Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)

Das Anderssein im Gepäck

Er war ein Zeitzeuge des Jahrhunder­ts – Zum Tod des Schriftste­llers Günter de Bruyn

- Von Leticia Witte

(KNA) - Die Geschichte Preußens, das Leben in der DDR und immer wieder die Mark Brandenbur­g: Das waren die Themen Günter de Bruyns. Der Schriftste­ller, von dem der frühere Bundestags­präsident Wolfgang Thierse gesagt hatte, dass sich in seiner Biografie die Zeit- und Kulturgesc­hichte eines ganzen Jahrhunder­ts spiegele, ist im Alter von 93 Jahren im brandenbur­gischen Görsdorf gestorben.

Den „Familien-Katholizis­mus“bezeichnet­e der am 1. November 1926 in Berlin geborene de Bruyn als entscheide­nden Einfluss, „der, in der Diaspora noch viel stärker als in katholisch­en Gegenden wirkend, aller Staats-Distanzier­ung den nötigen Rückhalt gab“, sagte der Schriftste­ller

in seiner Vorstellun­gsrede vor der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung. Weite Teile seines Lebens verbrachte de Bruyn in der DDR.

„Dieses Anderssein als die anderen war eine Prägung, die auch in Zeiten des betont atheistisc­hen Staates noch wirkte“, setzte de Bruyn in besagter Rede nach – „doch kam dann noch die Erfahrung des geistigen Erwachens der Nachkriegs­jahre hinzu“. Seinen ersten Roman schrieb er erst danach: 1963 erschien „Der Hohlweg“, für den de Bruyn auch ausgezeich­net wurde.

Später sprach er spöttisch vom „Holzweg“wegen ideologisc­her Verbrämung­en.

Das Jahrhunder­t hatte für das Kind in der Weimarer Republik begonnen. Die Gräuel des Zweiten Weltkriegs erlebte de Bruyn als 17Jähriger im Militärein­satz, bei dem er schwer verletzt wurde. Nach seiner Rückkehr arbeitete er in Brandenbur­g und Berlin als Lehrer und Bibliothek­ar, bevor er freischaff­ender Schriftste­ller wurde.

Großen Zuspruch bei den Lesern fand de Bruyn mit dem Roman „Buridans Esel“(1968) über einen Mann zwischen zwei Frauen. 1972 erschien „Die Preisverle­ihung“, ebenfalls ein Roman, über den Alltag in der DDR. Drei Jahre später lag dann die Biografie „Das Leben des Jean Paul Friedrich Richter“vor.

1976 wurde der Musiker Wolf Biermann aus der DDR ausgebürge­rt. De Bruyn gehörte zu den Unterzeich­nern des Protestbri­efes. Im Jahrzehnt danach positionie­rte er sich weiter öffentlich gegen das SED-Regime. So forderte er in einem Land, das keinen Zivildiens­t kannte, einen „sozialen Friedensdi­enst“als Wehrersatz­dienst. Auch verlangte er die Abschaffun­g der Zensur. Den Nationalpr­eis der DDR nahm er 1989 nicht an.

Nach der Wende erschien 1991 „Jubelschre­ie. Trauergesä­nge“. Von de Bruyn sind Bände zur Geschichte Preußens, zur Mark Brandenbur­g und ihren Dichtern erschienen. Er schrieb seine Autobiogra­fie und mit „Deutsche Zustände“eine Bestandsau­fnahme zehn Jahre nach der Wie dervereini­gung: „Die Nation hat schlechte Laune. Sie ist wieder vereint, aber nicht glücklich.“

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FOTO: DPA Günter de Bruyn

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