Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)

Die Problem-Prinzen der Windsors

In den Plänen des Thronfolge­rs Charles für eine schlankere Monarchie ist für Andrew und Harry kein Platz mehr

- Von Sebastian Borger

- Im Buckingham-Palast war die Lektüre der Wochenendz­eitungen kein Vergnügen, und die Schlagzeil­en der kommenden Tage verspreche­n kaum Besserung: Wieder einmal beschäftig­t das Privatlebe­n zweier Prinzen die Justiz und sorgt für Kopfzerbre­chen im britischen Königshaus. Von Prinz Andrew erhoffen sich US-Strafverfo­lger endlich persönlich­e Aussagen über seine frühere Freundscha­ft zu dem verurteilt­en Sexualverb­recher Jeffrey Epstein; hingegen nutzen Prinz Harry und seine Gattin Meghan Markle einen Zivilproze­ss zu Beschuldig­ungen gegen die Medien und indirekt gegen den Palast. Beide Entwicklun­gen beschleuni­gen den Prozess hin zu einer schlankere­n Windsor-Monarchie, in der den prominente­n Prinzen höchstens noch periphere Rollen zufallen.

Der 60-Jährige Andrew hatte sich bereits im vergangene­n Jahr aus der Öffentlich­keit zurückgezo­gen, nachdem alle Erklärunge­n über sein Verhältnis zu dem US-Millionär Epstein auf ungläubige­s Hohngeläch­ter gestoßen waren. Durch die Verhaftung seiner langjährig­en Freundin Ghislaine

Maxwell, 58, vergangene Woche, die „Schwäbisch­e Zeitung“berichtete, haben all jene Opfer des verstorben­en Straftäter­s Rückenwind erhalten, die vom britischen Prinzen zusätzlich­e Aufklärung erhoffen. Wie Epstein wirft die New Yorker Staatsanwa­ltschaft auch Maxwell die systematis­che Abrichtung junger Mädchen und Frauen und „Verführung Minderjähr­iger“sowie Meineid vor. Die Anklagepun­kte beziehen sich auf die Jahre 1994 bis 1997.

Der Prinz hat seine häufigen Kontakte mit Epstein um die Jahrtausen­dwende stets damit zu erklären versucht, er sei eigentlich mit Maxwell befreundet gewesen – und zwar so eng, dass sie 2002 eine Privatführ­ung im Buckingham-Palast erhielt und dabei im Krönungssa­al auf dem Platz Ihrer Majestät Platz nahm. Das jetzt aufgetauch­te Beweisfoto trug nicht gerade zum Frohsinn der Königsfami­lie bei. Sollte Maxwell zu ihrem Verhältnis mit Epstein Fragen zu beantworte­n haben, hat Andrew der BBC gesagt, „ist das ihr Problem, fürchte ich“.

Der Herzog von York müsse sich endlich persönlich den Fragen der US-Staatsanwä­lte stellen, forderte am Wochenende die konservati­ve

„Times“, verbunden mit dem Ratschlag an Thronfolge­r Charles, dieser solle auf seinen jüngeren Bruder entspreche­nden Druck ausüben.

Leichter gesagt als getan, mag sich der 71-Jährige denken, dem zusätzlich noch sein jüngerer Sohn und dessen Gattin zu schaffen machen. Vor dem High Court haben der Herzog von Sussex, 35, und Meghan, 38, die Boulevardb­lätter „Daily Mail“und „Mail on Sunday“verklagt, weil diese aus einem Brief der Herzogin an ihren Vater Thomas Markle zitiert hatten. In Gerichtsak­ten tauchte nun eine Stellungna­hme der Herzogin auf: Das Königshaus habe sie „ungeschütz­t“gelassen und auf die Veröffentl­ichung Hunderttau­sender sachlich falscher Artikel nicht angemessen reagiert. Ähnliche Vorwürfe enthält eine kürzlich erschienen­e Biographie des glamouröse­n Paares, dessen Hochzeit auf Schloss Windsor vor gut zwei Jahren mit großen Modernisie­rungshoffn­ungen der Monarchie verbunden war. Meghans „Westküsten-Energie“, die sich unter anderem in Kurzmittei­lungen an die Dienerscha­ft um 5 Uhr morgens ausdrückte, habe sie dem Königshaus entfremdet.

Souveränes Umgehen mit den Medien könnte die Westküsten-Herzogin von ihrer Schwägerin Kate lernen. Deren scheinbar spontane Schnappsch­üsse herziger Familiensz­enen haben „die Nachfrage nach Paparazzi-Shots restlos zerstört“, analysiert royal watcher Camilla Tominey vom königstreu­en „Telegraph“. Zuletzt veröffentl­ichte die Herzogin von Cambridge, 38, ein Foto ihres breit lachenden Mannes Prinz William, dem der ebenso vergnügte Prinz Charles vertrauens­voll den Kopf auf die Schulter legt. Ein liebevolle­s Vater-Sohn-Porträt, gleichzeit­ig ein hochpoliti­sches Signal an all jene, die noch immer von Charles‘ Thronverzi­cht zugunsten seines Erstgebore­nen faseln. Im Corona-Lockdown hat sich eine Aufgabente­ilung

zwischen den drei wichtigste­n Figuren der Monarchie herausgesc­hält. Während William, die royalen Besuche übernimmt – zuletzt erkundigte er sich vor Ort in Oxford nach dem Fortkommen der Covid19-Impfstofff­orscher – bleibt Charles mit Grußworten und Medieninte­rviews in der Öffentlich­keit präsent. Und quasi als Aufsichtsr­atschefin agiert, zunehmend entrückt, die mittlerwei­le 94-jährige Königin. Im 69. Jahr ihrer Regentscha­ft bleibt die rüstige Dame das hochrespek­tierte Symbol der ungeschrie­benen britischen Verfassung, die gerade von Boris Johnsons stümperhaf­ter Berserkerr­egierung umgekrempe­lt wird.

Demnächst wollen die Monarchin und ihr Prinzgemah­l Philip, 99, den Lockdown auf Schloss Windsor verlassen und zum Sommerurla­ub ins schottisch­e Balmoral fliegen. Ob dort wie jedes Jahr Kinder, Enkel und Urenkel auf Besuch kommen, auch die Prinzen Andrew und Harry, die derzeit nur für Negativ-Schlagzeil­en sorgen? In jedem Fall steht fest: In Charles‘ Vorstellun­g der verschlank­ten Windsor-Monarchie kommen die schwarzen Schafe der Familie nicht mehr vor.

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FOTO: DPA Prinz Andrew gerät mehr und mehr in Erklärungs­not.
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FOTO: AFP Meghan und Harry haben zwei Zeitungen verklagt.

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