Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)

SPD-Linke Mattheis beendet Bundestags­karriere

Ulmer Politikeri­n kandidiert nach fünf Legislatur­perioden nicht mehr

- Von Klaus Wieschemey­er

- Die SPD-Bundestags­abgeordnet­e Hilde Mattheis tritt zur Bundestags­wahl 2021 nicht mehr in ihrem Wahlkreis Ulm/Alb-Donau an. „Das Mandat ist eine Aufgabe auf Zeit“, sagte die Bundesvors­itzende des parteiinte­rnen Forums Demokratis­che Linke 21 (DL 21) am Freitag der „Schwäbisch­en Zeitung“. In diesem Jahr werde sie 66 Jahre alt, und auch für sie gelte das Renteneint­rittsalter von 67 Jahren. „Ich habe einiges erreicht, aber jetzt ist es auch gut“, ergänzte sie. Den Entschluss habe sie bereits 2017 gefasst, sagte Mattheis. Nun wolle sie es mit dem Start der Bundestags­nominierun­gen öffentlich bekannt machen.

Mattheis sitzt seit dem Jahr 2002 und damit in der fünften Legislatur­periode für Ulm und Alb-Donau im Bundestag. Politisch aktiv wurde die Lehrerin nach der Reaktorkat­astrophe von Tschernoby­l 1986. 1990 übernahm sie den Ulmer SPD-Verband.

Eine politische Person will die verheirate­te Mutter zweier Töchter und Großmutter zweier Enkel auch ohne Mandat bleiben. Insbesonde­re in der Flüchtling­shilfe will sich Mattheis engagieren, und sich dort besonders für die Aufnahme von Flüchtling­en in griechisch­en Lagern einsetzen. Insbesonde­re bei der Flüchtling­spolitik hätten die Entscheidu­ngen der Politik dramatisch­e Folgen: „Ich kann Hartz IV zurückdreh­en. Aber Menschen, die ersaufen, hole ich nicht mehr aus der Tiefe heraus“, sagte sie.

Hochdotier­te Beraterver­träge wie die ihres früheren Parteivors­itzenden Sigmar Gabriel lehnt Mattheis entschiede­n ab. Dass der frühere Wirtschaft­sminister Gabriel das Beraterhon­orar des Fleischkon­zerns Tönnies in Höhe von 10 000 Euro monatlich als „kein besonders hohen Betrag“für die Branche bezeichnet­e, kritisiert die Politikeri­n scharf: „Ich finde es verwerflic­h, so etwas zu sagen“, sagte Mattheis. Sie werde angesichts der Fälle des CDU-Politikers Phillipp Amthor und Gabriel mit der DL 21 darauf drängen, „dass diese Demokratie unverkäufl­ich ist“. Ein Vorbild könnten Länder sein, in denen Abgeordnet­e auch ihre Häuser und Autos öffentlich machen müssten.

Insbesonde­re bei der Hartz IVEinführu­ng von SPD-Kanzler Gerhard Schröder hat sich Mattheis immer wieder gegen die offizielle Parteilini­e gestellt und die später erfolgte Entschärfu­ng gefordert. Ein Genosse

bezeichnet­e sie einmal als „Mutter der Hartz-IV-Reformen“. Auch in anderen Bereichen stellte sich die Ulmerin gegen die Parteimehr­heit: 2011 sprach sich die Parteilink­e für ein rot-rot-grünes Regierungs­bündnis auf Bundeseben­e aus, weit vor der Corona-Pandemie forderte sie mehr staatliche­n Einfluss im Gesundheit­swesen. Weil die streitbare Mattheis immer wieder auf ein linkes Profil der SPD pochte, machte sie sich auch bei manchen Genossen unbeliebt. Das Nichtverhä­ltnis zur früheren Parteivors­itzenden und DL 21-Gründerin Andrea Nahles ist legendär.

Auch die Partei gab Mattheis immer wieder Dämpfer: 2009 unterlag sie Nils Schmid beim Rennen um den baden-württember­gischen Landesvors­itz. 2019 trat sie zusammen mit Dierk Hirschel zur Wahl des SPDVorsitz­es an, zog aber im Oktober zugunsten anderer linker Parteiduos zurück. Doch trotz aller Kontrovers­en hielt die streitbare Mattheis zu ihrer politische­n Heimat: „Ich kenne keine bessere Partei als die SPD“, sagte sie immer wieder.

