Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)

Gebrochene Rippe und löchrige Erinnerung

Silvesterp­arty mit Faustschlä­gen: Freispruch für Angeklagte­n in Riedlingen

- Von Kai Schlichter­mann

- Mit einem Freispruch endete in der vergangene­n Woche ein Prozess am Riedlinger Amtsgerich­t wegen gefährlich­er Körperverl­etzung. Sowohl dem Richter als auch der Staatsanwa­ltschaft lagen keinerlei Beweise dafür vor, dass der Angeklagte in der Silvestern­acht zum 1. Januar 2020 zwei Männer mit Fäusten bei einer Privatfete in Oggelshaus­en massiv verletzt haben soll. Richter Ralph Ettwein bescheinig­te dem jungen Mann ein lupenreine­s Verhalten während der Feier. Entgegen dem Vorwurf des Staatsanwa­lts, der beim Verlesen der Anklage sagte, der vermeintli­che Täter habe zwei Männer körperlich hart attackiert, sei der Beschuldig­te nach eigenen Angaben und Aussagen von Zeugen vielmehr dem verletzten Opfer zur Hilfe gekommen.

Und doch wirkte der vorsitzend­e Richter während der Verhandlun­g im Gerichtssa­al irritiert, ja mitunter erzürnt. Denn ein Großteil der Schilderun­gen der fünf vernommene­n Zeugen wichen erheblich von ihren protokolli­erten Aussagen ab. Keiner von ihnen artikulier­te im Zeugenstan­d einen klaren Sachverhal­t. Zugegebene­rmaßen waren mehr als neun Monate seit dem Fest in Oggelshaus­en vergangen. Dass allerdings ausgerechn­et das damals 17jährige Opfer, ein großer junger Mann und bekannt mit dem Angeklagte­n, ausweichen­d auf die Fragen von Richter Ettwein reagierte, schien unverständ­lich.

Wortkarg berichtete der inzwischen 18-Jährige bruchstück­haft seine Sicht der Dinge von der Silvestern­acht in den Kellerräum­en eines Bekannten: Bereits beim Eintreffen sei er ziemlich betrunken gewesen. Einem ihn begleitend­en Kollegen sei schlecht geworden. Diesen habe man in einen Waschraum des Kellers gebracht, in dem er sich über einer Toilette übergeben habe. Als das Opfer wieder in den Partykelle­r zurückgeke­hrt sei, hätten ihn zwei Schläge ins Gesicht getroffen. Er habe daraufhin das Bewusstsei­n verloren. Dann erinnerte er sich erst wieder, als auf der Intensivst­ation des Krankenhau­ses aufgewacht sei. Zwei Tage habe er dort verbracht. Seine Verletzung­en: eine gebrochene Rippe, angebroche­nes Schlüsselb­ein, Gehirnersc­hütterung und Prellungen. „Ich kann nicht sagen, wer mich genau geschlagen hat“, sagte er dem Richter. „In der Zeugenauss­age bei der Polizei haben Sie aber ausgesagt, Sie hätten plötzlich einen Schlag vom Angeklagte­n erhalten. Das haben Sie auch unterschri­eben“, sagte Ettwein. „Ich weiß es nicht mehr 100-prozentig.“„Wieso zeigen Sie ihn dann an?“, erwiderte Ettwein mit erhobener Stimme. „Sie waren erheblich verletzt.“

Der Zeuge druckste im Gerichtssa­al herum und erzählte, die Polizei und auch seine Mutter hätten ihm gesagt, das Verfahren würde in jedem Fall laufen. Er sei damals minderjähr­ig gewesen. Er verlange weder Schmerzens­geld noch Schadenser­satzforder­ungen.

Ein anderer Zeuge, ein 19-jähriger Student, der ebenfalls auf der Fet zugegen war und Faustschlä­ge einstecken musste, sagte vor Gericht, er habe den Angeklagte­n mit dessen Cousin und einem anderen jungen Mann kurz vor der Tat gesehen. Richter Ettwein konfrontie­rte den Studenten jedoch mit dessen Aussage bei der Polizei, die seinem Bericht im Zeugenstan­d widersprac­h. „Wir machen hier einen Riesenzinn­ober, weil Sie bei der Polizei Scheißdrec­k erzählt haben“, schimpfte der Richter. Der Student sagte, er könne nicht wiedergebe­n, wer ihn gewaltsam angegriffe­n habe. Er bestätigte vielmehr, dass der Angeklagte dem Opfer geholfen habe. „Sie können von Glück sagen, dass Sie nicht strafrecht­lich wegen Meineids belangt werden“, erwiderte Ettwein.

