Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)
Die Rechenmaschine sagt Tschüss
Bernt Aßfalg wird als Erster Beigeordneter in den Ruhestand verabschiedet
- Bernt Aßfalg geht als Erster Beigeordneter in Pension, bleibt der Stadt aber als Geschäftsführer der Stadtwerke erhalten. Während der Gemeinderatssitzung am Mittwoch ist Aßfalg verabschiedet worden. Als der 58-Jährige am Ende ans Rednerpult trat, hatte er Tränen in den Augen. Der an Parkinson Erkrankte möchte beruflich kürzer treten. „Bleiben Sie stabil“, wünschte ihm Bürgermeister-Vize Elmar Belthle.
Lediglich 62 Stühle sind im Saal der Stadthalle aufgestellt. Nur so können die Abstandsregeln eingehalten werden. Bernt Aßfalg, seine Frau Ingrid und die erwachsenen Kinder sitzen in der ersten Reihe. In den rund 19 Jahren als zweiter Mann im Sigmaringer Rathaus hielt sich Aßfalg eher im Hintergrund. Wer sich von seinen fachlichen Fähigkeiten überzeugen wollte, der musste ihn in Gemeinderatssitzungen erleben. Aßfalg redete schnell und prägnant. Doch wegen seiner Erkrankung fällt ihm das Sprechen schon seit einigen Jahren immer schwerer.
„Wenn das mit dem Sprechen nicht wäre, würde man im Grunde fast nichts merken“, sagte Aßfalg unserer Zeitung, als er im April 2019 erstmals öffentlich über seine Krankheit sprach. Die offizielle Kandidatenvorstellung bei der Bürgermeisterwahl 2018, die er in der Stadthalle leitete, war einer seiner letzten öffentlichen Auftritte mit Redeanteil. Weil die Krankheit in der Bevölkerung nicht bekannt war, hatte es unter den Bürgern mehrfach ein Grummeln gegeben, weil Aßfalg schlecht zu verstehen war. Nun tritt er am selben Ort erneut ans Rednerpult, um seine Abschiedsrede zu halten. Als er mit den Worten ringt, eilt seine Frau Ingrid zu ihm auf die Bühne. Unter Tränen wendet er sich an sie: „Seit beinahe 40 Jahren geht sie mit mir durch dick und dünn. Sie hat mich auf den Boden zurückgeholt, wenn die Gefahr des Abhebens bestand, hat mich aber genauso wieder aufgerichtet, wenn ich geknickt war.“
Aßfalg kam im Februar 1993 nach Sigmaringen. Er wechselte von der Nachbargemeinde Bingen als Leiter der Kämmerei in die Kreisstadt. „In all den Jahren hatte er die Finanzen fest im Griff“, würdigt ihn Bürgermeister
Marcus Ehm, und fügt süffisant diese Bemerkung an: „Im positiven Sinne hat Aßfalg drei Bürgermeister verschlissen. Ich allerdings bin noch da.“
Im Vergleich zur Anfangszeit Aßfalgs habe sich das Haushaltsvolumen der Stadt auf heute 69 Millionen Euro beinahe verdoppelt.
Im Juni 2001 übernahm Aßfalg die Position des Ersten Beigeordneten und wurde zugleich Leiter der Stadtwerke. Eine Begebenheit, die viel über die Hartnäckigkeit Aßfalgs aussagt: Der Gemeinderat erwartete von seinem Beigeordneten einen Umzug von Bingen in die Kreisstadt, doch Aßfalg blieb standhaft.
Ehm am Mittwochabend: „Ich hätte mir die Bewerbung als Bürgermeister nicht zugetraut, wenn Herr Aßfalg nicht gewesen wäre.“
Der Gemeinderat habe sich entschieden, so Ehm, dem zweiten Mann im Rathaus eine Verdienstmedaille zukommen zu lassen: „Doch es kann nur eine Farbe geben, nämlich Gold“, ergänzt der Bürgermeister.
Bürgermeister-Stellvertreter Elmar Belthle (CDU) beschreibt den Finanzfachmann als „wandelndes Lexikon mit eingebauter Rechenmaschine“. Wenn Aßfalg in Sitzungen signalisiert habe, dass sich die Stadt ein Vorhaben leisten könne, habe das Gremium guten Gewissens zustimmen können. Den Zweckverband für das interkommunale Gewerbegebiet auf dem Kasernenareal und die Gründung der Wirtschaftsförderung seien maßgeblich mit Aßfalg verbunden gewesen. Ebenso der Kauf des Stromnetzes von der Vorläufergesellschaft der ENBW. Personalrat Christoph Stiller spricht von einem Kämmerer, der den Mitarbeitern gegenüber nie geizig gewesen sei.
Zum Ende seiner Rede erwähnt Aßfalg beinahe beiläufig, dass er seinem Nachfolger Manfred Storrer, der im September sein Amt antreten wird, eine Mitgift von sieben Millionen Euro als Guthaben auf den städtischen Konten hinterlassen wird. Als er am Ende „und tschüss“sagt, stehen die Gäste auf und klatschen minutenlang.