Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)
Kuchen fürs Volk!
Weil derzeit ja so viel von Fleisch die Rede ist, lassen Sie uns an dieser Stelle heute einfach über Kuchen sprechen. Um ihn rankt sich die Legende vom Konditorenlehrling Franz Sacher zu Wien. Für ein Bankett von Prinz Klemens Wenzel von Metternich hat der junge Mann diese klebrige KalorienObszönität aus Zucker, Fett und Schokolade kreiert – in der Mitte noch bestrichen mit Marillenmarmelade, wahrscheinlich der Vitamine wegen. Zu diesem Kreativitätsausbruch konnte es nur deshalb kommen, weil der eigentliche Konditormeister
krank gewesen sein soll. Der Rest ist Geschichte, denn dem wohlgenährten Prinz Klemens mundete die schokoladige Improvisation dermaßen, dass der junge Franz zu einer Art Mozart der Zuckerbäckerei aufstieg. Von krankgeschriebenen Meister hat die Welt indes nie wieder etwas gehört, gelesen oder gegessen.
Einen sozialkritischen Anstrich bekam Kuchen im 18. Jahrhundert am französischen Hof. Dort soll Marie Antoinette den Hunger des Volkes mit dem Hinweis kommentiert haben, wenn es kein Brot hätte, solle es halt Kuchen essen. Ein Beleg dafür, dass die eher als schlichte Natur beschriebene Frau das jemals wirklich gesagt hat, fehlt. Vielleicht sagte sie Kekse oder Fleischkäswecken statt Kuchen. Wie wir aus der tristen Gegenwart wissen, dürfen Leute heute alles unwidersprochen und ungestraft behaupten. Apropos behaupten: Marie Antoinette wurde letztlich enthauptet. 1793 mit der Guillotine. Am Kuchen soll es aber nicht gelegen haben; an der Sachertorte schon gar nicht. Denn die wurde erst 1832 erfunden. (nyf)