Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)
Ernährung: Warum oft ein Anstupser genügt
Prof. Dr. Gertrud Winkler veröffentlicht ein Buch über gesundes Essverhalten
(sz) - Kann es gelingen, Menschen in der Kantine oder im Restaurant nur mithilfe eines kleinen Anstupsers dazu zu bringen, sich für eine gesunde Mahlzeit zu entscheiden? Prof. Dr. Gertrud Winkler von der Hochschule Albstadt-Sigmaringen beantwortet diese Frage mit einem klaren Ja. Sie ist Expertin für gesundes Essverhalten und eine der Autorinnen des kürzlich auf der digitalen Buchmesse Eurolit ausgezeichneten Praxishandbuchs „Nudge: Die Kunst, Essen geschickt zu platzieren“. Im Interview der Hochschule spricht Winkler über das Buch und wie das Prinzip in der Praxis funktioniert.
Frau Winkler, was bedeutet Nudging?
Nudging ist der sanfte Stups, der uns durch Anreize und ohne Zwang dazu bewegen soll, vorteilhaftere Entscheidungen zu treffen. Der Begriff wird für Maßnahmen verwendet, die dafür mit einfachen Mitteln sanfte
Anreize schaffen. In einer Kantine kann das zum Beispiel bedeuten, Süßigkeiten oder Softdrinks nicht auf Augenhöhe zu präsentieren und im Umkehrschluss gesunde Alternativen wie Wasser, Salat, Gemüse oder Früchte leicht erreichbar so zu platzieren.
Warum fällt es uns oft so schwer, uns von vornherein für eine gesunde und nachhaltige Mahlzeit zu entscheiden?
Auch wenn wir selbst uns vielleicht anders wahrnehmen: Wir können nicht wirklich rational handeln, da alle unsere Entscheidungen immer vielfältig beeinflusst werden. Unser Entscheidungsverhalten wird immer von zwei Systemen gesteuert: Das eine ermöglicht es uns, bewusst, kontrolliert und gesteuert von unseren Werten und Intentionen zu handeln. Das dauert allerdings lange und ist anstrengend. Gerade beim Essen agieren wir daher überwiegend mithilfe des anderen Systems: automatisiert, unbewusst, intuitiv, gewohnheitsmäßig, spontan, beeinflusst durch Gefühle oder Umweltreize, zum kurzfristigen Lustgewinn und ohne Anstrengung. Und genau hier setzt Nudging an: Die Essumwelt wird so verändert, dass die gesunde Wahl zur einfachen Wahl wird.
Funktioniert Nudging auch zu Hause?
Auf jeden Fall, da es gerade beim Essen so viele mögliche Nudging-Maßnahmen gibt. Die meisten von uns haben da schon lange so ihre Tricks, ohne sie Nudging zu nennen: Ich selbst zum Beispiel bevorrate Schokolade nur im Keller, sodass ich einen weiten Weg habe. Im Gegenzug sollten gesunde Lebensmittel wie Rohkost oder frisches Obst griffbereit sein.
Worum geht es in Ihrem aktuellen Buch?
Es richtet sich an alle, die in der betrieblichen Praxis ein Interesse an
Nudging-Maßnahmen in der Gemeinschaftsverpflegung haben. Herzstück des Buches sind zahlreiche Praxisbeispiele aus verschiedenen Bereichen, in denen wir unsere Erfahrungen in der Umsetzung von Nudging-Maßnahmen in realen Projekten teilen.