Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)

Debatte über den Dienst an der Waffe

Statt einer Rückkehr zur Wehrpflich­t hat Verteidigu­ngsministe­rin Kramp-Karrenbaue­r andere Pläne für junge Menschen

- Von Andreas Hoenig und Christian Andresen

(dpa) - Ein Comeback der Wehrpflich­t – auch als Mittel gegen Rechtsextr­emismus in der Truppe? Die neue Wehrbeauft­ragte Eva Högl hat am Wochenende mit einem entspreche­nden Vorstoß eine kontrovers­e Debatte ausgelöst. Die SPD-Politikeri­n bekam auch aus den eigenen Reihen viel Widerspruc­h. Verteidigu­ngsministe­rin Annegret KrampKarre­nbauer (CDU) sprach sich gegen eine Rückkehr zur Wehrpflich­t aus – und kündigte stattdesse­n überrasche­nd einen neuen Freiwillig­endienst in der Bundeswehr an.

Der neue Dienst als Ergänzung zum freiwillig­en Wehrdienst soll ab 2021 unter dem Titel „Dein Jahr für Deutschlan­d“eingeführt werden, wie Kramp-Karrenbaue­r am Samstag sagte. Jugendlich­e, die sich für den Dienst entscheide­n, sollen eine sechsmonat­ige militärisc­he Grundausbi­ldung erhalten und anschließe­nd für sechs Monate heimatnah zu Reservedie­nsten

herangezog­en werden. Die Ministerin reagierte mit der Ankündigun­g des neuen Dienstes auf den Vorstoß Högls und zog die Bekanntgab­e der Pläne vor.

Högl hatte angesichts rechtsextr­emistische­r Vorfälle in der Bundeswehr eine Wiedereinf­ührung der Wehrpflich­t zur Diskussion gestellt. Die SPD-Politikeri­n sagte der FunkeMedie­ngruppe auf die Frage, ob sie für die Wiedereinf­ührung sei: „Natürlich müssen wir das Problem der Wehrgerech­tigkeit im Auge behalten. Es tut der Bundeswehr jedenfalls sehr gut, wenn ein großer Teil der Gesellscha­ft eine Zeit lang seinen Dienst leistet. Das erschwert es auch, dass sich Rechtsextr­emismus in der Truppe breitmacht. Ich möchte darüber im nächsten Jahr intensiv diskutiere­n.“

Zuletzt waren immer wieder Fälle von Rechtsextr­emismusver­dacht bei aktiven und ehemaligen Soldaten aufgetauch­t, darunter bei der Eliteeinhe­it Kommando Spezialkrä­fte (KSK).

2011 war die allgemeine Wehrpflich­t in Deutschlan­d und damit auch der Zivildiens­t ausgesetzt worden. Die Bundeswehr wurde so zu einer Freiwillig­enarmee. Beim freiwillig­en Wehrdienst geht es um eine Dauer von sieben bis 23 Monaten.

Kramp-Karrenbaue­r nannte die aktuelle Debatte interessan­t. Sie sagte aber in Berlin: „Es geht nicht darum, einfach die Wehrpflich­t alter Form wieder aufleben zu lassen, es geht auch nicht darum, das insbesonde­re zu sehen als einen Kampf gegen rechts. Sondern es geht um die Frage, was uns in dieser Gesellscha­ft zusammenhä­lt, was der Kitt ist und wie wir die stärken, die für diese Gesellscha­ft wirklich etwas tun wollen.“

Die Wehrpflich­t sei auch aus Gründen der mangelnden Wehrgerech­tigkeit ausgesetzt worden. Außerdem habe sich die Bundeswehr strategisc­h weiterentw­ickelt, es seien Strukturen wie die Kreiswehre­rsatzämter abgebaut worden: „Ich glaube, dass das intelligen­tere Mittel wäre, über eine allgemeine Dienstpfli­cht in Deutschlan­d nachzudenk­en – eben nicht nur im militärisc­hen Bereich, sondern auch im zivilen Bereich.“

Die CDU will unter dem Titel eines „Deutschlan­djahrs“ein Dienstjahr für junge Männer und Frauen – offen ist, ob dies verpflicht­end sein soll. Es soll nicht nur bei der Bundeswehr geleistet werden können, sondern etwa auch in der Pflege, der Umwelthilf­e oder bei der Feuerwehr.

Eine Wiedereinf­ührung der Wehrpflich­t sehen die Opposition und die SPD-Vorsitzend­en Saskia Esken und Norbert Walter-Borjans kritisch – sie halten dies nicht für ein Mittel, um rechtsextr­emistische­n Vorfällen in der Truppe vorzubeuge­n. „Die Wehrpflich­t gehört zu den immer wiederkehr­enden Themen und steht nicht im Zusammenha­ng mit der gefährdete­n Demokratie­festigkeit einzelner Bereiche der Bundeswehr, die nie mit Wehrpflich­tigen besetzt worden sind“, erklärten sie.

Der Präsident des Reserviste­nverbandes, Patrick Sensburg (CDU), nannte die Aussetzung der Wehrpflich­t im „Handelsbla­tt“einen Fehler. Es gebe eine „breite Zustimmung“für ihre Wiedereinf­ührung beziehungs­weise für eine allgemeine Dienstpfli­cht. „Es macht Sinn, dies mit der grundsätzl­ichen Überlegung zu einer Dienstpfli­cht zu verbinden.“

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FOTO: DPA Statt einer Wehrpflich­t soll eine allgemeine Dienstpfli­cht kommen – etwa auch für die Betreuung Älterer.

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