Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)
Eintritt verwehrt trotz Maskenattest
Warum sich eine Körperbehinderte ohne Mundschutz in manchen Geschäften diskriminiert fühlt
- Manchen Menschen setzt die Corona-Pandemie mehr zu als anderen, zum Beispiel Risikopatienten. Eine von ihnen ist Ulrike Kempf. Die 50-Jährige sitzt im Rollstuhl, sie hat eine Körperbehinderung. Durch die wenige Bewegung sei ihre Lunge nicht so stark wie bei anderen, sagt sie. Nun kommt noch etwas hinzu: Durch ihre Behinderung kann sie sich alleine keinen Mundschutz aufsetzen. Aus diesem Grund sei sie von der Tragepflicht durch eine ärztliche Bescheinigung befreit. Sie erlebt aber, dass die Geschäftswelt in Sigmaringen dieses Schreiben nicht immer hinnimmt. So wurde sie zum Beispiel schon aus Läden verwiesen. Kempf fühlt sich diskriminiert.
Mehrere Vorfälle habe es schon gegeben, darunter bei einem Geschäft in der Fußgängerzone. Dort habe sie ein Schaufenster betrachtet, als ihr eine Verkäuferin die Tür aufhielt. Kempf kam dem Angebot nach und rollte ohne Maske ins Geschäft, wurde aber schnell gebeten, sich eine Maske aufzusetzen, trotz ihrer offensichtlichen Behinderung, erzählt sie: „Die Bescheinigung hatte keine Gültigkeit.“Erst nachdem sie den Laden verlassen wollte, durfte sie sich schließlich im Geschäft umsehen, allerdings bloß, weil gerade keine andere Kundschaft dort war. Ähnliches sei ihr auch schon in anderen Läden passiert.
Als Ursache für das Verhalten der Geschäftsführer vermutet die Sigmaringerin, dass es gerüchteweise vor einigen Wochen scharfe Kontrollen gegeben habe, die zur Verunsicherung und mehr Strenge geführt haben. Dabei kritisiert Kempf das gar nicht, vielmehr lobt sie, dass es Kontrollen der Bescheinigung gebe. „Daraus ergibt sich sogar manchmal ein nettes Gespräch“, sagt sie. Manchmal erkennen Verkäufer sogar, dass sie den Mundschutz nicht anziehen kann. Andere wiederum hätten kopflos reagiert, wie sie erklärt: „Ich wurde zum Beispiel einmal darum gebeten, dass die Verkäuferin die Bescheinigung kopieren darf. Das geht natürlich nicht, das widerspricht dem Datenschutz.“
Klare Regeln hat Sylvia Heudorfer, Betreiberin der Tchibo-Filiale in Sigmaringen, vom Konzern auferlegt bekommen: „Bei uns müssen alle Masken tragen.“Sie und ihr Team appellieren deshalb an Kunden mit Bescheinigung, besser online zu bestellen. Alternativ sei sie aber auch bereit, den Kunden die Ware nach draußen zu bringen. „Wir sind verpflichtet, auf unsere Kunden aufzupassen“, sagt Heudorfer.
Bei Edeka Schmid in Sigmaringen gibt es ebenfalls klare Regeln im Umgang mit dem Mundschutz bei Kunden. „Die Leute müssen entweder eine Bescheinigung zeigen oder gehen“, sagt Geschäftsführerin Ursula Schmid. Wer nachweisen kann, dass er die Maske nicht tragen muss, dürfe problemlos einkaufen. Ärgerlich findet sie Diskussionen mit Kunden, die aus Bequemlichkeit oder Verweigerungshaltung keinen Mundschutz tragen. „Manche wollen die Bescheinigung nicht zeigen, bis sich herausstellt, dass sie gar keine haben“, sagt sie. So etwas passiere häufiger im Geschäft. Sie und ihre Mitarbeiter berufen sich dabei aufs Hausrecht (siehe Infokasten). Gleichzeitig, sagt sie, habe sie auch schon Kunden einen Einmalmundschutz gegeben, wenn sie ihren vergessen haben.
Auch Judith Bräsicke, Inhaberin von Spielwaren Ziegler, muss häufiger mit Kunden über die Maskenpflicht diskutieren. Für Menschen mit Bescheinigung wiederum habe sie Verständnis. „Aber es kam erst zweimal vor, dass jemand keinen Mundschutz tragen kann“, sagt sie. Ihr sei die Sicherheit ihrer Kunden wichtig, auch derer, die eine Bescheinigung haben. Deshalb rät sie ihnen, zu einer Zeit zu kommen, in der im Laden wenig los ist.
Kempf hat inzwischen andere Methoden gefunden, um sich auch ohne Maske selbst zu schützen. Einerseits halte sie Abstand und habe ihre Kontakte beschränkt, so gut es eben geht. Andererseits achte sie auch darauf, sich wegzudrehen und nicht zu reden, wenn jemand vorbeigeht, oder öfter zu nicken, um das Überspringen von Speichel zu vermeiden. Gleichzeitig hofft sie, immuner zu sein als andere, da sie viele alltägliche Tätigkeiten mit dem Mund machen muss und so ohnehin mehr Bakterien und Viren in sich aufnimmt, die sie abhärten. Trotzdem fürchtet sie die Ansteckung. Zwar könne sie auch ihre Nachbarn für sich einkaufen lassen, doch das sei keine Lösung, betont sie: „Ich lebe alleine und unabhängig. Und das soll auch so bleiben.“Deshalb setzt sie auf Verständnis in Sachen Maskenpflicht.