Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)

Eine bedrückend­e Feier

US-Präsident Donald Trump spielt die Corona-Neuinfekti­onen herunter und spaltet das zerrissene Land weiter

- Von Thomas Spang

- Donald Trump spaltet mit düsteren Reden zum Unabhängig­keitstag die Gesellscha­ft. Nicht das Erbe des Rassismus und eine außer Kontrolle geratene Pandemie seien das Problem, sondern gestürzte Denkmäler. Einige Republikan­er gehen auf Distanz.

Als die letzten Worte der Rede des Präsidente­n zum Nationalfe­iertag verklungen, die Parade an Militärflu­gzeugen über dem Lincoln Memorial verschwund­en und das letzte Feuerwerk abgebrannt waren, stand dichter Pulverdamp­f in der schwülheiß­en Sommerluft über Washington. Unweit der National Mall marschiert­en Demonstran­ten der „BlackLives-Matter“-Bewegung durch die Straße und skandierte­n den Namen George Floyds, der unter dem Knie eines weißen Polizisten ums Leben gekommen war.

Eine unwirklich­e, bedrückend­e Atmosphäre, die in Kontrast zu der üblichen Leichtigke­it des Gedenktags an die Unabhängig­keit von Großbritan­nien vor 244 Jahren stand. Den düsteren Ton des „Gruß an Amerika“hatte Trump bereits am Vortag bei einer Veranstalt­ung in Mount Rushmore gesetzt. Auf dem Südrasen des Weißen Hauses wiederholt­e er am Unabhängig­keitstag große Passagen seiner Ansprache von South Dakota. Statt die Nation inmitten einer außer Kontrolle geratenen Pandemie zusammenzu­bringen, erklärte Trump andersdenk­ende Amerikaner zu Feinden.

„Wir sind in dem Prozess, die radikale Linke zu schlagen, die Marxisten, die Anarchiste­n, die Agitatoren, die Plünderer und Leute, die in vielen Fällen keine Ahnung haben, was sie tun“, erklärte der Präsident, der den Beginn „unserer Art zu leben“auf die Ankunft des Italieners Christophe­r Columbus im Jahr 1492 terminiert­e.

„Wir werden es dem wütenden Mob niemals erlauben, unsere Statuen niederzure­ißen, unsere Geschichte auszulösch­en, unsere Kinder zu indoktrini­eren oder auf unseren Freiheiten herumzutra­mpeln.“Trump rückte seinen Herausford­erer Joe Biden, der in Umfragen deutlich vorn liegt, in die Nähe von „linken Faschisten“. Keine Person, die bei der Zerstörung dieses Erbes schweige, „kann uns in eine bessere Zukunft führen“. Von Zukunft war allerdings auch nicht viel in Trumps Ausführung­en zu hören. Auch nichts von der Gegenwart, die durch immer neue Rekorde von täglich über 50 000 Neuerkrank­ungen an Covid-19 geprägt wird. Nach Angaben der Johns-HopkinsUni­versität verzeichne­te der Bundesstaa­t Florida allein fast 11 500 Infektione­n an einem Tag.

37 von 50 Bundesstaa­ten verzeichne­n steigende Fallzahlen. In Georgia, Kansas, Montana, Michigan, Missouri, Mississipp­i, Ohio, South Carolina und Tennessee verdoppelt­en sich die Neuerkrank­ungen in den vergangene­n beiden Wochen, in Nevada verdreifac­hten sie sich und in Idaho nahmen sie sogar um den Faktor fünf zu. In Texas vollzog der republikan­ische Gouverneur Greg Abbott eine Rolle rückwärts und ordnete das Tragen von Schutzmask­en für alle Bezirke mit 20 oder mehr Corona-Fällen an.

Weder der Präsident noch seine Anhänger befolgten auf dem Südrasen vor dem Weißen Haus oder in Mount Rushmore den Rat der eigenen Gesundheit­sbehörde CDC und trugen eine Schutzmask­e. Stattdesse­n

behauptete Trump, „99 Prozent“der Covid-19-Fälle seien komplett harmlos“. Die hohe Zahl der Neuerkrank­ungen erklärte er mit der großen Zahl an Tests. „Unsere Strategie kommt gut voran.“Nichts von dem hat nach übereinsti­mmenden Aussagen

von Experten etwas mit der Realität zu tun. So stiegen nicht nur die Zahl der Tests, sondern auch die der positiven Ergebnisse überpropor­tional an. Die Lebensgefä­hrtin seines ältesten Sohns Donald junior, Kimberley Guilfoyle, steckte sich vor dem

Unabhängig­keitstag mit dem Erreger an und befindet sich nun in Quarantäne. Trump verkündet ungerührt, er denke „irgendwann wird es irgendwie einfach verschwind­en“.

Der ehemalige Redenschre­iber George W. Bushs, Peter Wehner, beobachtet, dass Trump angesichts fallender Umfragewer­te seine Botschaft zunehmend auf den harten Kern seiner Basis ausrichte. Um diese zu motivieren, „muss er immer extremere Dinge sagen“. Der republikan­ische Meinungsfo­rscher Whit Ayres hält das für eine fragwürdig­e Strategie. „Das Problem besteht darin, dass diese Basis nicht breit genug ist zu gewinnen.“Es werde diesmal nicht reichen, Leute mit dem Schutz von Denkmälern oder einem Kulturkrie­g um das Tragen von Masken zu motivieren.

Das sieht auch der konservati­ve Stratege Scott Reed, der republikan­ische Senatskand­idaten berät. Diese versuchten, nicht in den Abwärtsstr­udel Trumps zu geraten. „Sie gehen so weit wie möglich auf Distanz“.

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Sein Superfan.

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