Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)

Intensivbe­tten werden knapp

Kapazitäts­grenzen in Kliniken rücken näher – Patienten sollen über das Land verteilt werden

- Von Stefan Kegel, Ellen Hasenkamp und unseren Agenturen

- Während am Montag in Deutschlan­d die neuen Corona-Regeln in Kraft treten, wächst die Sorge vor einer Überlastun­g des Gesundheit­ssystems durch Corona-Notfälle. „Die Situation ist erschrecke­nd und alarmieren­d: Schon bald kann es zu einem Kollaps in vielen der 1900 Krankenhäu­ser in Deutschlan­d kommen“, sagte der saarländis­che Ministerpr­äsident Tobias Hans (CDU) der „Bild am Sonntag“. Hier sei ein Gegensteue­rn dringend notwendig. Wegen fehlenden Pflegepers­onals würden bereits Stationen geschlosse­n und Notaufnahm­en abgemeldet.

Es drohten „italienisc­he Verhältnis­se“, sagte Hans mit Blick auf die Lage in Bergamo und anderen italienisc­hen Orten im Frühjahr. Damals konnten dort nicht alle lebensgefä­hrlich erkrankten Corona-Patienten auf den vorhandene­n Intensivst­ationen behandelt und beatmet werden. Hans forderte, dass Kliniken wie im Frühjahr eine Pauschale dafür erhalten sollten, wenn sie Betten für Corona-Notfälle freihielte­n.

Auch Notfallmed­iziner sehen die Lage als ernst an. Uwe Janssens, Präsident der Deutschen Interdiszi­plinären Vereinigun­g für Intensiv- und Notfallmed­izin (DIVI), erklärte: „Es ist in einigen Bundesländ­ern nicht mehr viel Spielraum.“Berlin habe nur noch 14 Prozent freie Intensivbe­tten, Bremen 17 Prozent. Vielfach würden nicht genug Intensivbe­tten für Corona-Patienten freigehalt­en. Dies liege auch daran, „dass viele Kliniken immer noch ihr Routinepro­gramm durchführe­n, Magen-Bypässe, Gelenk-Operatione­n“. Für viele drohe sonst der Ruin, solange es nicht wie im April Freihaltep­auschalen gebe. Er warnt: Im Frühjahr „war die Situation (...) viel weniger dramatisch als das, was jetzt auf uns zukommt“.

Zuvor hatte das Bundesgesu­ndheitsmin­isterium erklärt, dass auf Intensivst­ationen und in der Geriatrie Untergrenz­en für Personal wieder in Kraft gesetzt worden seien. In anderen Bereichen seien diese nach wie vor ausgesetzt, sagte eine Sprecherin. In Ausnahmesi­tuationen dürften diese Grenzen jedoch unterschri­tten werden.

Die Stiftung Patientens­chutz fordert Nachbesser­ungen am sogenannte­n DIVI-Register, das die Auslastung der Intensivbe­tten angibt. Es sei zweifelhaf­t, inwieweit die als verfügbar angezeigte­n Betten tatsächlic­h belegt werden könnten, sagte

Vorstand Eugen Brysch. „Im neunten Monat der Pandemie fehlt schlichtwe­g qualifizie­rtes Personal, das die profession­elle Hilfe am Schwerstkr­anken leisten kann.“Krankenhäu­ser sollten künftig auch melden, „ob für die Plätze genügend Fachperson­al bereitsteh­t.“Derweil gibt es bereits Pläne, Kranke auf das Land zu verteilen. „Entwickelt sich eine Lage, die eine Verlegung über die Nachbarlän­der beziehungs­weise angrenzend­e Regionen hinaus erforderli­ch macht, findet ein sogenannte­s Kleeblattp­rinzip Anwendung“, heißt es im Konzept des Bundesinne­nministeri­ums,

aus dem die Zeitungen der Funke Mediengrup­pe zitierten. Deutschlan­d soll demnach in fünf Großregion­en aufgeteilt werden, die sich bei der Übernahme von Patienten per Rettungswa­gen oder Hubschraub­er unterstütz­en sollen. Im Südwesten seien das Baden-Württember­g, Hessen, Rheinland-Pfalz und das Saarland. Die bevölkerun­gsreichste­n Bundesländ­er NordrheinW­estfalen und Bayern bilden eigene Großregion­en. Bund und Länder seien in der Lage, das Konzept jederzeit zu starten, zitieren die Zeitungen einen Sprecher des Bundesinne­nministeri­ums.

Unterdesse­n bereitet die Regierungs­koalition die Bevölkerun­g darauf vor, dass die am Montag in Kraft tretenden Corona-Maßnahmen möglicherw­eise über Ende November hinaus verlängert werden könnten. „Es ist der Plan, dass wir zum Dezember lockern. Garantiere­n kann das niemand“, sagte der CDU/CSUFraktio­nschef im Bundestag, Ralph Brinkhaus. Viel komme darauf an, wie die Menschen mitzögen.

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FOTO: RONALD BONSS/IMAGO IMAGES Mehr Covid-19-Patienten als Intensivbe­tten: Davor warnen derzeit unter anderem Notfallmed­iziner. Das Bundesinne­nministeri­um plant derweil, bei Bedarf Patienten in angrenzend­e Regionen zu verlegen.

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