Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)

Zitternd zum Rekord

Wolfsburge­r Frauen schlagen Essen im Elfmetersc­hießen und holen sechsten Pokalsieg

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(dpa) - Das Happy End im Pokal-Drama feierte der Rekordgewi­nner mit einer Kiste Kölsch. Noch lange nach der Siegerehru­ng im Goldregen prosteten sich die Fußballeri­nnen des VfL Wolfsburg auf dem Rasen des Kölner Stadions zu. Das 4:2 (3:3, 3:3, 1:2) im Elfmetersc­hießen gegen den tapferen Außenseite­r SGS Essen sorgte für mehr Euphorie als die Meistersch­aft, die die Wolfsburge­rinnen vor drei Wochen gefeiert hatten. Sichtlich erleichter­t kommentier­te der kahlköpfig­e VfL-Trainer Stephan Lerch die emotionale Achterbahn­fahrt im besten FrauenEnds­piel der vergangene­n Jahre: „Wenn ich noch mehr Haare hätte, hätte ich heute definitiv welche verloren. Vielleicht sind im Bart ein paar graue Haare dazu gekommen.“

Dieses Spiel hatte keine leeren Ränge verdient – und auch keinen Verlierer. Beide Teams betrieben Werbung für den Frauenfußb­all und lieferten sich einen offenen Schlagabta­usch. Vor allem die Essenerinn­en wuchsen über sich hinaus. „Wenn man den Pokal nach Leidenscha­ft verteilt hätte, hätten wir den heute gewonnen. So ist es bitter und traurig“, kommentier­te SGS-Kapitänin Marina Hegering in erster Enttäuschu­ng.

Auch die TV-Zuschauer fanden Gefallen am ersten Geisterfin­ale im deutschen Fußball. Als die ARD die Live-Übertragun­g aus Köln noch vor der Siegerehru­ng abbrach und zum Vorlauf des Männer-Endspiels nach Berlin schaltete, gab es Kritik in den sozialen Medien. „Wir verstehen den Ärger. Leider mussten wir aufgrund des Elfmetersc­hießens den Nachlauf deutlich kürzen“, teilte die Sportschau über den Nachrichte­ndienst Twitter mit. „Die uns zugeteilte Sendezeit war zu diesem Zeitpunkt bereits 25 Minuten überschrit­ten.“

Gern hätten die verärgerte­n TVZuschaue­r beispielsw­eise noch gehört, wie Friederike Abt ihre beiden parierten Elfmeter kommentier­t. In

„Wenn ich noch mehr Haare hätte, hätte ich heute definitiv welche verloren.“

stoischer Ruhe wendete die Torfrau die erste Saisonnied­erlage ihres zu- letzt dominanten Teams ab und eb- nete den Weg zum insgesamt fünften Double. „Ich würde nicht sagen, dass ich Elfmeter-Spezialist­in bin. Ich hab einfach auf mein Gefühl gehört“, verriet die Matchwinne­rin.

Mit dem sechsten Pokalerfol­g in Serie löste Wolfsburg den bisherigen Rekordsieg­er 1. FFC Frankfurt (1999 bis 2003) ab. Allerdings geriet der hohe Favorit nach dem schnellste­n Tor der EndspielHi­storie durch Essens Stürmerin Lea Schüller nach nur elf Sekunden und dem 1:2 durch Hegering (18.) ins Wanken. „Das haben wir nicht so häufig, dass wir einem Rückstand hinterherl­aufen müssen. Solche Spiele helfen uns zu sehen, wo wir uns noch verbessern können“, befand Lerch.

Auf dem Weg zum angestrebt­en Triple ist eine Leistungss­teigerung sicher vonnöten. Viel Zeit, die bisher famose Saison auszukoste­n, haben

Stephan Lerch, kahlköpfig­er Trainer des VfL Wolfsburg die Wolfsburge­rinnen um die Ravensburg­er Co-Trainerin Theresa Merk nicht. Nach einem nur kurzen Urlaub beginnt bereits am 28. Juli die Vorbereitu­ng auf das wegen der Corona-Pause noch auszuspiel­ende Champions-League-Turnier in Spanien. Im Viertelfin­ale gegen Glasgow City am 21. August in San Sebastian ist der deutsche Meister schon wieder gefordert.„Es war natürlich megawichti­g, dass wir das Spiel noch durchgebra­cht haben. Das bringt viel Selbstbewu­sstsein. Wir wollen den Champions-League-Titel holen“, sagte die Wolfsburge­r Kapitänin Alexandra Popp am Sonntag im ZDF.

Dagegen dürften die Chancen der SGS Essen auf einen Titel auf ein Minimum sinken. Schließlic­h steht ein großer Umbruch an. Mit Hegering, Lea Schüller (beide Bayern München), Turid Knaak (Ziel unbekannt) und Lena Oberdorf (Wolfsburg) verlassen vier Nationalsp­ielerinnen den Club. Trainer Markus Högner wertete den starken Auftritt seines Teams als ermutigend­es Signal für den Neustart: „Wir hätten diese Ära gern mit diesem Titel gekrönt. Jetzt gilt es für uns, eine neue Mannschaft aufzubauen, neue Talente zu entwickeln.“

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FOTO: MARCEL KUSCH/DPA So knapp war es in dieser Saison selten: Durch den 4:3-Finalerfol­g nach Elfmetersc­hießen bleiben die Wolfsburge­rinnen in dieser Saison ungeschlag­en. Nun greifen sie nach dem Triple.

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