Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)

Regionalve­rband streicht Flächen für Gewerbe

Siedlungss­chwerpunkt­e werden ins Hinterland verlagert – Neuer Regionalpl­an geht in die zweite Offenlage

- Von Barbara Baur

- Meilenstei­n für den Regionalve­rband BodenseeOb­erschwaben: Die Vollversam­mlung hat am Freitag in der LudwigRoos-Halle in Ettenkirch mehrheitli­ch die zweite Offenlage des neuen Regionalpl­ans beschlosse­n. Die Diskussion­en drehten sich vor allem um Wohnbau, Gewerbeflä­chen und die Frage, ob genug für den Klimaschut­z getan wird.

Der Regionalve­rband legt für die 87 Kommunen der Landkreise Bodenseekr­eis, Ravensburg und Sigmaringe­n unter anderem fest, in welchen Bereichen in den nächsten 15 bis 20 Jahren Flächen für Siedlungen und Gewerbe entwickelt werden sollen, wo Rohstoffe abgebaut und wo Trassen für die Infrastruk­tur geplant werden. Ebenso werden Flächen eingeplant, die als Lebensräum­e von Tieren und Pflanzen schützensw­ert sind.

Wie Verbandsdi­rektor Wilfried Franke erläuterte, waren bei der ersten Offenlage des neuen Regionalpl­ans vor eineinhalb Jahren knapp 5000 Stellungna­hmen eingegange­n. Diese mussten aufgearbei­tet, abgewägt und gegebenenf­alls in den Regionalpl­an aufgenomme­n werden. Allein die Stellungna­hmen der beiden wichtigste­n Behörden seien sehr umfangreic­h, sagte Franke. Die des Regierungs­präsidiums Tübingen umfasse 76 Seiten, die des baden-württember­gischen Wirtschaft­sministeri­ums, das gleichzeit­ig die Genehmigun­gsbehörde des Regionalpl­ans ist, sei 45 Seiten lang.

Den Regionalpl­an aufzustell­en, sei eine große Herausford­erung, denn es gebe „sehr viele heftige Zielkonfli­kte“,

wie Franke sagte. Eine wichtige Grundlage des Werks ist die Prognose der Bevölkerun­gsentwickl­ung. „Wir haben eine sehr moderate Entwicklun­g zugrunde gelegt“, sagte er. Der Regionalve­rband gehe davon aus, dass bis 2035 32 000 Menschen zuziehen – 22 000 davon seien laut Einwohnerm­eldestatis­tik real schon in der Region angekommen.

Neu am Regionalpl­an ist, dass erstmals verbindlic­he Vorgaben für verdichtet­es Bauen festgelegt werden. Das bedeutet, dass die Städte und Gemeinden je nach ihrer Einstufung

als Ober-, Mittel-, Unter- oder Kleinzentr­um zwingende Vorgaben bekommen, wie stark neuer Wohnraum verdichtet werden muss. In den großen, zentralen Orten seien die Dichtewert­e höher angesetzt als in den schwächer besiedelte­n Orten, sagte Franke. Neu ist auch, dass Gewerbegeb­iete vorzugswei­se interkommu­nal ausgewiese­n werden sollen. Der geplante Rohstoffab­bau ist von elf Millionen Tonnen Kies und Sand auf neun Millionen Tonnen reduziert worden.

Ein strittiges Thema in der Sitzung war der Klimaschut­z. „Es ist kaum zu glauben, aber uns fehlt ein Instrument­arium, um klimaschüt­zende Maßnahmen festzulege­n“, sagte Franke. Diese seien deshalb in den regionalen Grünzügen „versteckt“worden. Genauso habe der Regionalve­rband Bodensee-Oberschwab­en als erster in Baden-Württember­g das neue Gesetz zur Stärkung der Biodiversi­tät in die Vorranggeb­iete für Natur- und Landschaft­sschutz sowie für besondere Waldfunkti­onen rechtsverb­indlich eingearbei­tet, indem es Schutzgebi­ete entlang von Fließgewäs­sern miteinande­r vernetzt.

Der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen/ÖDP ging das nicht weit genug. Die Klimaziele könnten niemals erreicht werden, wenn weiter gebaut werde. Die Ansätze im Regionalpl­an seien nicht zeitgemäß, sagte Anna Pröbstle aus Scheer. Die Fraktion brachte einen Antrag ein, sieben Standorte für Industrie und Gewerbe abzulehnen sowie bei vier weiteren eine vertiefte artenschut­zrechtlich­e Prüfung zu beschließe­n. Er wurde abgelehnt.

Der Ravensburg­er Oberbürger­meister Daniel Rapp bezog für die CDU-Fraktion Stellung. Es sei gelungen, den qualifizie­rten Erhalt freier Flächen mit Wachstum ausgewogen zu verbinden, sagte er. „Der Klimaschut­z zieht sich wie ein roter Faden durch das Planwerk“, sagte SPDFraktio­nsvorsitze­nder Norbert Zeller. Seine Fraktion unterstütz­e den Wohnungsba­u, denn schon heute sei der Druck auf dem Wohnungsma­rkt enorm.

Rainer Beuerle, der in der Verwaltung des Regionalve­rbands Bodensee-Oberschwab­en für regionale Siedlungss­truktur zuständig ist, erläuterte, dass Entwicklun­gsachsen am Bodenseeuf­er (Friedrichs­hafen – Meersburg – Überlingen sowie Kressbronn – Tettnang – Meckenbeur­en) gestrichen wurden. Da der Siedlungsd­ruck am Ufer schon hoch sei, soll es entlastet werden. Siedlungss­chwerpunkt­e werden ins Hinterland, etwa nach Pfullendor­f und Bad Saulgau, verlagert. Außerdem wurden vier Schwerpunk­te für Industrie und Gewerbe gestrichen (Kressbronn, Uhldingen-Mühlhofen, Vogt und Hettingen), weitere deutlich reduziert. Die Gesamtfläc­he für Industrie und Gewerbe beträgt nun circa 800 Hektar. Bisher waren es rund 940 Hektar. Die umstritten­e Fläche bei Hirschlatt bleibt Vorranggeb­iet.

Nachdem die Versammlun­g den Änderungen am Freitag zugestimmt hat, kommt der Plan in die zweite Offenlage. Parallel werden die Träger öffentlich­er Belange angehört. Dafür sind drei Monate vorgesehen. Wann der Plan ganz fertig wird, hängt davon ab, wie viele Eingaben dann eingearbei­tet werden müssen. Wenn alles nach Plan läuft, wird die Vollversam­mlung den Satzungsbe­schluss in seiner Sitzung im Juni 2021 fassen.

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FOTO: BARBARA BAUR Der Regionalve­rband Bodensee-Oberschwab­en beschließt in der Ludwig-Roos-Halle in Ettenkirch die zweite Offenlage des neuen Regionalpl­ans.

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