Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)
Katakomben-Heilige: Barockkirche in Sießen öffnet Seitenaltäre
Vom 20. Oktober bis 23. November – Ganzkörperreliquien waren begehrte Exponate
(sz) - In der Barockkirche St. Markus in Sießen sind vom 20. Oktober bis 23. November die Seitenaltäre geöffnet. Dadurch wird die Betrachtung der beiden Ganzkörperreliquien der mit den Namen des heiligen Clemens und der heiligen Columba „getauften“Katakomben-Heiligen ermöglicht.
Vor einem Jahr konnten Kloster und Kirchengemeinde Sießen ein seltenes Ereignis begehen: die Ganzkörperreliquie des heiligen Clemens wurde feierlich vom Kloster, wo sie zuletzt verwahrt wurde, in die St. Markuskirche übertragen (Translatio), wo sie ursprünglich ihren Platz hatte. Beim heiligen Clemens handelt es sich um einen Märtyrer, dessen Leib im Jahre 1741 einem christlichen Gräberfeld in Rom entnommen und den Dominikanerinnen in Sießen zur Verehrung in der Klosterkirche überlassen wurde. Hinweise auf einen Märtyrer waren die dem Grab beigefügte blutgetränkte Erde und ein Palmensymbol.
Auch die Ganzkörperreliquie der heiligen Columba sind die sterblichen Überreste einer Heiligen, die als Jungfrau gelebt und ihr Leben für
Christus hingegeben hat. Die Gebeine wurden in Rom aus der PriscillaKatakombe geborgen und gelangten 1753 als Geschenk an die Priorin Maria Josepha Millerin (1700 bis 1784) nach Sießen. Beide, der heilige Clemens und die heilige Columba, gehören zu den vielen so genannten Katakomben-Heiligen, die häufig auch in oberschwäbischen Barockkirchen anzutreffen sind. Diese werden in der Fachsprache „getaufte“Heilige genannt, weil ihre Gebeine bei der Auffindung in den Katakomben anonym waren und erst bei der Auffindung und Übergabe einen Namen erhielten.
Ganzkörperreliquien waren im 17. und 18. Jahrhundert in vielen Kirchen Süddeutschlands begehrte Exponate, die man zur Verehrung ausstaffiert und ausgeschmückt in Altäre integrierte. Bei der Ausstattung kamen feinste Stickereien und filigrane Verzierungen, teilweise aus Gold- und Silberdrähten, zum Einsatz, in die künstliche Perlen, Metallplättchen und Glassteine in unterschiedlichen Farben, manchmal sogar echte Edelsteine, hineingewoben wurden. Die besondere Verehrung von Märtyrern und der Glaube an die besondere Kraft der Überreste der heiligen Märtyrer entwickelte sich schon in der frühen Kirche und ist eine der ältesten Formen der Heiligenverehrung. Bis hin zum Vorabend der Reformation war es im Laufe der Jahrhunderte bei der Verehrung von Reliquien zu immer stärkeren Auswüchsen gekommen. Unmittelbar vor und während der Reformationszeit des 16. und 17. Jahrhunderts wurden dann viele katholische Kirchengebäude systematisch ihrer Reliquien beraubt.
Vor knapp einem Jahr beschloss der Kirchengemeinderat St. Markus Sießen, dass zukünftig im Zeitraum vom 20. Oktober (Jahrestag der Translatio des heiligen Clemens sowie Tag des heiligen Wendelin) bis 23. November (Tag des heiligen Clemens) die Seitenaltäre der Barockkirche geöffnet werden.