Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)
Brüder-Grimm-Preis für Valerie Fritsch
Die österreichische Schriftstellerin
(31, Foto: dpa) wird von der Stadt Hanau mit dem Brüder-Grimm-Preis für Literatur ausgezeichnet. Sie erhalte den mit 10 000 Euro dotierten Preis für ihren Roman „Herzklappen von Johnson & Johnson“, so die Stadt am Mittwoch. Die Verleihung ist für den 20. November geplant. Der Roman erzählt die Geschichte einer Familie über drei Generationen hinweg. Laut Jury schildert Fritsch „in trennscharfen Bildern die Wirkungen des Schweigens und vergegenwärtigt die Notwendigkeit des Schmerzes im Leben: ausdrucksstark, lebensnah und mit beeindruckender Sensibilität für seelische Schattierungen“. Das Buch war bereits für den Deutschen Buchpreis 2020 nominiert. (dpa)
Valerie Fritsch
Jede Auszeichnung lebt von einer Geschichte dahinter. Im Rheingau habe ich den Rheingauer Literaturpreis erhalten, der mit 111 Flaschen Rheingauer Riesling dotiert war. 111 Flaschen Riesling zu trinken, ist keine einfache Aufgabe, man kommt kaum noch zum Schreiben. Und jetzt: Eichendorff: ein Autor, der mich stets begleitet hat, als Lektüre und auch als Figur: Ich erfreue mich dieser Nähe.
„Herkunft“ist ein Buch über Ihre „Heimaten“, wie Sie schreiben. Warum benutzen Sie dieses Wort in der Mehrzahl?
Heimaten sind Konzepte von Zugehörigkeit. Mal emotional, mal geografisch, mal sinnlich. Mal aus einem Verlust geboren, mal niemals verloren. In der Jugend oft anders bewertet als mit einer Reife. Der Begriff ist für mich also mehrfach besetzt und mit zahlreichen sehr unterschiedlichen Geschichten untermalt – eine Art kakofonische Sinfonie aus Erinnerungen, Orten, Menschen, die nur für mich Sinn macht, mich bewegt und auch definiert als den Menschen, der ich heute bin.
Sie wurden in Bosnien geboren und sind mit 14 Jahren vor dem Jugoslawienkrieg nach Heidelberg geflohen. Wie haben Sie Flucht und Ankunft erlebt?
Überforderung, Angst, Unsicherheit, Fragen ohne klare Antworten, Schlaflosigkeit, Befremdung, Isolation, Müdigkeit, Sorge.
Mit Ihrer Kritik an Peter Handkes Darstellung des Jugoslawienkriegs haben Sie eine Debatte über Wahrheit und Lüge in der Literatur entfacht. Was hat diese bewirkt?
Dass diejenigen, die Handkes Jugoslawien-Texte in der Zukunft – oder noch einmal – lesen, sie aufgeklärt lesen werden. Das heißt: mit Tatsachenwissen