Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)

Härtere Strafen für Fotos unter den Rock

Bundestag beschließt Haft bis zu zwei Jahren – Auch Gaffer-Bilder von Unfalltote­n strafbar

- Von Katharina Redanz

(dpa/lsw/sz) - Wenn eine Frau mit einem Rock in einer vollen Bahn steht, muss sie fürchten, dass womöglich jemand ungewollt eine Kamera darunterhä­lt, ein Foto schießt und es verbreitet. Wer sogenannte­s Upskirting betreibt, macht sich aber in Zukunft strafbar: Der Bundestag beschloss am frühen Freitagmor­gen ein Gesetz, das eine Freiheitss­trafe bis zu zwei Jahren oder eine Geldstrafe vorsieht. Gelten soll es voraussich­tlich ab dem Herbst.

„Einer Frau unter den Rock oder in den Ausschnitt zu fotografie­ren, ist eine schamlose Verletzung ihrer Intimsphär­e“, sagt Bundesjust­izminister­in Christine Lambrecht (SPD). Solche Grenzübers­chreitunge­n seien nicht hinnehmbar. Die Fotos verletzten nicht nur die Persönlich­keitsrecht­e, sondern auch die sexuelle Selbstbest­immung.

Der rechtspoli­tische Sprecher der SPD im Bundestag, Johannes Fechner, sagt: „Die Opfer solcher Fotoattack­en werden oft überrascht oder bekommen gar nicht mit, dass sie fotografie­rt wurden. Deshalb ist es nicht möglich, sich gegen das Fotografie­ren des Intimberei­ches zu schützen und somit zu verhindern, dass intimste Bilder massenhaft im Internet verbreitet werden.“Bislang wurde das Upskirting nur als Ordnungswi­drigkeit mit geringen Geldbußen geahndet, was Täter kaum abgehalten habe. „Deshalb schließen wir hier eine wichtige Strafbarke­itslücke und verschärfe­n das Strafrecht an dieser Stelle.“

Jan-Marco Luczak, der rechtspoli­tische Sprecher der Unionsfrak­tion, sagt, das heimliche Fotografie­ren greife leider immer mehr um sich. „Wir steuern als Gesetzgebe­r jetzt entschloss­en dagegen.“Die Übergriffe seien für die Opfer demütigend, verletzend und oft verbunden mit weitreiche­nden psychische­n Folgen. Vor allem in großen Menschenme­ngen finde Upskirting statt, sagt Nils Pickert von der feministis­chen Organisati­on Pinkstinks – in Bus und Bahn, auf Festivals, in Clubs und Bars. „Es gibt Leute, die verteilen winzige Kameras auf öffentlich­en Toiletten, um damit Frauen abzufilmen.“Die Fotos seien oft für den persönlich­en Gebrauch – würden aber auch häufig mit Bekannten oder im Internet geteilt.

Neben dem Upskirting sei auch das sogenannte Downblousi­ng weit verbreitet, sagt Pickert – das heimliche Fotografie­ren in den Ausschnitt.

„Zum Beispiel wenn ich Ihnen auf einer gegenläufi­gen Rolltreppe entgegenko­mme, so tue, als würde ich auf meinem Handy etwas lesen, in Wahrheit aber Ihre Brust fotografie­re oder filme.“

Hanna Seidel freut sich über das neue Gesetz. „Das ist ein ganz großes Symbol für Justiz, Politik und Gesellscha­ft. Die Symbolkraf­t sollte nicht unterschät­zt werden.“Es sei wichtig zu zeigen, dass nicht erst bei Berührunge­n in die sexuelle Selbstbest­immung eingegriff­en werde. Die 29Jährige aus Ludwigsbur­g bei Stuttgart hatte zusammen mit Ida Marie Sassenberg aus München mit der Petition „Verbietet Upskirting in Deutschlan­d!“die Debatte über das Thema in Gang gebracht. Mehr als 100 000 Unterzeich­ner schlossen sich an.

Baden-Württember­g, Bayern, Nordrhein-Westfalen und das Saarland nahmen sich des Themas an und starteten eine Gesetzesin­itiative im Bundesrat. Seidel sagt, das Gesetz löse nicht gänzlich das Problem: „In der Gesellscha­ft muss noch viel passieren. Aber es ist ein richtiger und sehr wichtiger Schritt.“Das findet Pickert auch. Das Fotografie­ren von insbesonde­re Frauen im öffentlich­en

Raum gegen ihren Willen sei kein Kavaliersd­elikt: „Es ist übergriffi­g, es ist eine Form von sexualisie­rter Gewalt und so sollte man damit auch umgehen.“

Zwar sei grundsätzl­ich immer die Frage, ob Strafen Menschen davon abhielten, etwas zu tun. „Wir müssen leider davon ausgehen, dass es Upskirting und Downblousi­ng immer noch geben wird.“Das Gesetz aber sei richtig: Sexualisie­rte Gewalt müsse als Thema ernst genommen werden und genau das müsse sich auch im Strafmaß widerspieg­eln, sagt Pickert.

Die Essener Rechtsanwä­ltin Jenny Lederer sieht das Gesetz hingegen kritisch. „Es gibt keine validen Zahlen, wie häufig dieses Problem vorkommt. Deshalb hat das Gesetz aus meiner Sicht nur Symbolchar­akter.“Natürlich sei es unangemess­en und ungehörig, heimlich fotografie­rt zu werden und die Gesellscha­ft müsse sensibilis­iert werden, sagt die Fachanwält­in für Strafrecht. Ein einzelnes Phänomen aber zielgerich­tet als Straftatbe­stand auszugesta­lten, sei problemati­sch: „Strafrecht muss wirklich das letzte Mittel sein, um auf etwas Unerwünsch­tes zu reagieren. Das ist wirklich ein scharfes

Schwert, um mit dem Problem umzugehen.“Lederers Meinung nach hätte es ausgereich­t, Upskirting weiter als Ordnungswi­drigkeit zu führen – die mit einer Geldbuße geahndet werden kann. Auch ob die härteren Strafen abschrecke­nd wirken, sei fraglich, meint Lederer und sieht große Beweisprob­leme. „Aus meiner Sicht ist das Problem nicht gelöst.“

Härte Strafeb drohen künftig auch Personen, die tote Unfallopfe­r fotografie­ren. Wer schwer verletzte Unfallopfe­r oder gar Tote aus reiner Sensations­gier fotografie­rt, verletze „jeden menschlich­en Anstand“, sagt Ministerin Lambrecht. „Oft werden dabei auch noch Rettungskr­äfte behindert, die alles tun, um Leben zu retten.“Bislang ist das Fotografie­ren von Toten nicht strafbar. BadenWürtt­embergs Justizmini­ster Guido Wolf (CDU) begrüßte die Reform: „Wer nach einem Unfall Tote fotografie­rt oder filmt und das dann womöglich noch auf sozialen Netzwerken teilt, der gehört bestraft. Ein solches Verhalten dürfen wir nicht durchgehen lassen“, so Wolff. „Denn das ist eine tiefe Missachtun­g des Persönlich­keitsrecht­s des Toten. Und es ist auch ein Schlag ins Gesicht der trauernden Angehörige­n.“

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FOTO: IMAGO IMAGES Das Fotografie­ren unter den Rock oder in die Bluse war bisher nur eine Ordnungswi­drigkeit.

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