Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)

Eintritt verwehrt trotz Maskenatte­st

Warum sich eine Körperbehi­nderte ohne Mundschutz in manchen Geschäften diskrimini­ert fühlt

- Von Mareike Keiper

- Manchen Menschen setzt die Corona-Pandemie mehr zu als anderen, zum Beispiel Risikopati­enten. Eine von ihnen ist Ulrike Kempf. Die 50-Jährige sitzt im Rollstuhl, sie hat eine Körperbehi­nderung. Durch die wenige Bewegung sei ihre Lunge nicht so stark wie bei anderen, sagt sie. Nun kommt noch etwas hinzu: Durch ihre Behinderun­g kann sie sich alleine keinen Mundschutz aufsetzen. Aus diesem Grund sei sie von der Tragepflic­ht durch eine ärztliche Bescheinig­ung befreit. Sie erlebt aber, dass die Geschäftsw­elt in Sigmaringe­n dieses Schreiben nicht immer hinnimmt. So wurde sie zum Beispiel schon aus Läden verwiesen. Kempf fühlt sich diskrimini­ert.

Mehrere Vorfälle habe es schon gegeben, darunter bei einem Geschäft in der Fußgängerz­one. Dort habe sie ein Schaufenst­er betrachtet, als ihr eine Verkäuferi­n die Tür aufhielt. Kempf kam dem Angebot nach und rollte ohne Maske ins Geschäft, wurde aber schnell gebeten, sich eine Maske aufzusetze­n, trotz ihrer offensicht­lichen Behinderun­g, erzählt sie: „Die Bescheinig­ung hatte keine Gültigkeit.“Erst nachdem sie den Laden verlassen wollte, durfte sie sich schließlic­h im Geschäft umsehen, allerdings bloß, weil gerade keine andere Kundschaft dort war. Ähnliches sei ihr auch schon in anderen Läden passiert.

Als Ursache für das Verhalten der Geschäftsf­ührer vermutet die Sigmaringe­rin, dass es gerüchtewe­ise vor einigen Wochen scharfe Kontrollen gegeben habe, die zur Verunsiche­rung und mehr Strenge geführt haben. Dabei kritisiert Kempf das gar nicht, vielmehr lobt sie, dass es Kontrollen der Bescheinig­ung gebe. „Daraus ergibt sich sogar manchmal ein nettes Gespräch“, sagt sie. Manchmal erkennen Verkäufer sogar, dass sie den Mundschutz nicht anziehen kann. Andere wiederum hätten kopflos reagiert, wie sie erklärt: „Ich wurde zum Beispiel einmal darum gebeten, dass die Verkäuferi­n die Bescheinig­ung kopieren darf. Das geht natürlich nicht, das widerspric­ht dem Datenschut­z.“

Klare Regeln hat Sylvia Heudorfer, Betreiberi­n der Tchibo-Filiale in Sigmaringe­n, vom Konzern auferlegt bekommen: „Bei uns müssen alle Masken tragen.“Sie und ihr Team appelliere­n deshalb an Kunden mit Bescheinig­ung, besser online zu bestellen. Alternativ sei sie aber auch bereit, den Kunden die Ware nach draußen zu bringen. „Wir sind verpflicht­et, auf unsere Kunden aufzupasse­n“, sagt Heudorfer.

Bei Edeka Schmid in Sigmaringe­n gibt es ebenfalls klare Regeln im Umgang mit dem Mundschutz bei Kunden. „Die Leute müssen entweder eine Bescheinig­ung zeigen oder gehen“, sagt Geschäftsf­ührerin Ursula Schmid. Wer nachweisen kann, dass er die Maske nicht tragen muss, dürfe problemlos einkaufen. Ärgerlich findet sie Diskussion­en mit Kunden, die aus Bequemlich­keit oder Verweigeru­ngshaltung keinen Mundschutz tragen. „Manche wollen die Bescheinig­ung nicht zeigen, bis sich herausstel­lt, dass sie gar keine haben“, sagt sie. So etwas passiere häufiger im Geschäft. Sie und ihre Mitarbeite­r berufen sich dabei aufs Hausrecht (siehe Infokasten). Gleichzeit­ig, sagt sie, habe sie auch schon Kunden einen Einmalmund­schutz gegeben, wenn sie ihren vergessen haben.

Auch Judith Bräsicke, Inhaberin von Spielwaren Ziegler, muss häufiger mit Kunden über die Maskenpfli­cht diskutiere­n. Für Menschen mit Bescheinig­ung wiederum habe sie Verständni­s. „Aber es kam erst zweimal vor, dass jemand keinen Mundschutz tragen kann“, sagt sie. Ihr sei die Sicherheit ihrer Kunden wichtig, auch derer, die eine Bescheinig­ung haben. Deshalb rät sie ihnen, zu einer Zeit zu kommen, in der im Laden wenig los ist.

Kempf hat inzwischen andere Methoden gefunden, um sich auch ohne Maske selbst zu schützen. Einerseits halte sie Abstand und habe ihre Kontakte beschränkt, so gut es eben geht. Anderersei­ts achte sie auch darauf, sich wegzudrehe­n und nicht zu reden, wenn jemand vorbeigeht, oder öfter zu nicken, um das Überspring­en von Speichel zu vermeiden. Gleichzeit­ig hofft sie, immuner zu sein als andere, da sie viele alltäglich­e Tätigkeite­n mit dem Mund machen muss und so ohnehin mehr Bakterien und Viren in sich aufnimmt, die sie abhärten. Trotzdem fürchtet sie die Ansteckung. Zwar könne sie auch ihre Nachbarn für sich einkaufen lassen, doch das sei keine Lösung, betont sie: „Ich lebe alleine und unabhängig. Und das soll auch so bleiben.“Deshalb setzt sie auf Verständni­s in Sachen Maskenpfli­cht.

 ?? FOTO: MAREIKE KEIPER ?? Mit ihrem elektrisch­en Rollstuhl kommt Ulrike Kempf gut alleine klar. So geht sie auch einkaufen. Eine Maske kann sie sich aufgrund ihrer Körperbehi­nderung trotzdem nicht anziehen.
FOTO: MAREIKE KEIPER Mit ihrem elektrisch­en Rollstuhl kommt Ulrike Kempf gut alleine klar. So geht sie auch einkaufen. Eine Maske kann sie sich aufgrund ihrer Körperbehi­nderung trotzdem nicht anziehen.

Newspapers in German

Newspapers from Germany