Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)
Seehofer gibt den Widerstand auf
Innenminister stimmt Studie zu Rassismus bei der Polizei nun doch zu – Allerdings zu seinen Bedingungen
Wir lehnen nach wie vor diese Rassismusstudie ab. Ich kann weder eine Notwendigkeit erkennen, noch was eine solche Studie bringen soll. Den ursprünglichen Ansatz von Bundesinnenminister Horst Seehofer habe ich schon verstanden: Eine Rassismusstudie in der Gesellschaft, im gesamten öffentlichen Dienst und nicht nur bei der Polizei. Aber nur eine Rassismusstudie in der Polizei zu machen, halte ich für einen absoluten Fehler. Er stigmatisiert und er ist aus meiner Sicht auch unnötig, weil ich auch glaube, dass all unsere vorhandenen Mechanismen, um Rassismus vorzubeugen, greifen.
Wie wird eine solche Studie von den Polizeibeamten im Land aufgenommen?
Meine Kollegen fühlen sich unter Generalverdacht gestellt. Dieses Thema berührt sie unglaublich, weil sie sich ungerecht behandelt fühlen. Sie werden da in eine Ecke gestellt, in die sie nicht gehören. Der überwiegende Teil der Polizei steht mit festen Füßen auf der freiheitlich demokratischen Grundordnung, hat mit Rassismus überhaupt nichts zu tun. Es ist unglaublich, dass uns das immer wieder vorgeworfen wird. Dieser Stachel, der von der SPDVorsitzenden Saskia Esken gesetzt wurde, sitzt richtig tief in der Polizei. Momentan werden die, die tagtäglich den Kopf hinhalten, zu Unrecht angegangen.
Ist eine solche Studie aber nicht auch in der Lage diese Vorwürfe ein für alle Mal zu entkräften?
Das sehe ich überhaupt nicht so. Die Studie führt einfach nur dazu, dass das Thema in der Öffentlichkeit weiter präsent bleibt. Wenn ich die VerRassismusbeauftragte. trauenswerte der Polizei in der Bevölkerung anschaue, dann stehen wir weit vor anderen Berufsgruppen und Politikern. Und jetzt wird die Polizei mit einer Scheindiskussion zu Unrecht angegriffen. Was wir brauchen, sind verstärkte Schulungen zum Beispiel über den Umgang mit sozialen Medien. Aber eine Studie allei n bringt uns überhaupt nicht weiter.
Sie sprachen davon, dass es genug Mechanismen gibt, um Rassismus auszuschließen. Welche sind das?
Wir haben in Baden-Württemberg eine Bürgerbeauftragte, wir haben
(dpa) - Nach monatelangem Streit in der Koalition ist Bundesinnenminister Horst Seehofer jetzt doch bereit, eine Studie zu Rassismus in der Polizei in Auftrag zu geben. Allerdings zu seinen Bedingungen: Der CSU-Politiker besteht darauf, dass die Forscher gleichzeitig auch Schwierigkeiten und Frust im Alltag der Sicherheitsbeamten in den Blick nehmen. Damit da eine „vernünftige Balance“herrsche, sagte Seehofer.
Nachdem rechtsextreme Chatgruppen von Polizisten in mehreren Bundesländern aufgedeckt wurden, hatte vor allem die SPD bereits eine umfassende Rassismusstudie bei der
Wir haben alle möglichen Stellen, an die sich Menschen wenden können, wenn sie sich ungerecht behandelt fühlen oder es einen Verdacht gibt.Wir haben funktionierende Mechanismen auch innerhalb der Polizei. Das zeigen die ganz wenigen Diskriminierungsfälle in den Disziplinarstatistiken. Selbst da, wo wir charakterliche Eignungsmängel bei Beamten in Ausbildung festgestellt haben, wurden sofort Entlassungen vollzogen. Letztendlich haben wir auch in allen Fragen der Diskriminierung die Möglichkeit vor Gericht zu gehen.
Polizei gefordert. Mehrere Landesinnenminister kündigten eigene Untersuchungen an. Nur die AfD, einige Unionspolitiker und Seehofer waren dagegen. Der Minister argumentierte, es sei falsch, sich bei der Untersuchung dieses Phänomens allein auf die Sicherheitsbehörden zu konzentrieren. Damit würde man die Polizei unter Generalverdacht stellen.
Dass die Fronten so verhärtet waren, lag auch daran, dass man sich im Bundesinnenministerium und auch bei den Polizeibehörden über eine Interview-Äußerung der SPD-Vorsitzenden Saskia Esken geärgert hatte. Esken hatte Anfang Juni nach den Demonstrationen gegen Rassismus und Polizeigewalt in den USA gesagt:
Der Bürger kann eine Anzeige machen. Da gibt es viele Möglichkeiten.
Wer bereits von einer Behörde diskriminiert wurde, hat vielleicht nicht das Vertrauen, sich wieder an eine Behörde mit einer Beschwerde zu wenden.
Wenn das so ist, liegt das an den zuständigen Stellen, wie der Bürgerbeauftragten. Diese müssen für sich werben und für Vertrauen sorgen. Aber aus dem kürzlich veröffentlichten Bericht der Bürgerbeauftragten kann man das so auch nicht entnehmen. Die Menschen melden sich und
„Auch in Deutschland gibt es latenten Rassismus in den Reihen der Sicherheitskräfte, die durch Maßnahmen der Inneren Führung erkannt und bekämpft werden müssen.“
Damit es jetzt nicht so aussieht, als sei er in der Frage der Studie eingeknickt, wie ihm die AfD jetzt vorwirft, betont Seehofer: „Es hat sich an meiner Position nichts geändert.“Sein Vertrauen in die Polizei sei nach wie vor hoch. Polizisten „halten ja für uns den Kopf hin“, sagt er. Dafür würden sie oft „nicht besonders gut bezahlt“. In einer Stadt wie München müssten Polizisten zum Teil in Wohngemeinschaften wohnen, weil sie sich eine eigene Bleibe nicht leisten könnten. Die Polizeibeamten wiesen zudem zu schreiben Beschwerden, wenn sie sich von einer Behörde diskriminiert fühlen.
Wie wirkt sich die Rassismusdebatte langfristig auf die Polizei aus?
Ich sehe so langsam wirklich negative Auswirkungen dieser Diskussion auf das Einschreiten der Polizeibeamten. Man muss sich wirklich fragen, ob das nicht auch dazu führt, dass die Kollegen bestimmte Kontrollen einfach nicht mehr durchführen und dadurch die Kriminalitätsbekämpfung in Baden-Württemberg einen erheblichen Schaden nimmt.
Recht darauf hin, „wie aggressiv der Ton inzwischen geworden ist“, sagt der Minister.
In einem internen Papier zur geplanten Polizei-Studie heißt es: „Unsere Polizistinnen und Polizisten dürfen mit ihren Erfahrungen nicht alleinegelassen werden. Für Extremismus, Rassismus und Antisemitismus gibt es keine Toleranz.“. Die geplante Studie solle daher untersuchen, „wie dieser Anspruch auch künftig gelebt werden kann“. Gleichzeitig solle das Verhältnis zwischen Gesellschaft und Polizei genauer analysiert und die „veränderten gesellschaftlichen Rahmenbedingungen“miteinbezogen werden. Dazu gehörten auch Gewalt und Hass gegen Polizeibeamte.