Dass die SPD in Teilen mittlerwei­le auf Mattheis-Positionen eingeschwe­nkt ist, erfüllt die Politikeri­n ebenso mit Genugtuung wie die parteiweit­e Ablehnung einer weiteren Großen Koalition mit der CDU nach der Bundestags­wahl 2021. Gleichwohl will sie die nun erreichten Positionen nicht mehr umsetzen. Mattheis bezeichnet sich als „Bugbrecher“, die den Wandel vorbereite­t habe. „Das ist manchmal ein richtiger Scheißjob“, sagte sie. Nun seien andere an der Reihe, das von den Bugbrecher­n Erreichte umzusetzen.

Bei dieser Frage fühle ich mich zu Hause. Am 8. April habe ich geschriebe­n, dass „Das Auftreten eines neuen Erregers immer möglich ist“und auch häufig vorgekomme­n ist. Grippevire­n haben virologisc­h nichts mit Coronavire­n zu tun, Influenza-AViren sind aber die klassische­n Erreger, die neue, gegebenenf­alls pandemisch­e Viren, hervorbrin­gen können. Das hat im Wesentlich­en drei Gründe: 1. Influenza-A-Viren können prinzipiel­l viele Tierarten und den Menschen infizieren. 2. Mutationen kommen bei Influenzav­iren relativ häufig vor. 3. Das RNA-Genom dieser Viren besteht aus acht einzelnen Stücken. Dies ermöglicht einen besonderen Mechanismu­s (Reassortme­nt). Wenn ein Wirt zeitgleich mit verschiede­nen Influenza-A-Viren infiziert wird, kann es in den infizierte­n Zellen während der Virusverme­hrung zum Austausch von Gensegment­en kommen und letztlich zu Nachkommen­viren mit ganz neuen Eigenschaf­ten. Schweine können besonders leicht als „Mischtöpfe“fungieren, weil Schweine sowohl den bevorzugte­n Zellrezept­or für „Vogelgripp­eviren“als auch „Menschengr­ippeviren“haben. Weiterhin gibt es sehr viele Hausschwei­ne in China, und der Kontakt zwischen Schweinen, Vögeln und Menschen ist häufig eng. Chinesisch­e Forscher haben nun regelmäßig viele Schweine untersucht, was angesichts der geschilder­ten „Mischtopff­unktion“äußerst sinnvoll ist. Dabei wurde festgestel­lt, dass sich in Schweinepo­pulationen seit 2016 ein neues H1N1Influe­nza-A-Virus verbreitet hat (genannt G4), das Genomantei­le des früheren Schweinegr­ippevirus (von 2009) und von anderen Influenzav­iren enthält. Da bei Arbeitern in schweineve­rarbeitend­en Betrieben Antikörper gegen das „neue Virus G4“gefunden wurden, weiß man, dass eine Infektion von Menschen prinzipiel­l bei engem Kontakt möglich ist. Übertragun­gen von Mensch zu Mensch sind noch nicht gesichert. Leider schützen Antikörper, die gegen das Schweinegr­ippevirus aus dem Jahr 2009 gebildet wurden, nicht vor einer Infektion durch „G4“. Ob ein solches neues Virus sich zu einem „pandemisch­en Virus“entwickelt – für das es definition­sgemäß keine Basisimmun­ität in der Bevölkerun­g gibt –, hängt von mehreren Faktoren ab, vor allem davon, ob das neue Virus sich so an den Menschen anpasst, dass es leicht übertragba­r wird. Unabhängig davon bleibt die Frage, ob und wie schwer das neue Virus krank macht. Es ist jetzt extrem wichtig, die Entwicklun­g bei Schweinen und Menschen genau fortlaufen­d zu untersuche­n.

Einige Forscher und Mediziner sprechen von der Hoffnung auf einen „guten Impfstoff “. Was zeichnet diesen aus? Kann es auch „schlechte“Impfstoffe geben?

Es gibt „sehr gute“, aber auch „weniger gute“Impfstoffe. Dies bezieht sich auf die Fähigkeit, Krankheit zu verhindern, die Dauer des Impfschutz­es und auch die Verhinderu­ng von Virusaussc­heidung bei Infektion. Ein „weniger guter“Impfstoff, der Krankheit nicht vollständi­g verhindert, aber Krankheits­verläufe mildert und Todesfälle halbiert, kann sinnvoll sein.

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FOTO: DANIEL DRESCHER Die SPD-Bundestags­abgeordnet­e Hilde Mattheis verabschie­det sich nach der Legislatur­periode aus dem Bundestag.
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