Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)
Fahndungserfolg beim Einkaufen
Ex-Freundin als Geisel genommen – Mutmaßliche Kidnapper vor Gericht
(lsw) - Die Tage auf der Flucht müssen qualvoll gewesen sein. Elendig wahrscheinlich, voller Verzweiflung und Angst. Ohne Dach über dem Kopf, ausgerüstet nur mit einem Zelt und Schlafsäcken, mitten in einem fremden Waldstück im Elsass. Erst acht Tage nach der Entführung einer Frau in Baden-Württemberg im Rems-Murr-Kreis wurden ihre beiden mutmaßlichen Kidnapper gefasst und ihr Opfer befreit. Es ist das Ende eines Martyriums für die Frau. Und der Grund, warum ihr früherer Lebensgefährte und sein erheblich jüngerer mutmaßlicher Komplize knapp ein Jahr später vor dem Stuttgarter Landgericht auf der Anklagebank sitzen.
Die beiden Männer sollen die damals 47-jährige Frau Anfang Juni vergangenen Jahres in Aspach entführt haben. Die Pflegerin hatte sich damals um eine ältere Frau gekümmert – und war nach einer Pause nicht zurückgekehrt. Sie wurde nach Angaben der Ermittler aber nicht ins gemeinsame Heimatland Polen verschleppt. Vielmehr setzten sich die beiden mutmaßlichen Täter mit ihrem Opfer in ihr Wohnmobil und steuerten es ins deutsch-französische Grenzgebiet.
Die Tat soll der ältere der beiden Polen detailliert geplant haben, glaubt man der Anklageschrift, in der die Tat nahezu minutiös protokolliert wird. Den mutmaßlichen Komplizen – einen Mitarbeiter in seiner Autowerkstatt — weihte er in die Pläne ein. Beide reisten aus Polen ein, bevor der Ältere seine frühere Partnerin am 3. Juni 2019 unter einem falschen Vorwand zu einem Treffen in ihrer Arbeitspause lockte. Dort überwältigten die Männer ihr Opfer und setzten sich ab, wirft ihnen die Staatsanwaltschaft vor.
In der Region rund um Hagenau wurden die heute 52 Jahre und 24 Jahre alten Männer damals gleich mehrfach von Zeugen gesehen, sie tappten sogar in die Wildkamera eines Jägers. Am Ende wurde ihnen der Durst zum Verhängnis. Denn einer der beiden mutmaßlichen Kidnapper fiel ausgerechnet beim Wasserkaufen auf. Die Polizei verfolgte ihn, schlug am Zelt des Duos in einem Waldstück zu und befreite die Geisel.
Hintergrund der Entführung soll nach Angaben der Staatsanwaltschaft Eifersucht gewesen sein, vielleicht war es auch Rache. Als der ältere Angeklagte vom neuen Partner seiner in Deutschland arbeitenden Frau erfahren habe, habe er beschlossen, sie nach Polen zu entführen oder umzubringen, so die Staatsanwältin. „Er gönnte keinen anderen Männern ein Zusammenleben mit ihr.“
Der damals 47 Jahre alten Frau geht es nach Angaben der Staatsanwaltschaft „den Umständen entsprechend“gut, sie leide aber nach wie vor unter starken Angstzuständen. Die Polin wird nach der derzeitigen Planung des Gerichts am 8. Juni vor Gericht aussagen. Den Prozess setzt die Kammer am kommenden Donnerstag (2. Juni) fort mit den Aussagen deutscher Polizisten.