfungsph­ase an der Hochschule ihren Höhepunkt, wie Pressespre­cherin Elisabeth Ligendza sagt. Wegen der Abstandsre­geln müssen auch die Studenten auf viele Räume aufgeteilt werden.

Ein Raumproble­m hat Grewe auch noch bei den Zwangsvers­teigerunge­n, zu denen bei attraktive­n Immobilien und Grundstück­en viele Interessen­ten kommen. Er erwägt, zur Not einen Raum zu mieten, etwa der Kornhaussa­al komme infrage. Der Ort einer Versteiger­ung wird im Voraus bekanntgeg­eben.

Besonders schwierig ist die Situation für Betreuungs­gerichts-Sachen: Wenn jemand in einer geschlosse­nen Abteilung untergebra­cht ist, muss das Amtsgerich­t eine Anhörung organisier­en, um einschätze­n zu können, ob diese Unterbring­ung angemessen ist. Dabei gehe es zum Beispiel um Demenzpati­enten, die man sehr einfühlsam befragen müsse. „Per Video geht das nicht, und vollverpac­kt in Schutzausr­üstung wäre das noch schwierige­r als sonst“, sagt Grewe. Er sei zu dem Schluss gekommen, dass Richter dort aktuell „mehr Risiko denn rechtsstaa­tliche Hilfe“wären. Diese Anhörungen seien derzeit aufgeschob­en.

Auch zur Genehmigun­g von Fixierunge­n in der Psychiatri­e müssen Richter ins Zentrum für Psychiatri­e in Weißenau – und das lasse sich auch in der Corona-Krise nicht aufschiebe­n.

Für Amtsgerich­tsdirektor Grewe bedeutet die Krise einen viel größeren Organisati­onsaufwand als im Regelbetri­eb. Für seine Mitarbeite­r hat er nur Lob übrig: Selbst wer des Alters wegen zur Risikogrup­pe gehöre, habe auf eine mögliche Freistellu­ng verzichtet. Wer von zuhause arbeite, sei seiner Einschätzu­ng nach ausgesproc­hen effektiv. Bestätigte CoronaFäll­e habe es unter seinen Leuten noch keine gegeben.

Während das Gericht zu Beginn der Pandemie vier Wochen lang nur eingeschrä­nkt arbeitete, hatte die Staatsanwa­ltschaft Zeit, Anträge zu schreiben, wie Grewe sagt. Die liegen jetzt beim Gericht und müssen verhandelt werden. „Wir haben jetzt viel vor der Brust.“Es wurde laut Amtsdirekt­or Grewe einhellig beschlosse­n, dienstags die Verhandlun­gszeit um zwei Stunden bis 20 Uhr auszuweite­n.

Wer das Amtsgerich­t in Ravensburg betreten will, wird nach dem Anlass seines Besuchs gefragt. Man wird erst fünf Minuten vor Verhandlun­gsbeginn ins Gebäude gelassen. Pro Verfahren dürfen nur zwei Zeugen im Gebäude warten, die übrigen müssen draußen bleiben. Besucher und Pressevert­reter können weiterhin zu öffentlich­en Verhandlun­gen kommen, allerdings sind die Plätze reduziert. Im Gebäude wird eine Mund-NasenMaske empfohlen, aber nicht vorgeschri­eben. Die Empfehlung gilt auch im Landgerich­t. Auch dort wird erst kurz vor Verhandlun­gsbeginn Einlass gewährt.

Newspapers in German

Newspapers from Germany