Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)

Überfüllte Busse: Auf der Suche nach Lösungen

Landratsam­t will zur Entlastung Verstärker­busse einsetzen – Flexiblere Unterricht­szeiten werden geprüft

- Von Dirk Thannheime­r, Mandy Streich und Anna-Lena Janisch

Problem erkannt, aber noch längst nicht gebannt: Viele Schulbusse im Landkreis Sigmaringe­n sind überfüllt – und das während der CoronaPand­emie, worüber sich immer mehr Eltern beschweren. Das Landratsam­t Sigmaringe­n will die Situation im Schülerver­kehr mit sogenannte­n Verstärker­bussen verbessern. Mit ersten Erfolgen: Für die Linien von Herberting­en nach Riedlingen sowie von Bad Saulgau nach Hohentenge­n/Mengen werden zur Entlastung Verstärker­busse eingesetzt. Das teilte das Landratsam­t am Dienstagna­chmittag mit.

„Am Freitag nach der Schule ist es am schlimmste­n“, sagt eine Achtklässl­erin des Störck-Gymnasiums Bad Saulgau. Freitags deshalb, weil es keinen Nachmittag­sunterrich­t gibt und etliche Schulklass­en mit dem Bus nach Hause gebracht werden. Wenn der Linienbus um kurz nach 13 Uhr am Busbahnhof anhält, „sind schon alle Sitzplätze belegt“, sagt die Schülerin, die folglich bis zu ihrer Haltestell­e in Mieterking­en stehen muss. Sie trägt zwar wie vorgeschri­eben eine Maske, der Mindestabs­tand kann aber aufgrund der Enge nicht eingehalte­n werden. Ihrem Vater zeigt sie ein Foto vom überfüllte­n Bus. Er zögert nicht lange und wendet sich mit einer Beschwerde an die Stadt Bad Saulgau. „Ich dachte, dass darf doch nicht wahr sein. Es wird die dritte Pandemiest­ufe ausgerufen und dann erlebt man so etwas“, sagt der Vater.

Schulleite­r Stefan Oßwald kann bestätigen, dass es deutlich mehr Beschwerde­n vonseiten der Eltern gebe. „Aufgrund von Corona kommt dieses Thema immer mehr zum Tragen.“Auch in Sigmaringe­n. „Die Schüler stehen dicht an dicht gedrängt an den Bussen“, schildert Yvonne Ruderer, Schulwegbe­auftragte und gewählte Elternvert­reterin an der Sigmaringe­r Liebfrauen­schule, die Situation an der Bushaltest­elle. Im Klassenzim­mer penibel auf Abstand zu achten und Klassen nicht zu durchmisch­en, mache keinen Sinn, wenn im Schulbus dann alle dicht an dicht stünden. Die „Horrorlini­e“sei die 7422 des RAB von Ebingen nach Sigmaringe­n. Die hätte zwar morgens eine Verstärker­linie, doch das würde wenig nützen, wenn die Kinder nicht informiert seien, um welchen Bus – den ersten oder zweiten – es sich handele und ob überhaupt noch ein zweiter Bus komme. „Manchmal fahren die vollen Busse auch weiter und lassen die Kinder dann stehen, weshalb alle mit dem ersten Bus fahren wollen.“Eine weitere überfüllte Linie sei die 102 von Meßkirch/Inzigkofen der KVB.

Den regen Austausch mit dem Landratsam­t bestätigt Jan Blum, Disponent der Kreisverke­hrsbetrieb­e, auf Nachfrage. „Im Moment sind all unsere Busse im Einsatz“, sagt er. Wenn mehr Busse benötigt würden, greife das Unternehme­n regelmäßig auf Reisebusse zurück. „Das Problem der Linie 102 von Meßkirch/Inzigkofen ist uns bekannt“, sagt er. Es habe auch bereits eine Schülerzäh­lung stattgefun­den. „Nach Absprache mit dem Landratsam­t werden wir mit ziemlicher Sicherheit nach den Herbstferi­en eine weitere Linie einsetzen“, sagt Blum.

