Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)
Eine bedrückende Feier
US-Präsident Donald Trump spielt die Corona-Neuinfektionen herunter und spaltet das zerrissene Land weiter
- Donald Trump spaltet mit düsteren Reden zum Unabhängigkeitstag die Gesellschaft. Nicht das Erbe des Rassismus und eine außer Kontrolle geratene Pandemie seien das Problem, sondern gestürzte Denkmäler. Einige Republikaner gehen auf Distanz.
Als die letzten Worte der Rede des Präsidenten zum Nationalfeiertag verklungen, die Parade an Militärflugzeugen über dem Lincoln Memorial verschwunden und das letzte Feuerwerk abgebrannt waren, stand dichter Pulverdampf in der schwülheißen Sommerluft über Washington. Unweit der National Mall marschierten Demonstranten der „BlackLives-Matter“-Bewegung durch die Straße und skandierten den Namen George Floyds, der unter dem Knie eines weißen Polizisten ums Leben gekommen war.
Eine unwirkliche, bedrückende Atmosphäre, die in Kontrast zu der üblichen Leichtigkeit des Gedenktags an die Unabhängigkeit von Großbritannien vor 244 Jahren stand. Den düsteren Ton des „Gruß an Amerika“hatte Trump bereits am Vortag bei einer Veranstaltung in Mount Rushmore gesetzt. Auf dem Südrasen des Weißen Hauses wiederholte er am Unabhängigkeitstag große Passagen seiner Ansprache von South Dakota. Statt die Nation inmitten einer außer Kontrolle geratenen Pandemie zusammenzubringen, erklärte Trump andersdenkende Amerikaner zu Feinden.
„Wir sind in dem Prozess, die radikale Linke zu schlagen, die Marxisten, die Anarchisten, die Agitatoren, die Plünderer und Leute, die in vielen Fällen keine Ahnung haben, was sie tun“, erklärte der Präsident, der den Beginn „unserer Art zu leben“auf die Ankunft des Italieners Christopher Columbus im Jahr 1492 terminierte.
„Wir werden es dem wütenden Mob niemals erlauben, unsere Statuen niederzureißen, unsere Geschichte auszulöschen, unsere Kinder zu indoktrinieren oder auf unseren Freiheiten herumzutrampeln.“Trump rückte seinen Herausforderer Joe Biden, der in Umfragen deutlich vorn liegt, in die Nähe von „linken Faschisten“. Keine Person, die bei der Zerstörung dieses Erbes schweige, „kann uns in eine bessere Zukunft führen“. Von Zukunft war allerdings auch nicht viel in Trumps Ausführungen zu hören. Auch nichts von der Gegenwart, die durch immer neue Rekorde von täglich über 50 000 Neuerkrankungen an Covid-19 geprägt wird. Nach Angaben der Johns-HopkinsUniversität verzeichnete der Bundesstaat Florida allein fast 11 500 Infektionen an einem Tag.
37 von 50 Bundesstaaten verzeichnen steigende Fallzahlen. In Georgia, Kansas, Montana, Michigan, Missouri, Mississippi, Ohio, South Carolina und Tennessee verdoppelten sich die Neuerkrankungen in den vergangenen beiden Wochen, in Nevada verdreifachten sie sich und in Idaho nahmen sie sogar um den Faktor fünf zu. In Texas vollzog der republikanische Gouverneur Greg Abbott eine Rolle rückwärts und ordnete das Tragen von Schutzmasken für alle Bezirke mit 20 oder mehr Corona-Fällen an.
Weder der Präsident noch seine Anhänger befolgten auf dem Südrasen vor dem Weißen Haus oder in Mount Rushmore den Rat der eigenen Gesundheitsbehörde CDC und trugen eine Schutzmaske. Stattdessen
behauptete Trump, „99 Prozent“der Covid-19-Fälle seien komplett harmlos“. Die hohe Zahl der Neuerkrankungen erklärte er mit der großen Zahl an Tests. „Unsere Strategie kommt gut voran.“Nichts von dem hat nach übereinstimmenden Aussagen
von Experten etwas mit der Realität zu tun. So stiegen nicht nur die Zahl der Tests, sondern auch die der positiven Ergebnisse überproportional an. Die Lebensgefährtin seines ältesten Sohns Donald junior, Kimberley Guilfoyle, steckte sich vor dem
Unabhängigkeitstag mit dem Erreger an und befindet sich nun in Quarantäne. Trump verkündet ungerührt, er denke „irgendwann wird es irgendwie einfach verschwinden“.
Der ehemalige Redenschreiber George W. Bushs, Peter Wehner, beobachtet, dass Trump angesichts fallender Umfragewerte seine Botschaft zunehmend auf den harten Kern seiner Basis ausrichte. Um diese zu motivieren, „muss er immer extremere Dinge sagen“. Der republikanische Meinungsforscher Whit Ayres hält das für eine fragwürdige Strategie. „Das Problem besteht darin, dass diese Basis nicht breit genug ist zu gewinnen.“Es werde diesmal nicht reichen, Leute mit dem Schutz von Denkmälern oder einem Kulturkrieg um das Tragen von Masken zu motivieren.
Das sieht auch der konservative Stratege Scott Reed, der republikanische Senatskandidaten berät. Diese versuchten, nicht in den Abwärtsstrudel Trumps zu geraten. „Sie gehen so weit wie möglich auf Distanz“.