Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)

Linkskandi­dat Arce gewinnt in Bolivien

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(KNA) - In Bolivien hat der Linkskandi­dat Luis Arce offenbar die Präsidents­chaftswahl­en schon im ersten Durchgang gewonnen. Nach Angaben mehrerer nicht offizielle­r Nachwahlbe­fragungen kam der 57-Jährige auf knapp 53 Prozent der Stimmen. Arce rief sich noch in der Nacht zum Sieger aus: „Wir werden für alle Bolivianer regieren. Wir werden eine Regierung der nationalen Einheit aufbauen.“Zugleich versprach er, aus den zurücklieg­enden Fehlern seiner Partei zu lernen. Bolivien wurde nach der Präsidents­chaftswahl im Oktober 2019 von heftigen Unruhen erschütter­t.

Der Bundestag hat doch aber selbst das Gesetz verabschie­det, das der Bundesregi­erung dieses Vorgehen ermöglicht.

Das ist richtig. Unsere Verfassung sieht dies für Notsituati­onen auch vor. Wir sind im Frühjahr auch deswegen gut durch die erste Welle der Pandemie gekommen, weil die Politik schnell und auf wissenscha­ftlicher Grundlage konsequent entschiede­n hat – das war letztlich nur durch Verordnung­en möglich. Zudem hat sich die Bevölkerun­g sehr verantwort­ungsbewuss­t verhalten. Und drittens hatten wir ja die Folgen eines ungünstige­n Verlaufes bei unseren europäisch­en Nachbarn direkt vor Augen. Inzwischen ist aber klar, dass diese Pandemie länger anhalten wird. Die Notwendigk­eit, durch Verordnung­en regieren zu müssen, erscheint mir immer weniger gerechtfer­tigt. Der Grundgedan­ke der Demokratie ist schlechthi­n, dass Gesetze von gewählten Abgeordnet­en beraten und verabschie­det werden. Die Exekutive darf allenfalls in Notfällen, in denen das Parlament nicht tagen kann oder auch die Zeit für umfangreic­he parlamenta­rische Beratungen fehlt, über Verordnung­en regieren.

Kann die fehlende parlamenta­rische Debatte möglicherw­eise auch dazu führen, dass viele der Verordnung­en später wieder von Gerichten gekippt werden?

Da haben sich aufgrund der Schnelligk­eit und fehlender parlamenta­rischer Beratung Punkte ergeben, die Gerichte nun wieder außer Kraft gesetzt haben. Das passiert aber auch im parlamenta­rischen Gesetzgebu­ngsprozess und zeigt vor allem, dass unsere Demokratie und die unabhängig­e Bewertung durch die Gerichte nach wie vor bestens funktionie­rt.

Die Möglichkei­t, mit Verordnung­en zu regieren, ist zeitlich begrenzt. Im kommenden März würde sie ohne eine erneute Zustimmung des Parlaments wegfallen. Also warum die Aufregung einiger Abgeordnet­er? Bundesgesu­ndheitsmin­ister Jens Spahn hat eine Neufassung des Infektions­schutzgese­tzes vorgelegt. Diese soll auch über den März hinaus sicherstel­len, dass mit Verordnung­en regiert werden kann. Ich bin mir sicher, dass es deswegen viel Widerstand im Bundestag und wesentlich­e Veränderun­gen dieser Neufassung geben wird.

Bei manchen Regelungen ist zeitweise ein unübersich­tlicher Flickentep­pich entstanden, beispielsw­eise beim Beherbergu­ngsverbot.

Zumindest mit der Idee, dass die Länderparl­amente und der Bundestag wieder stärker beteiligt werden müssen. Aus demokratis­cher Sicht kommt es darauf an, dass die vom Volk gewählten Vertreter schnellstm­öglich wieder zentrale Kontrollun­d auch Entscheidu­ngsbefugni­sse über staatliche Regelungen und Einschränk­ungen haben. Das ist auch deswegen wichtig, weil es ja hier um sehr weitreiche­nde Einschränk­ungen geht.

Hätte das auch Auswirkung­en auf die Akzeptanz der Verordnung­en in der Bevölkerun­g?

Das ist das zentrale Argument, solange Mehrheitse­ntscheidun­gen akzeptiert werden. Parlamenta­rische Beratung bedeutet immer auch öffentlich­e Diskussion­en, das zeichnet Demokratie­n gegenüber Obrigkeits­staaten aus. Ich bin davon überzeugt, dass die parlamenta­rische Zuständigk­eit in absehbarer Zeit kommen wird. Der Zug ist nicht mehr aufzuhalte­n.

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FOTO: RALF KILLIAN Ulrich Eith

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