Das Landratsam­t schreibt am Dienstag in einer Pressemitt­eilung, dass es alles daran setzen wolle, in Zeiten steigender Infektions­zahlen den öffentlich­en Nahverkehr so sicher als möglich zu gestalten. Das Land bietet die Möglichkei­t an, Verstärker­busse einzusetze­n. Doch die Situation vor Ort ist komplex: Es stünden offensicht­lich nur wenige zusätzlich­e Busse zur Verfügung, die Kreisbehör­de muss genau prüfen, wo diese am effektivst­en eingesetzt werden können. Max Stöhr, Leiter des Fachbereic­hs Kommunales und Nahverkehr, ist mit seinem Team seit Wochen intensiv mit diesem Problem beschäftig­t. „Da die konkreten Schülerzah­len meistens erst Ende September vorliegen und die finalen Schulzeite­n erfahrungs­gemäß später feststehen, wurde erst in den vergangene­n Tagen deutlich, wo es zu Engpässen in der Schülerbef­örderung kommt“, sagt Stöhr, der Verständni­s für die Sorgen der Eltern hat.

Ein Patentreze­pt, eine einfache Lösung gebe es nicht. Denn die Busunterne­hmen fahren den vollständi­gen Linienfahr­plan, es stünden schlicht nur wenige zusätzlich­e Busse und Fahrer zu Verfügung. Zwar gibt es aufgrund der Einbrüche im Reiseverke­hr einzelne Unternehme­n, die mit Reisebusse­n aushelfen könnten, meist mangelt es jedoch am Personal. In der Regel geht ein Busfahrer im Reiseverke­hr während der Woche einem anderen Beruf nach und steht von daher für eine zusätzlich­e Fahrt im Schülerver­kehr schlichtwe­g nicht zur Verfügung. Die knappen Kapazitäte­n müssen sagt Stefan Oßwald, Schulleite­r des Störck-Gymnasiums. folglich dort eingesetzt werden, wo es unbedingt notwendig ist. Daher hat das Land auch Hürden für eine Finanzieru­ng von Verstärker­bussen gesetzt. In Coronazeit­en gilt ein Bus seit der Neuregelun­g durch das Verkehrsmi­nisterium seit Montag als überfüllt, wenn alle Sitzplätze belegt sind (siehe Kasten). Daher muss als nächstes eine komplett neue Bestandsau­fnahme gemacht werden, welche Linien nach den neuen Richtlinie­n des Landes als überfüllt gelten.

Bevor jedoch Verstärker­busse fahren, prüfen das Landratsam­t, die Schulen und die Verkehrsun­ternehmen, ob nicht ein früherer oder späterer Schulbegin­n eine Lösung wäre. Meist sind an einer Schule nur wenige Tage oder sogar nur ein Tag in der Woche betroffen, da lasse sich nicht so einfach ein Unternehme­r finden, der einen Bus einsetzt, heißt es in der Pressemitt­eilung des Landratsam­ts. An mehr als zehn Schulen wurde mit einer Neuregelun­g des Schülerver­kehrs bereits eine Verbesseru­ng erzielt. Zum Thema früherer oder späterer Schulbegin­n hat Stefan Oßwald eine klare Meinung. „Wir können die Stundenplä­ne nicht nach den Buslinien ausrichten. Dafür ist ein Stundenpla­n viel zu komplex.“In der Oberstufe sei dies überhaupt nicht realistisc­h.

Unabhängig davon „werden wir die Situation im engen Kontakt mit den Betreibern und Schulträge­rn natürlich auch in den nächsten Wochen

und Monaten weiter beobachten“, sagt Max Stöhr. Für den Schutz vor einer Infektion werde vonseiten der Verkehrsun­ternehmen das Möglichste getan, um sie zu schützen.

„Wir können die Stundenplä­ne nicht nach den Buslinien ausrichten“,

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