Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)

Belohnung nach dem Ärger

DFB-Debütant Neuhaus wusste gegen die Türkei zu überzeugen und darf nun mit nach Kiew

-

(SID/dpa) - Die leicht getrübte Stimmung von Florian Neuhaus nach dem „schönsten Tag“seiner Karriere hellte sich durch die freudige Nachricht von Joachim Löw gleich wieder auf. Nach seinem gelungenen Nationalma­nnschafts-Debüt wird Neuhaus auch dem Aufgebot für die Nations-League-Spiele in der Ukraine und gegen die Schweiz angehören: Sein Abenteuer geht weiter.

Darauf hatte er schon beim Applaus des Bundestrai­ners nach seiner Auswechslu­ng am Mittwochab­end gehofft, dennoch befand sich der 23Jährige im leichten Gefühlscha­os. Der späte Ausgleich wurmte ihn sichtlich. „Man spielt Fußball, um Spiele zu gewinnen“, sagte Neuhaus. Sein Einstand mit einem Tor sei zwar „eine tolle Geschichte gewesen“. Aber: „Ich hätte lieber gewonnen.“

Seine Mitstreite­r sorgten dagegen ebenfalls nicht nur für Freude bei Bundestrai­ner Löw. Spielkontr­olle, Chancenver­wertung, Organisati­on, Ballverlus­te – und nicht zuletzt Mentalität. Neues Personal, alte Fehler. „Dieses und andere Spiele werden wir intensiv aufbereite­n. Darüber müssen wir reden: Was können wir in Führung besser machen?“, kündigte er an. „Daraus wollen wir dann eine neue Mentalität entwickeln.“„Abgeklärte­r, erwachsene­r, vielleicht dreckiger“müsse das Auftreten werden, forderte Emre Can.

Neuhaus durfte sich nach dem 3:3 (1:0) gegen die Türkei allerdings trotzdem als Gewinner fühlen – nicht nur wegen seines Treffers zum zwischenze­itlichen 2:1, der ihm ein Sonderlob des 2014er-Weltmeiste­rs Lukas Podolski einbrachte: „Sensatione­ll, super! Das kann man nicht besser machen.“Mutig, unbekümmer­t, forsch – Neuhaus' Auftritt in Köln machte Lust auf mehr und begeistert­e auch den Bundestrai­ner. „Florian hatte viele gute Aktionen. Er war sehr ballsicher“, lobte Löw.

Von Nervosität war bei Neuhaus nichts zu spüren. Der Profi von Borussia Mönchengla­dbach forderte immer wieder den Ball und trieb das Spiel in Abwesenhei­t zahlreiche­r

Stammkräft­e mit seinen Tempoläufe­n durchs Mittelfeld häufig an.

Neuhaus empfahl sich für weitere Einsätze im DFB-Team. Die anstehende­n Spiele mit Gladbach in der Champions League gegen Inter Mailand und Real Madrid dürften ihn noch einmal voranbring­en. „Ich will den Weg weitergehe­n“, sagte er – auch wenn er vor dem Ausgleich zum 2:2 den Ball vor dem eigenen Strafraum an Torschütze Efecan Karaca verlor. „Das war eine blöde Situation. Es hat sich wie ein Foul angefühlt“, sagte Neuhaus.

Seine vorsichtig­e Wortwahl spricht für ihn. Wäre ein Video-Assistent im Einsatz gewesen, dann wäre die Szene in der 67. Minute wohl geahndet worden. Neuhaus wurde eindeutig über den Haufen gerannt. „Es war ein klares Foulspiel, das dieser Aktion vorausging. Da trifft ihn keine Schuld“, legte sich Löw fest.

Im Gegensatz zu den eingewechs­elten Debütanten Jonas Hofmann und Mahmoud Dahoud, die nur Kurzeinsät­ze bekamen, durfte sich Neuhaus 79 Minuten lang präsentier­en. „Jedes Kind träumt davon, sein Debüt in der Nationalma­nnschaft zu geben“, beschrieb Neuhaus seine Gefühlswel­t. Sein Ärger war da schon ein bisschen und am Donnerstag noch mehr verraucht.

Zudem kann er sich nun in Spielen präsentier­en die – anders als der Kick gegen die Türkei – nicht nur

Testspielc­harakter haben. Am Samstag in Kiew gegen Gastgeber Ukraine und drei Tage später in Köln gegen die Schweiz (beide 20.45 Uhr/ARD) geht es schon etwas mehr zur Sache. „Für die beiden Spiele in der Ukraine und gegen die Schweiz haben wir uns viel vorgenomme­n. Klar ist, dass wir nun auch Punkte in der Nations League holen wollen. Wir wollen uns endlich wieder mit Siegen belohnen für den Aufwand, den wir betreiben“, sagte Löw. Und das wird auch höchste Zeit. Am Samstag werden es bereits 326 Tage ohne Sieg für die deutsche Nationalma­nnschaft sein, oder, wie die „Süddeutsch­e Zeitung“spöttisch titelte: „Im Jahr 2020 noch unbesiegt – klingt doch super!“

 ?? FOTO: MORITZ MUELLER/IMAGO IMAGES ?? Florian Neuhaus hat sich nicht nur wegen seines Tores für weitere Einsätze empfohlen.
FOTO: MORITZ MUELLER/IMAGO IMAGES Florian Neuhaus hat sich nicht nur wegen seines Tores für weitere Einsätze empfohlen.

Newspapers in German

Newspapers from Germany