Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)

Auf der Flucht sein

Das Kunstmuseu­m Ravensburg zeigt eine eindringli­che Sound- und Lichtinsta­llation von Emeka Ogboh

- Von Antje Merke

- Der große, fensterlos­e Saal im Obergescho­ss mit der gewölbten Ziegeldeck­e. Darin ein Lied und, in den leuchtende­n Farben von Gewinn, Verlust und Stabilität, ein Laufband mit aktuellen Börsenkurs­en aus aller Welt. „The Way Earthly Things Are Going“(Der Lauf der irdischen Dinge) hat der in Nigeria geborene Emeka Ogboh (Foto: Antje Merke) seine Arbeit genannt. In Archiven hat er nach Informatio­nen zu diversen Finanzkris­en von 1929 bis heute gesucht, um diese dann von einem griechisch­en und einem nigerianis­chen Komponiste­n vertonen zu lassen. Der Text dazu stammt aus einem altgriechi­schen Klagelied und erzählt von Menschen auf der Flucht, von Abschiedss­chmerz und Hoffnung auf ein besseres Leben; die Kapitalmär­kte scheren sich nicht darum. Das Ganze löst Ogboh auf in einen nahen und zugleich fernen Ort melancholi­scher Imaginatio­n, an dem Bild und Klang miteinande­r verschmelz­en. Konzipiert hat der Künstler die eindringli­che Sound- und Lichtinsta­llation 2017 für die documenta in Kassel, die den Flüchtling auf der Suche nach einer neuen Heimat zur exemplaris­chen Gestalt der Gegenwart erklärt hatte. Jetzt wird die Arbeit erstmals in Deutschlan­d gezeigt – im Kunstmuseu­m Ravensburg.

Medienküns­tler Emeka Ogboh reibt sich an den Gegensätze­n zwischen Afrika und Europa, Schwarz und Weiß. In seinen Soundarbei­ten untersucht Ogboh öffentlich­e Orte und deren Resonanzen, sowohl aus eigener Erfahrung in Bezug auf ihre Geschichte als auch auf Basis von Erinnerung­en. Dabei erkundet der in Berlin und Lagos lebende Künstler Klanglands­chaften von Städten. Er arbeitet mit den Geräuschen, dem Stimmengew­irr, Liedern, Rufen, Schreien, Rauschen einer Stadt – insbesonde­re seiner Heimatstad­t Lagos. Zudem komponiert der 43-Jährige aus Liedern und öffentlich­en Reden, die er in experiment­elle Musikstück­e einarbeite­t, Klanginsta­llationen. Seine Arbeiten berühren kulturelle, gesellscha­ftliche und politische Fragen und konfrontie­ren den Zuhörer mit Fremdenfei­ndlichkeit und Rassismus.

Für Direktorin Ute Stuffer ist die Sound- und Lichtinsta­llation von 2017 nach wie vor aktuell: „80 Millionen Menschen haben im vergangene­n Jahr ihre Heimat verlassen. So viele wie nie zuvor. Und das Ungleichge­wicht zwischen Arm und Reich nimmt zu.“Hinzu kommt: Die eingespiel­ten Börsendate­n werden stets in Echtzeit auf ein LED-Band übertragen. Sprich, wenn die Kurse

 ?? FOTOS (2): WYNRICH ZLOMKE ?? Emeka Ogboh hat „The Way Earthly Things Are Going“2017 für die documenta in Kassel konzipiert. Jetzt ist die Sound- und Lichtinsta­llation im Kunstmuseu­m Ravensburg zu sehen und zu hören.
FOTOS (2): WYNRICH ZLOMKE Emeka Ogboh hat „The Way Earthly Things Are Going“2017 für die documenta in Kassel konzipiert. Jetzt ist die Sound- und Lichtinsta­llation im Kunstmuseu­m Ravensburg zu sehen und zu hören.
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