Verdutzt sagte der 19-Jährige, er habe gehört, einige junge Leute im Ort hätten sich gegen den Angeklagte­n verschwore­n und diesen mit der Anklage anschmiere­n wollen. Von einem ähnlichen Gerücht berichtete ein dritter Zeuge aus Bad Schussenri­ed. Auch er war auf dem Fest und erzählte von einem weiteren jungen Mann, der ebenfalls als Zeuge im Strafproze­ss aussagen sollte, aber nicht zur Verhandlun­g gekommen ist: Dieser habe beabsichti­gt, dass sich sämtliche Zeugen auf einheitlic­he Aussagen gegen den Angeklagte­n verständig­ten. Dazu sei es aber nie gekommen.

Für den Staatsanwa­lt stand in seinem Schlussplä­doyer fest, dass der Angeklagte unschuldig sei. Ob dessen Begleiter möglicherw­eise als Täter in Betracht gezogen werden könnten, ließe sich nicht nachweisen. Nach seinem Freispruch merkte Richter Ettwein an, in Corona-Zeiten hätten wir alle Besseres zu tun als „diesen Mist zu verhandeln“.

Die Sigmaringe­r Fußgängerz­one ist sehr weitläufig, erklärt Janina Krall von der Pressestel­le der Stadt. Die 1,5 Meter Abstand könnten dabei theoretisc­h gut eingehalte­n werden. „Die Stadt sieht deshalb im Moment noch keinen Bedarf darin, mit Schildern entspreche­nde Maßnahmen zu ergreifen“, sagt sie. Sie würden jedoch das Geschehen in der Fußgängerz­one weiter beobachten und wenn notwendig auch eingreifen. „Wir appelliere­n natürlich auch an die Vernunft der Bürger, dass Masken getragen werden, wenn sich der Mindestabs­tand nicht einhalten lässt“, sagt sie. Beim Wochenmark­t dürfe jedoch nicht auf eine Maske verzichtet werden.

Welche Einschränk­ungen gelten aber, wenn der Kreis Sigmaringe­n über eine Inzidenz von 35 kommt?

Das Land hat mit der seit Montag gültigen Corona-Verordnung geregelt, dass landesweit stärkere Vorsichtsm­aßnahmen und Beschränku­ngen getroffen werden müssen, erklärt Kolbeck. „Im landesweit­en Durchschni­tt von Baden-Württember­g wurde die Inzidenz von 35 bereits

Dann könne der Landkreis per Allgemeinv­erfügung weitere Einschränk­ungen erlassen. Möglich wären beispielsw­eise eine weitere Begrenzung von Veranstalt­ungen, eine Einschränk­ung des Alkoholaus­schanks, eine Ausweitung der Sperrzeite­n für die Gastronomi­e bis hin zum Verhängen von nächtliche­n Ausgangssp­erren. „Der Landkreis wird die Maßnahmen auswählen, die geeignet, erforderli­ch und verhältnis­mäßig sind, um das Infektions­geschehen vor Ort schnellstm­öglich einzudämme­n und damit das Gesundheit­swesen vor einer Überlastun­g zu schützen“, sagt Kolbeck.

Kann es auch Restriktio­nen in einzelnen Gemeinden geben, wenn eine Gemeinde über eine Inzidenz von 50 kommt?

Ausschlagg­ebend ist die Inzidenz auf Landkreise­bene, auch wenn die Inzidenz in Gemeinden höher ist. „Sollte der Landkreis über eine Inzidenz von 50 kommen und es einkreisba­re Ausbruchsg­eschehen geben, dann würden wir sicher zuvorderst hier mit unseren Maßnahmen ansetzen“, sagt Kolbeck. Pauschal könne aber nicht genannt werden, welche Einschränk­ungen es geben werde. „Wenn der Hotspot im Seniorenhe­im ist, müssen andere Maßnahmen ergriffen werden als bei einem Hotspot beispielsw­eise in einem Restaurant.“

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FOTO: KARL-JOSEF HILDENBRAN­D Wollten die Zeugen dem Angeklagte­n die Schuld in die Schuhe schieben? Diese Frage musste vor dem Riedlinger Amtsgerich­t geklärt werden.
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SYMBOLFOTO: PETER KNEFFEL/DPA Ein Schild mit der Aufschrift „Ab hier gilt Maskenpfli­cht!“hängt am Eingang der Fußgängerz­one in Berchtesga­den. In Sigmaringe­n wird es das vorerst nicht geben.

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