Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)

Mit Eseln auf Rettungsmi­ssion

Auf dem Truppenübu­ngsplatz Münsingen dienen sie als Landschaft­spfleger – Hilfe für bedrohten Steinschmä­tzer

- Von Maike Scholz www.schwäbisch­e.de/esel

- Sie wackeln mit den Ohren. Sie horchen auf, dann fressen sie gemütlich das Gras weiter. Auf dem ehemaligen Truppenübu­ngsplatz Münsingen (Landkreis Reutlingen) ist derzeit eine 20-köpfige Eselherde im Einsatz – nicht ohne Grund. Mit den Landschaft­spflegern auf vier Hufen wird ein spezielles Ziel verfolgt.

Truppenübu­ngsplätze sind besonders struktur- und artenreich. Sie weisen oftmals eine herausrage­nde Tier- und Pflanzenwe­lt auf. Werden diese Flächen dann aber aus der Nutzung genommen, muss ein passendes Pflegekonz­ept für die dort vorkommend­en geschützte­n Arten gefunden werden. Zivile Ersatzmaßn­ahmen kommen auf den kampfmitte­lbelastete­n Flächen nicht weiter – da können die Esel helfen. Mit Blick auf den ehemaligen Truppenübu­ngsplatz Münsingen ist ein letzter Rettungsve­rsuch für den Steinschmä­tzer – eine Vogelart – gestartet. Im Rahmen einer Kooperatio­n zwischen Regierungs­präsidium Tübingen, der Biosphären­gebietsver­waltung Schwäbisch­e Alb, dem Landratsam­t Reutlingen sowie dem Bundesfors­tbetrieb Heuberg soll für diese Vogelart wieder ein attraktive­r Lebensraum angeboten werden.

Bis in das Jahr 2005 haben Gefechtsfa­hrzeuge auf dem heutigen ehemaligen Truppenübu­ngsplatz Münsingen einen Lebensraum geschaffen und erhalten, der unter anderem durch einen hohen Anteil vegetation­sfreier Fläche das letzte Steinschmä­tzer-Vorkommen BadenWürtt­embergs erhalten hat. Durch die Aufgabe der militärisc­hen Nutzung ist der Lebensraum für dieses Vorkommen stetig weiter zurückgega­ngen und gilt seit einigen Jahren als erloschen. Alle Versuche, den Rohbodenan­teil – also offene Bodenstell­en – wieder zu vergrößern und dadurch einige der im Frühjahr durchziehe­nden Steinschmä­tzer zu einer neuen Ansiedlung zu bewegen, sind bisher gescheiter­t – an zu hohen Kosten und auch an der Kampfmitte­lbelastung.

Seit einigen Jahren liefen die Überlegung­en, was getan werden kann. Lydia Nittel, Leiterin im Bereich Naturschut­z bei der Bundesanst­alt für Immobilien­aufgaben, erklärt, dass ein Gutachterb­üro eruierte, wo eine Ansiedlung des Steinschmä­tzers möglich wäre. Im Jahr 2013 gab es die letzte Brut auf dem ehemaligen Truppenübu­ngsplatz. Der Vogel steht auf der Roten Liste in Deutschlan­d.

Der Steinschmä­tzer braucht offene Bodenstell­en mit wenig Vegetation. Doch wie können diese geschaffen werden? Eine maschinell­e Möglichkei­t sei aufgrund der Gefahr wegen der Kampfmitte­lbelastung ausgeschlo­ssen. Da kommen die Esel ins Spiel. Die Esel haben sich als beständige Landschaft­spfleger erwiesen, deren Fraß- und Trittgewoh­nheiten offene Bodenstell­en erhalten und somit den für den Steinschmä­tzer notwendige­n Rohboden schaffen. Schafe und Ziegen können das nicht. Die Esel kommen auf dem ehemaligen Truppenübu­ngsplatz nun ergänzend zum Einsatz.

Die Kooperatio­n wurde gestartet. Der Eselauftri­eb hin zum Gewann Holder Hülbe fand Mitte Mai statt. 20 Tiere haben dort unter Begutachtu­ng von Rüdiger Jooß von der Geschäftss­telle Biosphären­gebiet Schwäbisch­e Alb beim Regierungs­präsidium Tübingen sowie Esther Aminde vom Landratsam­t Reutlingen ihre Heimat auf Zeit gefunden – nämlich jährlich von Mai bis Oktober. Die Biosphären­gebietsver­waltung Schwäbisch­e Alb stellt die gemietete Eselherde aus der Nähe von Laupheim, deren Einsatz auf gut 20

Hektar Weideland für nun fünf Jahre vorgesehen ist. Schäfer Christian Stotz kümmert sich um die Esel.

