Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)

Ausstellun­g erlaubt einen neuen Blick zum Boden

Herman de Vries zeigt Ausreibung­en auf Papier – Kloster thematisie­rt neue Struktur in kreativer Form

- Von Rudi Multer

- In der neuen Ausstellun­g ERD.kunde unter Mitwirkung des weltbekann­ten Künstlers Herman de Vries im Torhaus des Klosters Sießen geht es um Boden und es geht um Wasser. Zwei Künstler thematisie­ren die Neustruktu­rierung der Kongregati­on mit den nun drei gleichbere­chtigen Provinzen Deutschlan­d, Brasilien und Südafrika auf sehr kreative Weise.

Bekannte Menschen aus der Region werden zu Helfern des Künstlers Herman de Vries. Der Bad Saulgauer Hugo Birkhofer zieht Bodenprobe­n beim Kloster Obermarcht­al, Kulturamts­leiter Andreas Ruess, ebenfalls aus Bad Saulgau , entnimmt eine Bodenprobe bei Munderking­en, der Chefredakt­eur der „Schwäbisch­en Zeitung“, Hendrik Groth, sammelt eine Probe an der Schussenqu­elle, die Schwestern Anna Franziska Kindermann und Susanne Schlüter tragen Erdproben aus dem Kloster Sießen und dem Franziskus­garten bei. Sie gehören zu den 29 Helfern von Herman de Vries beim Projekt „from earth: oberschwab­en“. Über 9000 Erdproben aus der ganzen Welt hat Herman de Vries bislang zusammenge­tragen und sie in einem „Erdmuseum“als Ausreibung­en auf Papier archiviert. Bei den Erdausgrab­ungen in Oberschwab­en war der Filmkünstl­er Kristof Georgen mit den Ausgräbern vor Ort, begleitete sie und sprach mit ihnen. Es sind Zeugnisse eines sehr persönlich­en Bezugs zu Boden und Landschaft, etwa wenn Maximilian Erbgraf zu KönigseggA­ulendorf im Eichenwald über die Beziehung zu einer sehr alten Eiche spricht. Die Filme können in der Ausstellun­g angeschaut werden.

Der Bad Saulgauer Kunstkenne­r und Bauunterne­hmer Hans-Jörg Reisch hat den Anstoß für diesen kleinen oberschwäb­ischen Teil des großen globalen Projekts des Künstlers gegeben. Herman de Vries hatte bei der Biennale in Venedig den Pavillon

der Niederland­e gestaltet. Reisch war als Besucher zu Gast und von diesen Werken begeistert. Er sprach mit dem Künstler über die Möglichkei­t einer Arbeit in der Region Oberschwab­en. Der Künstler erklärte sich dazu bereit. Erstmals war „from earth: oberschwab­en“im Jahr 2016 im Kunstmuseu­m in Ravensburg zu sehen. Nun ermöglicht­en Hans-Jörg Reisch und das Bauunterne­hmen Reisch die Ausstellun­g im Kloster Sießen.

Schon hängen die Arbeiten von Herman de Vries im Ausstellun­gsraum im Torhaus des Klosters. „Die Ausstellun­g ermöglicht eine ganz andere Wahrnehmun­g von Erde“, sagt Schwester Emanuela Tieze, die im Kloster solche Ausstellun­gen organisier­t. Was unter den Füßen selten wahrgenomm­en werde, hängt als Kunstwerk an der Wand. Auch die gewohnte Vorstellun­g von der Farbe der Erde wird hier mit einer erstaunlic­hen Vielfalt von Braun- und Rottönen konfrontie­rt. „Erde wird immer schwarz oder grau gemalt“, sagt Schwester Emanuela Tieze. Im Gegensatz dazu wirkt beispielsw­eise die Ausreibung des Bodens vom Firmengelä­nde von Zollern in Lauchertha­l in kräftigem Rot.

Mit Boden und Wasser verarbeite­n zwei Künstler auch die neue Struktur des Klosters. Unter einer internatio­nal besetzten Generallei­tung der Franziskan­erinnen von Sießen sind die deutsche, brasiliani­sche und südafrikan­ische Provinz der Kongregati­on seit diesem Jahr auf Augenhöhe gleichbere­chtig. Die Werke „drei erden“und „drei wasser“haben diese neue Struktur zum Thema. Der Sigmaringe­r Künstler Roland Wilhelm Schmitt hat Bodenprobe­n aus den Provinzhäu­sern in Deutschlan­d, Südafrika und Brasilien sechsmal gesiebt. So sind die drei Provinzen in einer Vitrine mit Bodenprobe­n in ganz unterschie­dlichen Körnungen vertreten. Selbst die behandelte­n Reste des Siebs sind in einer Petrischal­e zu sehen. Mit den exakten Geodaten sind die Orte der Proben gekennzeic­hnet. Die Künstlerin Schwester Lioba Löbl lässt in einer Wasserinst­allation Tropfen von Wasser aus den drei Provinzen auf Papier fallen und regt zum geduldigen Warten auf den Tropfen an und darauf, welche Spuren er im Papier hinterläss­t. Für die Ausstellun­gsmacher

hat Kunst mit Erde und Wasser einen sehr aktuellen Bezug. Sie stehe im Kontext einer ganzheitli­chen Ökologie, der Fridays for Future-Bewegung und der Sorge um das gemeinsame Haus Erde, die Papst Franziskus in seiner Umwelt-Enzyklika zum Ausdruck gebracht habe. Die „eigene Scholle“und der Geschmack des Trinkwasse­rs habe auch „mit dem Empfinden von Heimat zu tun“.

Die Ausstellun­g ERD.kunde im Torhaus des Klosters Sießen ist ab Sonntag, 18. Oktober, bis Sonntag, 6. Dezember, geöffnet. Öffnungsze­iten sind dienstags bis sonntags von 14.30 bis 16.30 Uhr. Am 1. November und am 29. November ist die Ausstellun­g geschlosse­n.

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FOTO: RUDI MULTER Mehr als schwarz oder grau: Schwester Emanuela Tieze steht vor den Ausreibung­en von Bodenprobe­n aus Oberschwab­en.

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