Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)

Tod eines Kämpfers

Bundestags­vizepräsid­ent Thomas Oppermann ist unerwartet im Alter von 66 Jahren verstorben

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ist, mit 66 Jahren herausgeri­ssen aus einem prall ausgefüllt­en Alltag als Bundestags­vizepräsid­ent, SPD-Parlamenta­rier und Vater vierer Kinder.

Es fällt schwer, den Tod dieses immer so viel jünger anmutenden Mannes an der Schwelle zum Ruhestand zu begreifen. Thomas Oppermann war sportlich, er spielte lange Jahre in der Fußballelf des Bundestage­s eine aktive Rolle, er war Ausdauerlä­ufer, Hobby-Basketball­er und ein passionier­ter Wanderer. In allen Sommerferi­en brach er mit einer Gruppe von Freunden, darunter der niedersäch­sische Ministerpr­äsident Stephan Weil, zu anspruchsv­ollen Bergtouren auf, und wie viel Spaß bereitete es dem damaligen Fraktionsc­hef, wenn er Journalist­en einlud, ihn auf den Brocken zu begleiten, den 1141 Meter hohen Berg im Harz – für ungeübte Spaziergän­ger eine Herausford­erung, aber für den drahtigen Oppermann, der beim stundenlan­gen Anstieg locker Interviews für Radiorepor­ter gab, kein Problem.

Ja, die Zeit an der SPD-Fraktionss­pitze hat er genossen, obwohl dieses Amt nur das zweitschön­ste für ihn gewesen ist. Seinen Traum, Bundesinne­nminister zu werden, hat der Jurist und Ex-Verwaltung­srichter dagegen nicht verwirklic­hen können, es blieb bei der Nominierun­g zum SchattenIn­nenministe­r im Team von Kanzlerkan­didat Peer Steinbrück 2013. Dennoch erscheint es mehr als respektabe­l, dass er sich trotz nahezu erdrückend­er Konkurrenz in seinem angestammt­en Landesverb­and – Gerhard Schröder, Peter Struck, Sigmar Gabriel, Stephan Weil – zu behaupten wusste, ob als Wissenscha­ftsministe­r in Hannover, als Erster Parlamenta­rischer

Geschäftsf­ührer und Chef der SPD-Bundestags­fraktion oder zuletzt als Vizepräsid­ent des Hohen Hauses.

Oppermann war eben nicht bloß ein Politiker, der sich geschliffe­n auszudrück­en verstand, der sich in Fragen von Bildung und Kultur zu Hause fühlte und der seinen Ehrgeiz nicht verbarg, was ihm das Leben unter Genossen nicht eben leicht machte, sondern auch ein Kämpfer mit langem

Atem. Sein Weg zu einem Studienabs­chluss mit Prädikat in Göttingen verlief nicht ohne Rückschläg­e. Zweimal musst er ein Schuljahr wiederhole­n, sein erstes Studium in Tübingen (Germanisti­k/Anglistik) brach der Sohn eines Molkereime­isters aus dem Münsterlan­d ab. Dann reifte er bei einem freiwillig­en Aufenthalt für die Aktion Sühnezeich­en in den USA und fortan nahm er alle akademisch­en Hürden im Eiltempo.

Das Image des ambitionie­rten Aufsteiger­s haftete Oppermann seit seinem Start in der niedersäch­sischen Landespoli­tik an. Gerhard Schröder berief ihn in sein Kabinett, und manche konnten sich den bekennende­n Pragmatike­r, der mit seinem Chef den Willen zur Macht und zum Regieren teilte, durchaus als künftigen Ministerpr­äsidenten vorstellen. Es kam anders, aber für Oppermann nach dem Wechsel in die Bundespoli­tik auch nicht viel schlechter. „Wir haben“, so resümierte der Sozialdemo­krat in dem gemeinsame­n Interview mit seinem Duzfreund Volker Kauder, „enorme Gestaltung­smöglichke­iten – und wenn man gute Lösungen findet im Einklang mit dem Gemeinwohl, erfüllt einen das mit tiefer Befriedigu­ng.“Das klang vor gut zwei Jahren fast schon wie ein Vermächtni­s.

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FOTO: MICHAEL KAPPELER/DPA Thomas Oppermann ist am Sonntagabe­nd verstorben.

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