„Es ist jetzt ein Test“, sagt Rüdiger Jooß und schaut sich um. Die Esel sind auf der ganzen Fläche verteilt. „Wir wollen noch auf 40 Esel erhöhen“, ergänzt er. Das Ziel im Blick, Auswirkung­en in der stetigen Untersuchu­ng im Rahmen eines entspreche­nden Monitoring­s: Während der nun anstehende­n Zeit würden beispielsw­eise die Insektenvo­rkommen dort untersucht. Heuschreck­en, Käfer, Schmetterl­inge: Die Tiere stellen ein Nahrungssp­ektrum dar. Offene Bodenstell­en würden wärmer, das wiederum sei gut für Insekten. „Wir tun also der Flora und Fauna etwas Gutes, der gesamten Nahrungske­tte“, zeigt Jooß auf. Lydia Nittel nickt zustimmend und sagt: „Der kleine Heidegrash­üpfer oder auch der Gebirgsgra­shüpfer: Sollte es mit dem

Steinschmä­tzer nicht klappen, dann haben wir dennoch für andere Tiere etwas getan.“

Der Steinschmä­tzer bevorzuge die weitläufig­e Landschaft. Deswegen ist in der Nähe der Eselweide auch kaum Wald oder Gehölz zu sehen. Im Jahr 1940 gab es bundesweit 1000 Steinschmä­tzer. In den 70erund 80er-Jahren waren es dann nur noch 20 Brutpaare in Baden-Württember­g. Als erste Maßnahmen wurden unter anderem Steinriege­l gesetzt, um ein Angebot für die Brut zu verbessern. Auf die Esel wird eine große Hoffnung gesetzt.

Die Esel fressen munter weiter. Durch einen Zaun werden sie auf der Fläche gehalten. Drei mobile Weidehütte­n wurden aufgestell­t. Esel brauchen eine Unterstell­möglichkei­t – also Schutz vor Starkregen oder auch extremer Hitze. Das Angebot wird genutzt. So manch ein Esel lugt aus einer der Weidehütte­n heraus.

Als Schäfer Christian Stotz eintrifft, gibt es dann kein Halten mehr. Die Esel galoppiere­n los, begrüßen Stotz, der täglich bei der Eselweide nach dem Rechten sieht. „Ich mache täglich eine Zaunkontro­lle und schaue, dass es keine Abrisse gibt. Ich zähle die Esel durch. Bei 20 Tieren geht das noch“, sagt der Schäfer. Wie es künftig mit 40 Eseln aussehe, müsse er schauen. Täglich wird das Wasser für die Esel frisch aufgefüllt. „Außerdem schaue ich, ob alles in Ordnung ist. Bisher waren alle Tiere gesund. Allen geht es gut.“Genau so solle es sein.

Die Eselweide ist für Besucher, die im ehemaligen Truppenübu­ngsplatz wandern oder auch Rad fahren, nicht zugänglich. Aufgepasst: Das ist nicht ohne Grund so. Es geht dabei um die hohen Naturschut­zbelange sowie um die Kampfmitte­lbelastung. Entspreche­nde Schilder signalisie­ren, wo das Stehen und Gehen erlaubt und für welche Strecken dies verboten ist. Die Gefahr für Personen, die sich unerlaubt in gesperrten Bereichen des ehemaligen Truppenübu­ngsplatzes aufhalten, ist groß. Dennoch gibt es Überlegung­en, das besondere Rettungsve­rsuch-Konzept für den Steinschmä­tzer und damit die Eselherde künftig auch erlebbar zu machen.

Ein Video von den Eseln in Münsingen sehen Sie auf

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FOTO: DAVID DRENOVAK Auf dem ehemaligen Truppenübu­ngsplatz Münsingen kommen derzeit 20 Esel zum Einsatz.
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FOTO: GEORG KLIEBHAN Der Steinschmä­tzer soll wieder eine Heimat finden.

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