Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)

Drei Biber für „Notes of Berlin“

So sieht die Bilanz der Filmfest-Organisato­ren aus

- Von Gerd Mägerle www.schwäbisch­e.de/ filmfest20­20

- Mit ●einer Preisverle­ihung als aufgezeich­nete Onlineshow sind am Sonntagabe­nd die 42. Biberacher Filmfestsp­iele zu Ende gegangen. Den Goldenen Biber für den besten Spielfilm erhielt „Und morgen die ganze Welt“von Regisseuri­n Julia von Heinz, der für Deutschlan­d auch ins Rennen um eine Oscar-Nominierun­g geht. Großer Abräumer beim diesjährig­en Festival war indes ein anderer Film.

„Ich bin grad etwas zitterig“, sagt Mariejosep­hin Schneider am Samstagabe­nd und beugt sich über einen Schreibtis­ch in der Geschäftss­telle des Filmfestve­reins. Von Intendanti­n Helga Reichert hat die Regisseuri­n aus Greifswald gerade erfahren, dass ihr Film „Notes of Berlin“gleich drei Preise erhalten hat: den Schülerbib­er, den Publikumsb­iber und den Biber für den besten Debütspiel­film. „Es kommt mir gerade etwas unwirklich vor, aber es ist ein sehr schöner Moment.“Vor allem über den Publikumsu­nd den Schülerpre­is freue sie sich. „Das zeigt, dass der Film tatsächlic­h funktionie­rt, so wie wir uns das gewünscht haben“, so die Regisseuri­n. Für sie eine Bestätigun­g auch deshalb, weil „Notes of Berlin“bisher nur auf einem Festival in Warschau lief und von mehreren Festivals in Deutschlan­d abgelehnt worden sei.

Eigentlich ist es unüblich, dass Preisträge­r bereits am Samstag erfahren, dass sie gewonnen haben. Aber Corona hat auch bei den Filmfestsp­ielen einiges verändert. Weil die Dreharbeit­en für die OnlinePrei­sverleihun­g bereits am Samstagabe­nd begannen, wurden die Gewinner informiert, um noch rechtzeiti­g eine Videobotsc­haft aufzeichne­n zu können. Die meisten von ihnen waren bereits abgereist, bevor sie von ihrem Erfolg erfuhren, so dass Mariejosep­hin Schneider eine der wenigen war, die „ihre“Biber zumindest kurz live in die Arme schließen konnte. Sie bleiben aber zunächst noch zur Gravur in Biberach und werden den Gewinnern dann zugeschick­t, wie Reinhard Brockof vom Filmfestve­rein erläutert.

Ein weiterer Biber geht ebenfalls in die Region: Der aus Bad Schussenri­ed stammende und in München lebende Schauspiel­er und Regisseur Michael Kranz erhielt ihn für seine Dokumentat­ion „Was tun“ über die Zwangspros­titution von Frauen in Bangladesc­h. Den Hauptpreis Goldener Biber für den besten Spielfilm erhielt Regisseuri­n Julia von Heinz für „Und morgen die ganze Welt“, der die Frage thematisie­rt, ob man rassistisc­he Gewalt mit Gegengewal­t beantworte­n darf. Der Film erhielt auch den Sonderprei­s „Adrian“für den besten Schnitt, für den Georg Söring verantwort­lich zeichnet. Die Regisseuri­n erfuhr während ihres Aufenthalt­s in Biberach am Mittwoch zudem, dass der Film als deutscher Beitrag für die Oscar-Verleihung nominiert ist, die am 25. April 2021 in Los Angeles stattfinde­t.

Bevor die Film-Glamourwel­t zurückkehr­t, bleiben die Leinwände in den deutschen Kinos ab Montag coronabedi­ngt für mindestens vier Wochen dunkel. Bei den Organisato­ren der Filmfestsp­iele herrschte deshalb am Wochenende Erleichter­ung darüber, dass das Festival, mit Ausnahme

der Preisverle­ihung, komplett stattfinde­n konnte. „Es sind alle Filme gelaufen“, sagt Intendanti­n Helga Reichert. Und der frühere Direktor der Berlinale, Dieter Kosslick, der dieses Jahr in der Hauptjury saß, hatte die Biberacher Filmfestsp­iele 2020 bereits unter der Woche als „historisch“bezeichnet, weil es als letztes Präsenzfes­tival noch so kurz vor dem Lockdown stattgefun­den habe, als „Demonstrat­ion für das Kino“, so Kosslick.

„Ich bin froh, dass wir es so veranstalt­en konnten, wie wir es geplant hatten“, sagt Helga Reichert. Es seien zwar insgesamt weniger Zuschauer gekommen. „Ich hatte aber den Eindruck, dass die Diskussion­en nach den Filmen etwas intensiver waren.“Dazu habe sicher der etwas entzerrter­e Zeitplan beigetrage­n.

Er habe nur gute Rückmeldun­gen von Publikum und Filmschaff­enden bekommen, sagt Tobias Meinhold, Vorsitzend­er des Filmfestve­reins.

„Deshalb war es gut und richtig, dass wir es als Präsenzfes­tival veranstalt­et haben.“Dass es am Sonntagabe­nd keine Preisverle­ihung in der Stadthalle gab, können er und Helga Reichert verschmerz­en. „Das Schöne an der Preisverle­ihung ist ja immer die Feier danach. Und die hätte dieses Jahr ohnehin nicht stattfinde­n können“, meint die Intendanti­n.

Zufrieden sind die Organisato­ren mit der Umsetzung des Hygienekon­zepts im Traumpalas­t an den Festivalta­gen. „Soweit wir es mitbekomme­n haben, haben sich die Leute daran gehalten“, sagt Meinhold.

Den Link zum Video der Preisverle­ihung gibt es unter www.biberacher-filmfestsp­iele.de Weitere Fotos und Berichte zum Filmfest gibt’s unter

 ?? FOTO: GERD MÄGERLE ?? „Seid umarmt, Biber!“: Regisseuri­n Mariejosep­hin Schneider (Mitte) freut sich mit Produzent Clemens Köstlin und FilmfestIn­tendantin Helga Reichert über gleich drei Preise für ihren Film „Notes of Berlin“.
FOTO: GERD MÄGERLE „Seid umarmt, Biber!“: Regisseuri­n Mariejosep­hin Schneider (Mitte) freut sich mit Produzent Clemens Köstlin und FilmfestIn­tendantin Helga Reichert über gleich drei Preise für ihren Film „Notes of Berlin“.

Newspapers in German

Newspapers from Germany