Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)
Überfüllte Busse: Auf der Suche nach Lösungen
Landratsamt will zur Entlastung Verstärkerbusse einsetzen – Flexiblere Unterrichtszeiten werden geprüft
Problem erkannt, aber noch längst nicht gebannt: Viele Schulbusse im Landkreis Sigmaringen sind überfüllt – und das während der CoronaPandemie, worüber sich immer mehr Eltern beschweren. Das Landratsamt Sigmaringen will die Situation im Schülerverkehr mit sogenannten Verstärkerbussen verbessern. Mit ersten Erfolgen: Für die Linien von Herbertingen nach Riedlingen sowie von Bad Saulgau nach Hohentengen/Mengen werden zur Entlastung Verstärkerbusse eingesetzt. Das teilte das Landratsamt am Dienstagnachmittag mit.
„Am Freitag nach der Schule ist es am schlimmsten“, sagt eine Achtklässlerin des Störck-Gymnasiums Bad Saulgau. Freitags deshalb, weil es keinen Nachmittagsunterricht gibt und etliche Schulklassen mit dem Bus nach Hause gebracht werden. Wenn der Linienbus um kurz nach 13 Uhr am Busbahnhof anhält, „sind schon alle Sitzplätze belegt“, sagt die Schülerin, die folglich bis zu ihrer Haltestelle in Mieterkingen stehen muss. Sie trägt zwar wie vorgeschrieben eine Maske, der Mindestabstand kann aber aufgrund der Enge nicht eingehalten werden. Ihrem Vater zeigt sie ein Foto vom überfüllten Bus. Er zögert nicht lange und wendet sich mit einer Beschwerde an die Stadt Bad Saulgau. „Ich dachte, dass darf doch nicht wahr sein. Es wird die dritte Pandemiestufe ausgerufen und dann erlebt man so etwas“, sagt der Vater.
Schulleiter Stefan Oßwald kann bestätigen, dass es deutlich mehr Beschwerden vonseiten der Eltern gebe. „Aufgrund von Corona kommt dieses Thema immer mehr zum Tragen.“Auch in Sigmaringen. „Die Schüler stehen dicht an dicht gedrängt an den Bussen“, schildert Yvonne Ruderer, Schulwegbeauftragte und gewählte Elternvertreterin an der Sigmaringer Liebfrauenschule, die Situation an der Bushaltestelle. Im Klassenzimmer penibel auf Abstand zu achten und Klassen nicht zu durchmischen, mache keinen Sinn, wenn im Schulbus dann alle dicht an dicht stünden. Die „Horrorlinie“sei die 7422 des RAB von Ebingen nach Sigmaringen. Die hätte zwar morgens eine Verstärkerlinie, doch das würde wenig nützen, wenn die Kinder nicht informiert seien, um welchen Bus – den ersten oder zweiten – es sich handele und ob überhaupt noch ein zweiter Bus komme. „Manchmal fahren die vollen Busse auch weiter und lassen die Kinder dann stehen, weshalb alle mit dem ersten Bus fahren wollen.“Eine weitere überfüllte Linie sei die 102 von Meßkirch/Inzigkofen der KVB.
Den regen Austausch mit dem Landratsamt bestätigt Jan Blum, Disponent der Kreisverkehrsbetriebe, auf Nachfrage. „Im Moment sind all unsere Busse im Einsatz“, sagt er. Wenn mehr Busse benötigt würden, greife das Unternehmen regelmäßig auf Reisebusse zurück. „Das Problem der Linie 102 von Meßkirch/Inzigkofen ist uns bekannt“, sagt er. Es habe auch bereits eine Schülerzählung stattgefunden. „Nach Absprache mit dem Landratsamt werden wir mit ziemlicher Sicherheit nach den Herbstferien eine weitere Linie einsetzen“, sagt Blum.
Das Landratsamt schreibt am Dienstag in einer Pressemitteilung, dass es alles daran setzen wolle, in Zeiten steigender Infektionszahlen den öffentlichen Nahverkehr so sicher als möglich zu gestalten. Das Land bietet die Möglichkeit an, Verstärkerbusse einzusetzen. Doch die Situation vor Ort ist komplex: Es stünden offensichtlich nur wenige zusätzliche Busse zur Verfügung, die Kreisbehörde muss genau prüfen, wo diese am effektivsten eingesetzt werden können. Max Stöhr, Leiter des Fachbereichs Kommunales und Nahverkehr, ist mit seinem Team seit Wochen intensiv mit diesem Problem beschäftigt. „Da die konkreten Schülerzahlen meistens erst Ende September vorliegen und die finalen Schulzeiten erfahrungsgemäß später feststehen, wurde erst in den vergangenen Tagen deutlich, wo es zu Engpässen in der Schülerbeförderung kommt“, sagt Stöhr, der Verständnis für die Sorgen der Eltern hat.
Ein Patentrezept, eine einfache Lösung gebe es nicht. Denn die Busunternehmen fahren den vollständigen Linienfahrplan, es stünden schlicht nur wenige zusätzliche Busse und Fahrer zu Verfügung. Zwar gibt es aufgrund der Einbrüche im Reiseverkehr einzelne Unternehmen, die mit Reisebussen aushelfen könnten, meist mangelt es jedoch am Personal. In der Regel geht ein Busfahrer im Reiseverkehr während der Woche einem anderen Beruf nach und steht von daher für eine zusätzliche Fahrt im Schülerverkehr schlichtweg nicht zur Verfügung. Die knappen Kapazitäten müssen sagt Stefan Oßwald, Schulleiter des Störck-Gymnasiums. folglich dort eingesetzt werden, wo es unbedingt notwendig ist. Daher hat das Land auch Hürden für eine Finanzierung von Verstärkerbussen gesetzt. In Coronazeiten gilt ein Bus seit der Neuregelung durch das Verkehrsministerium seit Montag als überfüllt, wenn alle Sitzplätze belegt sind (siehe Kasten). Daher muss als nächstes eine komplett neue Bestandsaufnahme gemacht werden, welche Linien nach den neuen Richtlinien des Landes als überfüllt gelten.
Bevor jedoch Verstärkerbusse fahren, prüfen das Landratsamt, die Schulen und die Verkehrsunternehmen, ob nicht ein früherer oder späterer Schulbeginn eine Lösung wäre. Meist sind an einer Schule nur wenige Tage oder sogar nur ein Tag in der Woche betroffen, da lasse sich nicht so einfach ein Unternehmer finden, der einen Bus einsetzt, heißt es in der Pressemitteilung des Landratsamts. An mehr als zehn Schulen wurde mit einer Neuregelung des Schülerverkehrs bereits eine Verbesserung erzielt. Zum Thema früherer oder späterer Schulbeginn hat Stefan Oßwald eine klare Meinung. „Wir können die Stundenpläne nicht nach den Buslinien ausrichten. Dafür ist ein Stundenplan viel zu komplex.“In der Oberstufe sei dies überhaupt nicht realistisch.
Unabhängig davon „werden wir die Situation im engen Kontakt mit den Betreibern und Schulträgern natürlich auch in den nächsten Wochen
und Monaten weiter beobachten“, sagt Max Stöhr. Für den Schutz vor einer Infektion werde vonseiten der Verkehrsunternehmen das Möglichste getan, um sie zu schützen.
„Wir können die Stundenpläne nicht nach den Buslinien ausrichten“,