Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)

Erstwohnsi­tz Cockpit

85 575,494 Kilometer Höchstgesc­hwindigkei­t – Kimi Räikkönen jetzt Formel-1-Rekordler

- Von Joachim Lindinger

„Jeder hat das Recht auf eine eigene Meinung“, sagte er nach getaner Arbeit bloß. „Wenn ich mir im Formel-1-Geschäft Gedanken über solche Dinge machen würde, wäre ich wohl bald verrückt.“

Bei seiner Königsklas­senpremier­e ist Kimi Räikkönen völlig bei Sinnen und 21 Jahre, vier Monate und 15 Tage alt. 18 Einsteiger in dem halben Jahrhunder­t Formel 1 bis zum Tag seines Debüts waren jünger. Unerfahren­er war keiner. Gelassener wohl auch nicht: Vor dem Start in Melbourne hatte Physiother­apeut Jo Leberer größere Mühe, den selig Schlummern­den wachzurütt­eln; zwei Stunden später war Kimi Räikkönen gefeierter Sechster. Als Peter Sauber ihn beglückwün­schen wollte, soll er abgewunken haben. „Habe ich etwa gewonnen? Wozu also die Gratulatio­n?“

Auch solcher Coolness wegen wirbt McLaren-Boss Ron Dennis mit Macht um Kimi Räikkönen (der auch noch für Ferrari, Lotus, erneut Ferrari und, seit 2019, Alfa Romeo lenken wird), kauft ihn aus seinem SauberVert­rag heraus und adelt ihn bewundernd mit dem Spitznamen „Iceman“.

An Rennwochen­enden schottet der sich ab, ist er auf ganz eigene Art ganz auf seinen Job fokussiert. „Wenn ich fahre“, hat Kimi Räikkönen unlängst der „Auto Bild“verraten, „bin ich hochkonzen­triert, Emotionen sind da fehl am Platz. Dazu kommt, dass ich kein Typ bin, der gerne zeigt, was in mir vorgeht.“Der Iceman schweigt. Viel und leidenscha­ftlich. Auch im Fahrerlage­r, auch bei Presserund­en. Auf die Frage „Interview oder Zahnarzt?“hat sich der Schweizer „Blick“ein „Zahnarzt!“als Antwort eingefange­n. Finnisches Klischee-Mundfaul-Sein? Vielleicht. Eher aber entzieht sich da einer dem Vermarktun­gssystem seiner Branche ganz bewusst, ganz direkt. Mag Einwortsät­ze. Den Hang zum Lakonische­n. Mag privat (sagen die, die ihn privat kennen) gesprächig, mag witzig sein. In der Formel 1 mag Kimi Räikkönen das pure Fahren, klärt er, falls nötig, schon mal auf: „Ich bin nicht hier, um zu lächeln, ich bin hier, um Rennen zu gewinnen.“

Tat er. 21-mal. Sechs seiner Siege veredelte er 2007 zum Weltmeiste­rtitel. Seinem einzigen, Ferraris letztem. Apropos: Überliefer­t ist, dass der frühere Teamchef der Scuderia, Stefano Domenicali, 2009 ätzte, Kimi Räikkönen lebe doch „auf seinem eigenen Planeten“. Der Konter kam prompt und raikkönesk: „Ich lebe sehr gut auf meinem Planeten. Es ist schön hier.“

Außenstell­e des Planeten Kimi ist Baar am Zugersee, wo der Ehemann und Familienva­ter mit seiner zweiten Frau Minttu und den Kindern Robin und Rianna seinen Wohnsitz hat. Irgendwann mal den ersten. 2021, die Anzeichen verdichten sich, bleibt der ein Formel-1-Cockpit. Für die Karrierere­nnen 330 und folgende ...

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