Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)
Drei Biber für „Notes of Berlin“
So sieht die Bilanz der Filmfest-Organisatoren aus
- Mit ●einer Preisverleihung als aufgezeichnete Onlineshow sind am Sonntagabend die 42. Biberacher Filmfestspiele zu Ende gegangen. Den Goldenen Biber für den besten Spielfilm erhielt „Und morgen die ganze Welt“von Regisseurin Julia von Heinz, der für Deutschland auch ins Rennen um eine Oscar-Nominierung geht. Großer Abräumer beim diesjährigen Festival war indes ein anderer Film.
„Ich bin grad etwas zitterig“, sagt Mariejosephin Schneider am Samstagabend und beugt sich über einen Schreibtisch in der Geschäftsstelle des Filmfestvereins. Von Intendantin Helga Reichert hat die Regisseurin aus Greifswald gerade erfahren, dass ihr Film „Notes of Berlin“gleich drei Preise erhalten hat: den Schülerbiber, den Publikumsbiber und den Biber für den besten Debütspielfilm. „Es kommt mir gerade etwas unwirklich vor, aber es ist ein sehr schöner Moment.“Vor allem über den Publikumsund den Schülerpreis freue sie sich. „Das zeigt, dass der Film tatsächlich funktioniert, so wie wir uns das gewünscht haben“, so die Regisseurin. Für sie eine Bestätigung auch deshalb, weil „Notes of Berlin“bisher nur auf einem Festival in Warschau lief und von mehreren Festivals in Deutschland abgelehnt worden sei.
Eigentlich ist es unüblich, dass Preisträger bereits am Samstag erfahren, dass sie gewonnen haben. Aber Corona hat auch bei den Filmfestspielen einiges verändert. Weil die Dreharbeiten für die OnlinePreisverleihung bereits am Samstagabend begannen, wurden die Gewinner informiert, um noch rechtzeitig eine Videobotschaft aufzeichnen zu können. Die meisten von ihnen waren bereits abgereist, bevor sie von ihrem Erfolg erfuhren, so dass Mariejosephin Schneider eine der wenigen war, die „ihre“Biber zumindest kurz live in die Arme schließen konnte. Sie bleiben aber zunächst noch zur Gravur in Biberach und werden den Gewinnern dann zugeschickt, wie Reinhard Brockof vom Filmfestverein erläutert.
Ein weiterer Biber geht ebenfalls in die Region: Der aus Bad Schussenried stammende und in München lebende Schauspieler und Regisseur Michael Kranz erhielt ihn für seine Dokumentation „Was tun“ über die Zwangsprostitution von Frauen in Bangladesch. Den Hauptpreis Goldener Biber für den besten Spielfilm erhielt Regisseurin Julia von Heinz für „Und morgen die ganze Welt“, der die Frage thematisiert, ob man rassistische Gewalt mit Gegengewalt beantworten darf. Der Film erhielt auch den Sonderpreis „Adrian“für den besten Schnitt, für den Georg Söring verantwortlich zeichnet. Die Regisseurin erfuhr während ihres Aufenthalts in Biberach am Mittwoch zudem, dass der Film als deutscher Beitrag für die Oscar-Verleihung nominiert ist, die am 25. April 2021 in Los Angeles stattfindet.
Bevor die Film-Glamourwelt zurückkehrt, bleiben die Leinwände in den deutschen Kinos ab Montag coronabedingt für mindestens vier Wochen dunkel. Bei den Organisatoren der Filmfestspiele herrschte deshalb am Wochenende Erleichterung darüber, dass das Festival, mit Ausnahme
der Preisverleihung, komplett stattfinden konnte. „Es sind alle Filme gelaufen“, sagt Intendantin Helga Reichert. Und der frühere Direktor der Berlinale, Dieter Kosslick, der dieses Jahr in der Hauptjury saß, hatte die Biberacher Filmfestspiele 2020 bereits unter der Woche als „historisch“bezeichnet, weil es als letztes Präsenzfestival noch so kurz vor dem Lockdown stattgefunden habe, als „Demonstration für das Kino“, so Kosslick.
„Ich bin froh, dass wir es so veranstalten konnten, wie wir es geplant hatten“, sagt Helga Reichert. Es seien zwar insgesamt weniger Zuschauer gekommen. „Ich hatte aber den Eindruck, dass die Diskussionen nach den Filmen etwas intensiver waren.“Dazu habe sicher der etwas entzerrtere Zeitplan beigetragen.
Er habe nur gute Rückmeldungen von Publikum und Filmschaffenden bekommen, sagt Tobias Meinhold, Vorsitzender des Filmfestvereins.
„Deshalb war es gut und richtig, dass wir es als Präsenzfestival veranstaltet haben.“Dass es am Sonntagabend keine Preisverleihung in der Stadthalle gab, können er und Helga Reichert verschmerzen. „Das Schöne an der Preisverleihung ist ja immer die Feier danach. Und die hätte dieses Jahr ohnehin nicht stattfinden können“, meint die Intendantin.
Zufrieden sind die Organisatoren mit der Umsetzung des Hygienekonzepts im Traumpalast an den Festivaltagen. „Soweit wir es mitbekommen haben, haben sich die Leute daran gehalten“, sagt Meinhold.
Den Link zum Video der Preisverleihung gibt es unter www.biberacher-filmfestspiele.de Weitere Fotos und Berichte zum Filmfest gibt’s unter