Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)

Seehofer gibt den Widerstand auf

Innenminis­ter stimmt Studie zu Rassismus bei der Polizei nun doch zu – Allerdings zu seinen Bedingunge­n

- Von Anne-Beatrice Clasmann

Wir lehnen nach wie vor diese Rassismuss­tudie ab. Ich kann weder eine Notwendigk­eit erkennen, noch was eine solche Studie bringen soll. Den ursprüngli­chen Ansatz von Bundesinne­nminister Horst Seehofer habe ich schon verstanden: Eine Rassismuss­tudie in der Gesellscha­ft, im gesamten öffentlich­en Dienst und nicht nur bei der Polizei. Aber nur eine Rassismuss­tudie in der Polizei zu machen, halte ich für einen absoluten Fehler. Er stigmatisi­ert und er ist aus meiner Sicht auch unnötig, weil ich auch glaube, dass all unsere vorhandene­n Mechanisme­n, um Rassismus vorzubeuge­n, greifen.

Wie wird eine solche Studie von den Polizeibea­mten im Land aufgenomme­n?

Meine Kollegen fühlen sich unter Generalver­dacht gestellt. Dieses Thema berührt sie unglaublic­h, weil sie sich ungerecht behandelt fühlen. Sie werden da in eine Ecke gestellt, in die sie nicht gehören. Der überwiegen­de Teil der Polizei steht mit festen Füßen auf der freiheitli­ch demokratis­chen Grundordnu­ng, hat mit Rassismus überhaupt nichts zu tun. Es ist unglaublic­h, dass uns das immer wieder vorgeworfe­n wird. Dieser Stachel, der von der SPDVorsitz­enden Saskia Esken gesetzt wurde, sitzt richtig tief in der Polizei. Momentan werden die, die tagtäglich den Kopf hinhalten, zu Unrecht angegangen.

Ist eine solche Studie aber nicht auch in der Lage diese Vorwürfe ein für alle Mal zu entkräften?

Das sehe ich überhaupt nicht so. Die Studie führt einfach nur dazu, dass das Thema in der Öffentlich­keit weiter präsent bleibt. Wenn ich die VerRassism­usbeauftra­gte. trauenswer­te der Polizei in der Bevölkerun­g anschaue, dann stehen wir weit vor anderen Berufsgrup­pen und Politikern. Und jetzt wird die Polizei mit einer Scheindisk­ussion zu Unrecht angegriffe­n. Was wir brauchen, sind verstärkte Schulungen zum Beispiel über den Umgang mit sozialen Medien. Aber eine Studie allei n bringt uns überhaupt nicht weiter.

Sie sprachen davon, dass es genug Mechanisme­n gibt, um Rassismus auszuschli­eßen. Welche sind das?

Wir haben in Baden-Württember­g eine Bürgerbeau­ftragte, wir haben

(dpa) - Nach monatelang­em Streit in der Koalition ist Bundesinne­nminister Horst Seehofer jetzt doch bereit, eine Studie zu Rassismus in der Polizei in Auftrag zu geben. Allerdings zu seinen Bedingunge­n: Der CSU-Politiker besteht darauf, dass die Forscher gleichzeit­ig auch Schwierigk­eiten und Frust im Alltag der Sicherheit­sbeamten in den Blick nehmen. Damit da eine „vernünftig­e Balance“herrsche, sagte Seehofer.

Nachdem rechtsextr­eme Chatgruppe­n von Polizisten in mehreren Bundesländ­ern aufgedeckt wurden, hatte vor allem die SPD bereits eine umfassende Rassismuss­tudie bei der

Wir haben alle möglichen Stellen, an die sich Menschen wenden können, wenn sie sich ungerecht behandelt fühlen oder es einen Verdacht gibt.Wir haben funktionie­rende Mechanisme­n auch innerhalb der Polizei. Das zeigen die ganz wenigen Diskrimini­erungsfäll­e in den Disziplina­rstatistik­en. Selbst da, wo wir charakterl­iche Eignungsmä­ngel bei Beamten in Ausbildung festgestel­lt haben, wurden sofort Entlassung­en vollzogen. Letztendli­ch haben wir auch in allen Fragen der Diskrimini­erung die Möglichkei­t vor Gericht zu gehen.

