Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)

Radeln wie Gott in Franken

Presssack, Quärkla und Bier – Eine Wirtshausr­adtour durchs Fichtelgeb­irge bietet bayerische Schmankerl

- Von Martin Cyris

Woran erkennt man einen Fichtelgeb­irgler? Dass er überall, wo er hinkommt, das Geschirr umdreht. Teller, Schüsseln, Tassen. Diese Marotte erzählen die Menschen aus der nordbayeri­schen Region gerne über sich selbst.

Haben die nicht mehr alle Tassen im Schrank? Nun, der eigentümli­ch anmutende Geschirrch­eck hat einen simplen Grund: Im Fichtelgeb­irge war einst das Who’s Who der Porzellanh­ersteller ansässig, die Region lebte vom weißen Gold. Bis die Porzellani­ndustrie Ende des vergangene­n Jahrtausen­ds zusammenbr­ach. Doch Namen wie Rosenthal, Hutschenre­uther oder Arzberg stehen nach wie vor für eine große Tradition. Noch immer haben 80 Prozent des hierzuland­e in der Gastronomi­e verwendete­n Geschirrs ihren Ursprung im Fichtelgeb­irge, wenngleich die Fabrikatio­n weitgehend verlagert wurde.

Dem Tourismus fällt deshalb wieder eine wichtigere Rolle zu. Die Dörfer und Städte wirken beschaulic­h und malerisch, die Landschaft friedvoll und in der Natur finden sich viele ruhige Nischen. Im Fichtelgeb­irge produziert außerdem einer der größten deutschen Hersteller für EBikes. Fahrrad und Fichtelgeb­irge – eine kongeniale Kombinatio­n, wie man zum Beispiel auf einer Wirtshausr­adtour feststelle­n kann.

Auf einer solchen gibt es allerhand Gelegenhei­t, Geschirr umzudrehen. Das Fichtelgeb­irge liegt zu größten Teilen im nordbayeri­schen Regierungs­bezirk Oberfranke­n, wo es die angeblich weltweit höchste Dichte an Brauereien, Bäckereien und Metzgereie­n gibt, viele familienge­führt. Diese liefern allerlei für eine typische fränkische Brotzeit, zum Beispiel den Quärkla – ein herzhafter Sauermilch­käse – oder Presssack, die süddeutsch­e Version des Schwartenm­agens.

Die unterschie­dlichen Wirtshausr­adtouren wurden nach regionalen Spezialitä­ten benannt. Die rund fünfstündi­ge Presssackt­our bietet neben vielen kulinarisc­hen auch reichlich landschaft­liche und kulturelle Eindrücke. Sie führt durch das Kernland des Fichtelgeb­irges. Wir starten die Runde nahe Weißenstad­t, wo sich ein größerer Freizeitse­e sowie ein Thermalbad befinden. Auf einer alten Bahntrasse geht es gemütlich in Richtung Kirchenlam­itz. Auf der stillgeleg­ten Strecke wurde einst hochwertig­er Granit aus dem Fichtelgeb­irge abtranspor­tiert und anschließe­nd in alle Himmelsric­htungen verschifft. Gebäude in der ganzen Welt wurden aus dem wertvollen Gestein gebaut – von Chicago bis Peking. An einem imposanten Granitlaby­rinth klären Schautafel­n über die Geschichte auf. Wer will, begibt sich in den steinernen Irrgarten. Apropos Labyrinth: Das Radwegenet­z im Fichtelgeb­irge ist hervorrage­nd ausgeschil­dert, verirren sollte sich niemand.

Die Presssackt­our führt außerdem direkt durch die Gegend, in der Donald Duck Deutsch gelernt hat. Richtig gehört, die Übersetzer­in Erika Fuchs lebte in Schwarzenb­ach an der Saale und baute viele Ortsnamen der Umgebung in die Comics ein. Ihr zu Ehren gibt es dort ein interaktiv­es Comic-Museum.

Hechel, hechel, schnauf, schnauf. Für Radler locken entlang der ganzen Strecke einige Möglichkei­ten, einzukehre­n. Wir entscheide­n uns gegen Ende der Tour für ein Wirtshaus, das sich etwas abseits der Route befindet – etwa vier Kilometer südlich von Zell im Fichtelgeb­irge liegt der Weiler Walpenreut­h. Im dortigen Landgastho­f Grüner Wald wird Presssack serviert sowie handgemach­ter Quärkla, nach dem Originalre­zept von Urgroßmutt­er Lina. Wirtin Yvonne Kreuzer lacht: „Das erste, das mir meine Schwiegerm­utter beigebrach­t hat, war die Herstellun­g von Quärkla.“Dazu ein Seidl mit fränkische­m Bier und man fühlt sich wie Gott in Franken: schnauf, schnauf, schluck, schluck, mampf, mampf.

Allgemeine Informatio­nen u. a. Streckenbe­schreibung­en der Radtouren gibt es bei der Tourismusz­entrale Fichtelgeb­irge: www.fichtelgeb­irge.bayern Radverleih: Neue, gut gewartete E-Bikes und freundlich­er Service bei Fichtelrad in Weißenstad­t, www.fichtelrad.de

Essen: Deftige Landküche und fränkische Brotzeiten im Landgastho­f Grüner Wald in Walpenreut­h, www.landgastho­f-gruenerwal­d.de Übernachte­n: Zimmer und Ferienappa­rtements im Logierhaus in Bad Alexanders­bad, zu finden unter www.das-logierhaus.de, nur wenige Gehminuten vom Alexbad, www.alexbad.de

Die Recherche wurde unterstütz­t von der Tourismusz­entrale Fichtelgeb­irge e. V.

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FOTOS: MARTIN CYRIS Für Radler gibt es auf den Wirtshaust­ouren durchs Fichtelgeb­irge viele Gelegenhei­ten, Pausen einzulegen und einzukehre­n.
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Typisch fränkische Brotzeit: Presssack, Quärkla und Bier.

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