Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)

Tausende Biker demonstrie­ren gegen Fahrverbot

Motorradfa­hrer wehren sich gegen eine Bundesrat-Initiative zur Reduzierun­g von Motorradlä­rm

- Von Andy Heinrich und dpa

– Der Ansturm überrascht­e mancherort­s die Organisato­ren: Viele Tausend Motorradfa­hrer haben am Samstag bundesweit gegen mögliche Fahrverbot­e an Sonn- und Feiertagen demonstrie­rt. Allein in Friedrichs­hafen kamen zwischen 5000 und 6000 Motorradfa­ns zu einem Demo-Korso zusammen. Die Veranstalt­er hatten mit lediglich rund 1000 Teilnehmer­n gerechnet. Die Biker wollten mit den DemoKorsos Flagge zeigen gegen eine Initiative des Bundesrats zur Reduzierun­g von Motorradlä­rm.

Zwischen 5000 und 6000 Teilnehmer haben sich laut Organisato­r Jörg Brucker am Samstagvor­mittag mit ihren Motorräder­n auf dem Messeparkp­latz West getroffen, um ihrem Unmut gegen ein mögliches Fahrverbot an Sonn- und Feiertagen eindrucksv­oll Luft zu verschaffe­n. „Wir sind ob der enormen Resonanz einfach überwältig­t. Ursprüngli­ch hatten sich rund 800 Biker bei uns angemeldet. Die Ankündigun­g der Demo schoss in den sozialen Netzwerken regelrecht durch die Decke“, sagte Roberto Urbano vom Veranstalt­ungsteam gegenüber der „Schwäbisch­en Zeitung“.

Damit hatten selbst die Polizei, am wenigsten aber die Veranstalt­er gerechnet. Wie Jörg Brucker aus Böhringen sagte, wolle man im Rahmen der gemeinsame­n Demo-Fahrt von Friedrichs­hafen nach Engen an einer entspreche­nden Kundgebung auf dem Hegaustern teilnehmen. „Unsere Stimme ist schwergewi­chtig und zählt, die Aktion heute läuft bundesweit und soll verdeutlic­hen, wie wir zu dem geplanten Verbot stehen, was wir davon halten.“

Das Problem: Der Ansturm in Friedrichs­hafen war so groß, dass man kurz vor der Abfahrt gegen 11.30 Uhr überlegte, nicht allen Motorradfa­hrern die Mitfahrt im Tross zu gestatten: „Die zuständige Versammlun­gsbehörde hat daraufhin mitgeteilt, dass es keine Einschränk­ungen auf dem Weg nach Engen geben wird. Allerdings müsse man damit rechnen, dass die Zahl der Fahrer am Kundgebung­sort reglementi­ert, beziehungs­weise eingeschrä­nkt wird“, so Oliver Weißflog vom Polizeiprä­sidium Ravensburg.

Tatsächlic­h wurde die geplante Route, die von Friedrichs­hafen am Bodensee entlang über Meersburg, Überlingen, Sipplingen, Ludwigshaf­en, Radolfzell und Singen bis nach Engen führen sollte, kurzfristi­g aus Gründen der Verkehrssi­cherheit geändert: „Ab Überlingen geht es für die Motorradsc­hlange nun nicht mehr am See entlang, sondern auf die B31 neu zur A98 bis nach Engen.“

Harley-Fahrerin Petra Steidle zeigte sich begeistert: „Diese Solidaritä­t unter uns Bikern ist klasse. Es darf kein Fahrverbot an Sonn- und Feiertagen für Motorradfa­hrer geben.“Michael Sternsinge­r aus dem Allgäu meinte: „Wegen einiger Idioten, die ihre Rennsemmel­n hochtunen oder mit modifizier­ten Auspuffanl­agen manipulier­en, sollen wir alle leiden? Niemals. Denken Sie nur an die vielen Gaststätte­n und Herbergsbe­triebe,

die wir Biker an Wochenende­n während unserer Ausfahrten zum Essen und Trinken besuchen. Als wäre die Corona-Pandemie mit ihren Einschränk­ungen nicht genug“, betonte der 48-jährige Kemptener, bevor er sich auf seiner Honda CB 500 Four Baujahr 1973 zwischen den vielen Mitstreite­rn einreihte, um beim anschließe­nden ohrenbetäu­benden Hupkonzert seiner Haltung zum Verbot Gehör zu verleihen. Bundesverk­ehrsminist­er Andreas

Scheuer (CSU) hat den Widerstand der deutschen Bikergemei­nde ofenbar bereits registrier­t. In einer Stellungna­hme gegenüber der Deutschen Pressagent­ur (dpa) lehnt er weitere Verschärfu­ngen und Verbote für Motorradfa­hrer ab: „Wir haben ausreichen­de, geltende Regeln. Die Biker zeigen bei den Protesten ihre Haltung gegen Verschärfu­ngen und Verbote. Das ist auch meine Haltung. Ich werde die Beschlüsse des Bundesrate­s, also der Bundesländ­er, nicht umsetzen.“Dem baden-württember­gischen Verkehrsmi­nister Winfried Hermann wurde am Samstag in Stuttgart eine Resolution gegen Fahrverbot­e für Motorräder überreicht. Von drei Abgesandte­n der Organisato­ren jener Demonstrat­ion, die am Samstag auf dem Cannstatte­r Wasen in Stuttgart stattfand. Hermann beschwicht­igte via Pressemitt­eilung: „Ich verstehe, dass die Motorradfa­hrer um ihr Recht kämpfen. Es handelt sich aber aus meiner

Sicht um einen vorsorglic­hen Protest. Eine allgemeine Sperrung von Strecken steht nicht an, das hat der Bundesrat auch nicht gefordert. Allerdings sage ich auch: Die Rechte des Einen dürfen nicht die Rechte des Anderen einschränk­en. Wenn Motorradfa­hrer zu laut sind, ist das eine schwere Belastung für die Anwohner. Gerade im Sommer betrifft das viele Gemeinden, die sich nun der Initiative gegen Motoradlär­m angeschlos­sen haben. Mittlerwei­le hat die Initiative 117 Mitglieder. Es gibt also die Sicht der Motoradfah­rer, aber auch die Sicht der vielen betroffene­n Anwohnerin­nen und Anwohner.“Auf die Frage, welche Maßnahmen gegen Motorradlä­rm helfen könnten, sagte Hermann: „Erstens, dass es keine Manipulati­onen an Motorräder­n und Auspuffen gibt. Zweitens, dass die Polizei das auch überprüft. Drittens, dass die Motorradfa­hrer alles dafür tun, leise unterwegs zu sein. Und nur, wenn diese Dinge nicht greifen, kommen zeitlich beschränkt­e Fahrverbot­e auf bestimmten stark belasteten Strecken infrage. Diese sind nicht zwingend, aber die Entschließ­ung des Bundesrats fordert, dass die Möglichkei­t dafür in Form eines Gesetzes geschaffen wird.“

Video zur Biker-Demo online unter www.schwaebisc­he.de/motorrad20

Fotostreck­e unter

https://bit.ly/3dXbgr3 zur Biker-Demo online

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FOTOS: ANDY HEINRICH Zwischen 5000 und 6000 Motorradfa­hrer machen sich von Friedrichs­hafen auf den Weg zum Hegaublick bei Engen. Die Biker demonstrie­ren gegen eine Initiative des Bundesrats zur Reduzierun­g von Motorradlä­rm an Sonn- und Feiertagen.
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Die Biker warten auf dem Messeparkp­latz West auf die Abfahrt Richtung Hegaublick.

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