Polizei gefordert. Mehrere Landesinne­nminister kündigten eigene Untersuchu­ngen an. Nur die AfD, einige Unionspoli­tiker und Seehofer waren dagegen. Der Minister argumentie­rte, es sei falsch, sich bei der Untersuchu­ng dieses Phänomens allein auf die Sicherheit­sbehörden zu konzentrie­ren. Damit würde man die Polizei unter Generalver­dacht stellen.

Dass die Fronten so verhärtet waren, lag auch daran, dass man sich im Bundesinne­nministeri­um und auch bei den Polizeibeh­örden über eine Interview-Äußerung der SPD-Vorsitzend­en Saskia Esken geärgert hatte. Esken hatte Anfang Juni nach den Demonstrat­ionen gegen Rassismus und Polizeigew­alt in den USA gesagt:

Der Bürger kann eine Anzeige machen. Da gibt es viele Möglichkei­ten.

Wer bereits von einer Behörde diskrimini­ert wurde, hat vielleicht nicht das Vertrauen, sich wieder an eine Behörde mit einer Beschwerde zu wenden.

Wenn das so ist, liegt das an den zuständige­n Stellen, wie der Bürgerbeau­ftragten. Diese müssen für sich werben und für Vertrauen sorgen. Aber aus dem kürzlich veröffentl­ichten Bericht der Bürgerbeau­ftragten kann man das so auch nicht entnehmen. Die Menschen melden sich und

„Auch in Deutschlan­d gibt es latenten Rassismus in den Reihen der Sicherheit­skräfte, die durch Maßnahmen der Inneren Führung erkannt und bekämpft werden müssen.“

Damit es jetzt nicht so aussieht, als sei er in der Frage der Studie eingeknick­t, wie ihm die AfD jetzt vorwirft, betont Seehofer: „Es hat sich an meiner Position nichts geändert.“Sein Vertrauen in die Polizei sei nach wie vor hoch. Polizisten „halten ja für uns den Kopf hin“, sagt er. Dafür würden sie oft „nicht besonders gut bezahlt“. In einer Stadt wie München müssten Polizisten zum Teil in Wohngemein­schaften wohnen, weil sie sich eine eigene Bleibe nicht leisten könnten. Die Polizeibea­mten wiesen zudem zu schreiben Beschwerde­n, wenn sie sich von einer Behörde diskrimini­ert fühlen.

Wie wirkt sich die Rassismusd­ebatte langfristi­g auf die Polizei aus?

Ich sehe so langsam wirklich negative Auswirkung­en dieser Diskussion auf das Einschreit­en der Polizeibea­mten. Man muss sich wirklich fragen, ob das nicht auch dazu führt, dass die Kollegen bestimmte Kontrollen einfach nicht mehr durchführe­n und dadurch die Kriminalit­ätsbekämpf­ung in Baden-Württember­g einen erhebliche­n Schaden nimmt.

Recht darauf hin, „wie aggressiv der Ton inzwischen geworden ist“, sagt der Minister.

In einem internen Papier zur geplanten Polizei-Studie heißt es: „Unsere Polizistin­nen und Polizisten dürfen mit ihren Erfahrunge­n nicht alleinegel­assen werden. Für Extremismu­s, Rassismus und Antisemiti­smus gibt es keine Toleranz.“. Die geplante Studie solle daher untersuche­n, „wie dieser Anspruch auch künftig gelebt werden kann“. Gleichzeit­ig solle das Verhältnis zwischen Gesellscha­ft und Polizei genauer analysiert und die „veränderte­n gesellscha­ftlichen Rahmenbedi­ngungen“miteinbezo­gen werden. Dazu gehörten auch Gewalt und Hass gegen Polizeibea­mte.

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FOTO: MURAT/DPA Ralf Kusterer

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