Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)
Die Problem-Prinzen der Windsors
In den Plänen des Thronfolgers Charles für eine schlankere Monarchie ist für Andrew und Harry kein Platz mehr
- Im Buckingham-Palast war die Lektüre der Wochenendzeitungen kein Vergnügen, und die Schlagzeilen der kommenden Tage versprechen kaum Besserung: Wieder einmal beschäftigt das Privatleben zweier Prinzen die Justiz und sorgt für Kopfzerbrechen im britischen Königshaus. Von Prinz Andrew erhoffen sich US-Strafverfolger endlich persönliche Aussagen über seine frühere Freundschaft zu dem verurteilten Sexualverbrecher Jeffrey Epstein; hingegen nutzen Prinz Harry und seine Gattin Meghan Markle einen Zivilprozess zu Beschuldigungen gegen die Medien und indirekt gegen den Palast. Beide Entwicklungen beschleunigen den Prozess hin zu einer schlankeren Windsor-Monarchie, in der den prominenten Prinzen höchstens noch periphere Rollen zufallen.
Der 60-Jährige Andrew hatte sich bereits im vergangenen Jahr aus der Öffentlichkeit zurückgezogen, nachdem alle Erklärungen über sein Verhältnis zu dem US-Millionär Epstein auf ungläubiges Hohngelächter gestoßen waren. Durch die Verhaftung seiner langjährigen Freundin Ghislaine
Maxwell, 58, vergangene Woche, die „Schwäbische Zeitung“berichtete, haben all jene Opfer des verstorbenen Straftäters Rückenwind erhalten, die vom britischen Prinzen zusätzliche Aufklärung erhoffen. Wie Epstein wirft die New Yorker Staatsanwaltschaft auch Maxwell die systematische Abrichtung junger Mädchen und Frauen und „Verführung Minderjähriger“sowie Meineid vor. Die Anklagepunkte beziehen sich auf die Jahre 1994 bis 1997.
Der Prinz hat seine häufigen Kontakte mit Epstein um die Jahrtausendwende stets damit zu erklären versucht, er sei eigentlich mit Maxwell befreundet gewesen – und zwar so eng, dass sie 2002 eine Privatführung im Buckingham-Palast erhielt und dabei im Krönungssaal auf dem Platz Ihrer Majestät Platz nahm. Das jetzt aufgetauchte Beweisfoto trug nicht gerade zum Frohsinn der Königsfamilie bei. Sollte Maxwell zu ihrem Verhältnis mit Epstein Fragen zu beantworten haben, hat Andrew der BBC gesagt, „ist das ihr Problem, fürchte ich“.
Der Herzog von York müsse sich endlich persönlich den Fragen der US-Staatsanwälte stellen, forderte am Wochenende die konservative
„Times“, verbunden mit dem Ratschlag an Thronfolger Charles, dieser solle auf seinen jüngeren Bruder entsprechenden Druck ausüben.
Leichter gesagt als getan, mag sich der 71-Jährige denken, dem zusätzlich noch sein jüngerer Sohn und dessen Gattin zu schaffen machen. Vor dem High Court haben der Herzog von Sussex, 35, und Meghan, 38, die Boulevardblätter „Daily Mail“und „Mail on Sunday“verklagt, weil diese aus einem Brief der Herzogin an ihren Vater Thomas Markle zitiert hatten. In Gerichtsakten tauchte nun eine Stellungnahme der Herzogin auf: Das Königshaus habe sie „ungeschützt“gelassen und auf die Veröffentlichung Hunderttausender sachlich falscher Artikel nicht angemessen reagiert. Ähnliche Vorwürfe enthält eine kürzlich erschienene Biographie des glamourösen Paares, dessen Hochzeit auf Schloss Windsor vor gut zwei Jahren mit großen Modernisierungshoffnungen der Monarchie verbunden war. Meghans „Westküsten-Energie“, die sich unter anderem in Kurzmitteilungen an die Dienerschaft um 5 Uhr morgens ausdrückte, habe sie dem Königshaus entfremdet.
Souveränes Umgehen mit den Medien könnte die Westküsten-Herzogin von ihrer Schwägerin Kate lernen. Deren scheinbar spontane Schnappschüsse herziger Familienszenen haben „die Nachfrage nach Paparazzi-Shots restlos zerstört“, analysiert royal watcher Camilla Tominey vom königstreuen „Telegraph“. Zuletzt veröffentlichte die Herzogin von Cambridge, 38, ein Foto ihres breit lachenden Mannes Prinz William, dem der ebenso vergnügte Prinz Charles vertrauensvoll den Kopf auf die Schulter legt. Ein liebevolles Vater-Sohn-Porträt, gleichzeitig ein hochpolitisches Signal an all jene, die noch immer von Charles‘ Thronverzicht zugunsten seines Erstgeborenen faseln. Im Corona-Lockdown hat sich eine Aufgabenteilung
zwischen den drei wichtigsten Figuren der Monarchie herausgeschält. Während William, die royalen Besuche übernimmt – zuletzt erkundigte er sich vor Ort in Oxford nach dem Fortkommen der Covid19-Impfstoffforscher – bleibt Charles mit Grußworten und Medieninterviews in der Öffentlichkeit präsent. Und quasi als Aufsichtsratschefin agiert, zunehmend entrückt, die mittlerweile 94-jährige Königin. Im 69. Jahr ihrer Regentschaft bleibt die rüstige Dame das hochrespektierte Symbol der ungeschriebenen britischen Verfassung, die gerade von Boris Johnsons stümperhafter Berserkerregierung umgekrempelt wird.
Demnächst wollen die Monarchin und ihr Prinzgemahl Philip, 99, den Lockdown auf Schloss Windsor verlassen und zum Sommerurlaub ins schottische Balmoral fliegen. Ob dort wie jedes Jahr Kinder, Enkel und Urenkel auf Besuch kommen, auch die Prinzen Andrew und Harry, die derzeit nur für Negativ-Schlagzeilen sorgen? In jedem Fall steht fest: In Charles‘ Vorstellung der verschlankten Windsor-Monarchie kommen die schwarzen Schafe der Familie nicht mehr vor.